VwGH 90/04/0286

VwGH90/04/028623.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. April 1990, Zl. Ge-45.491/1-1990/Kut/Kai, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §63 Abs2;
AVG §68 Abs1;
VStG §27 Abs1;
VStG §29a;
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
AVG §68 Abs1;
VStG §27 Abs1;
VStG §29a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 22. September 1987 wurde die Anzeige der Handelskammer Oberösterreich vom 14. September 1987, mit welcher der Beschwerdeführer der unbefugten Ausübung des Baumeistergewerbes verdächtigt wurde, gemäß § 29 a VStG 1950 dem Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg abgetreten.

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 4. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben am 8.9.1987 in X, A-Straße 5, Pläne zur Errichtung eines Fertighauses für die Fa. W-Fertighaus GesmbH gezeichnet und damit am genannten Standort das Baumeistergewerbe selbständig ausgeübt, ohne im Besitze einer hiefür erforderlichen Konzession zu sein.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 366 Abs. 1 Z. 2 iVm § 5 Z. 2 Gewerbeordnung."

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 5.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Ferner wurde gemäß § 64 VStG 1950 ein Beitrag von S 500,-- zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Erledigung des Landeshauptmannes von Salzburg vom 18. September 1989 wurde dieser Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm § 27 Abs. 1 und § 29a VStG 1950 behoben.

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Voraussetzungen für eine Abtretung gemäß § 29a VStG 1950 nicht vorgelegen seien, da, wie die weiteren Verfahrensschritte, insbesondere Zeugeneinvernahmen in den Bundesländern Oberösterreich und Wien, gezeigt hätten, durch die Übertragung des Strafverfahrens an den Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg das Strafverfahren weder vereinfacht noch beschleunigt worden sei, weshalb das angefochtene Straferkenntnis infolge Erlassung durch eine unzuständige Behörde ersatzlos aufzuheben gewesen sei.

Mit Schreiben des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 4. Oktober 1989 wurde der Strafakt "unter Hinweis auf die Ausführungen im Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 18. September 1989, GZ: 5/01-12.063/1-1989, zur allfälligen weiteren Veranlassung zuständigkeitshalber übermittelt".

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 7. Dezember 1989 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben am 8.9.1987 in X, A-Straße 5, Pläne zur Errichtung eines Fertighauses für Fa. W Fertighaus Gesellschaft m. b.H. gezeichnet und damit am genannten Standort das Baumeistergewerbe selbständig ausgeübt, ohne im Besitze einer hiefür erforderlichen Konzession zu sein.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 366 Abs. 1 Z. 2 iVm § 5 Z. 2 Gewerbeordnung."

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 eine Geldstrafe von S 5.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Weiters wurde gemäß § 64 VStG 1950 ein Betrag von S 500,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung, wobei er unter anderem ausführte, daß eine Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn nicht gegeben sei, da sein Hauptwohnsitz Salzburg sei; weiters, daß seine Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg noch nicht erledigt sei.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. April 1990 wurde diese Berufung abgewiesen und das erstinstanzliche Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vollinhaltlich bestätigt.

Zur Begründung wurde, nach Darstellung des Verfahrensganges, im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Es sei unbestritten, daß der Beschwerdeführer eine Konzession zur Ausübung des Baumeistergewerbes im Tatzeitpunkt nicht besessen habe. Bereits im erstbehördlichen Verfahren sei durch die glaubwürdige Aussage des Zeugen B erhoben worden, daß der Beschwerdeführer am 8. September 1987 Pläne für die Errichtung eines Fertigteilhauses durch die W Gesellschaft m. b.H. verfaßt habe. Da gemäß § 157 Abs. 1 GewO 1973 ausschließlich der Baumeister berechtigt sei, Hochbauten und andere verwandte Bauten zu planen, habe die Erstbehörde mit Recht den Beschwerdeführer der unbefugten Ausübung des Baumeistergewerbes schuldig erkannt. Die Aussage des Zeugen C, gewerberechtlicher Geschäftsführer der W Gesellschaft m.b.H., vermöge den Beschwerdeführer nicht "von seinem schuldhaften Verhalten zu befreien", weil dieser lediglich festgestellt habe, daß ein geschäftlicher Erfolg wie z.B. der Verkauf eines Fertigteilhauses nicht zustande gekommen sei. Dies schließe jedoch nicht aus, daß der Beschwerdeführer am 8. September 1987 zum Zwecke eines späteren Verkaufes die in Rede stehenden Pläne verfaßt habe. Es sei richtig, daß der Beschwerdeführer wegen desselben Deliktes vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg bereits mit dem Straferkenntnis vom 4. Juli 1989 verurteilt worden sei. Über Berufung des Beschwerdeführers habe jedoch der Landeshauptmann von Salzburg mit dem Berufungsbescheid vom 18. September 1989 das angefochtene Straferkenntnis im Grunde der §§ 27 und 29a VStG 1950 aufgehoben. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers sei er daher nicht wegen desselben Deliktes zweimal bestraft worden. Die Ausführungen des Beschwerdeführers seien daher nicht geeignet, das erstbehördliche Straferkenntnis mit Erfolg zu entkräften, weshalb die Berufung abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 25. September 1990, Zl. B 718/90-4, nach Ablehnung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene - Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich "in dem gesetzlich gewährleisteten Recht, nicht entgegen den Bestimmungen der §§ 366 Abs. 1 Z. 2 i.Z.m. 5 Z. 2 und 1 GewO, §§ 26 ff VStG, insbesondere § 29a VStG, bestraft zu werden, verletzt".

Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor, der angefochtene Bescheid sei deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht als erwiesen hätte annehmen dürfen. Die Aussage des Zeugen C habe die Angaben des Zeugen B widerlegt. Eine Begründung dafür, warum diese Angaben dennoch für glaubwürdig gehalten würden, sei die belangte Behörde schuldig geblieben. Sie habe sich auch nicht damit auseinandergesetzt, daß der Beschwerdeführer bei einem Baumeister angestellt gewesen sei und seiner unselbständigen Tätigkeit das Merkmal der Gewerbemäßigkeit fehle. Mit dem Bescheid seien auch wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt worden: Die Bezirkshauptmannschaft Braunau bzw. der Landeshauptmann von Oberösterreich seien nach der einmal erfolgten Übertragung gemäß § 29a VStG nicht mehr für das Verfahren zuständig, sodaß die belangte Behörde dies zu berücksichtigen gehabt hätte.

Dem Beschwerdevorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu:

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 ist zur Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens jene Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

Nach § 29a VStG 1950, in der Fassung VOR der Novelle BGBl. Nr. 358/1990, kann, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird, die zuständige Behörde die Durchführung des Strafverfahrens oder des Strafvollzuges auf eine andere sachlich zuständige Behörde übertragen, und zwar hinsichtlich des Strafverfahrens nur an jene sachlich zuständige Behörde, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, hinsichtlich des Strafvollzuges nur an eine Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeibehörde. In den Angelegenheiten der Landesverwaltung kann das Strafverfahren überdies nur auf eine Behörde im selben Bundesland übertragen werden.

Die Übertragung nach § 29a VStG 1950 ist kein Bescheid, sondern eine verfahrensrechtliche Anordnung und unterliegt als solche keiner abgesonderten Anfechtung und, mangels Bescheidcharakter, auch keiner Bekämpfung vor dem Verwaltungsgerichtshof. Ist diese verfahrensrechtliche Anordnung mit Rechtswidrigkeit behaftet, so kann diese bei Anfechtung des ihr folgenden Bescheides geltend gemacht werden (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1985, Zl. 85/18/0211).

Die RECHTSKRAFT des die Sache erledigenden Bescheides erfaßt hiebei auch die bloße Verfahrensanordnung (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1987, Zl. 82/04/0233, - nur Rechtssatz in Slg. N.F. Nr. 10.937/A).

Mit (der Verfahrensanordnung) der Übertragung der Durchführung eines Strafverfahrens an die Behörde am Wohnsitz (Aufenthalt) des Beschuldigten endet die Zuständigkeit der übertragenden Behörde in diesem Strafverfahren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1990, Zl. 90/04/0201).

Gemäß § 62 Abs. 1 AVG 1950, welche Vorschrift zufolge der Anordnung des § 24 VStG 1950 auch für das Verwaltungsstrafverfahren gilt, können, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt die Rechtswirkung eines Bescheides erst mit dessen Erlassung durch Zustellung oder durch mündliche Verkündung ein (vgl. hiezu u.a. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. April 1984, VwSlg. N.F. Nr. 6289/A).

Im vorliegenden Fall wurde das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 4. Juli 1987 mit Erledigung des Landeshauptmannes von Salzburg vom 18. September 1989 "ersatzlos behoben", worauf der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 7. Dezember 1989 und in weiterer Folge zufolge der Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Straferkenntnis der nunmehr angefochtene Bescheid vom 6. April 1990 ergingen.

Wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 7. Dezember 1989 und in der (Sachverhaltsdarstellung der) vorliegenden Beschwerde ausführt, sei ihm die Erledigung des Landeshauptmannes von Salzburg vom 18. September 1989 nicht zugestellt worden. Auch die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten enthalten keinen dahingehenden Hinweis.

Da sich die belangte Behörde mit dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen nicht auseinandersetzte, belastete sie ihren Bescheid mit Feststellungs- bzw. Begründungsmängeln, denen Wesentlichkeit zukommt:

Mangels "Erlassung" der Berufungsentscheidung des Landeshauptmannes von Salzburg vom 18. September 1989 wäre nämlich die durch die Übertragung nach § 29a VStG 1950 begründete Zuständigkeit - zufolge Fehlens eines im Sinne der obigen Rechtsprechung die Sache erledigenden, die diesbezüglich Verfahrensanordnung erfassenden, rechtskräftigen Bescheides - weiter aufrecht bzw. die Zuständigkeit der übertragenden Behörde in diesem Strafverfahren (weiterhin) nicht gegeben. In diesem Fall hätte die belangte Behörde als Berufungsbehörde den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 7. Dezember 1989 wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde aufheben müssen.

Da sohin der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß es einer weiteren Erörterung des Beschwerdevorbringens bedurft hätte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Ersatz von Stempelgebühren, die im vorausgegangenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entrichtet werden mußten (vgl. den hg. Beschluß vom 17. März 1986, Zl. 86/08/0002, u.a.).

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