VwGH 89/13/0135

VwGH89/13/013521.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, in der Beschwerdesache der Dr. med. S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. April 1989, Zl.6/5-1728/11/89-03, betreffend Einkommensteuer 1986, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §6;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs2;
EStG 1972 §18 Abs1 Z5;
EStG 1972 §33 Abs4;
EStG 1972 §57 Abs2;
PG 1965 §50 Abs1;
PG 1965 §51 Abs1;
PG 1965 §52 Abs2;
PG 1965 §60 Abs1;
VwRallg;
ABGB §6;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs2;
EStG 1972 §18 Abs1 Z5;
EStG 1972 §33 Abs4;
EStG 1972 §57 Abs2;
PG 1965 §50 Abs1;
PG 1965 §51 Abs1;
PG 1965 §52 Abs2;
PG 1965 §60 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist angestellte praktische Ärztin. Am 7. Dezember 1987 reichte sie für das Jahr 1986 Abgabenerklärungen betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer ein. Danach erzielte sie in diesem Jahr auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit und solche aus der Vermietung einer Eigentumswohnung. Da das Finanzamt die Abgabenbescheide nicht innerhalb eines Jahres erließ, stellte die Beschwerdeführerin am 16. Dezember 1988 einen Antrag auf Übergang der Zuständigkeit an die Abgabenbehörde zweiter Instanz (§ 311 Abs. 2 BAO). Diese führte ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durch und erließ in der Folge Bescheide betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 1986. Dabei wich die Abgabenbehörde neben anderen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht angefochtenen Punkten auch insoferne von der Einkommensteuererklärung ab, als sie den beantragten Alleinverdiener- bzw. Alleinerhalterabsetzbetrag nicht gewährte. Der Alleinverdienerabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 EStG 1972 stehe nicht zu, weil die Beschwerdeführerin infolge der Inhaftierung ihres Ehegatten (lebenslange Freiheitsstrafe) von diesem dauernd getrennt lebe. Da die Beschwerdeführerin nach ihrem Ehegatten einen pensionsrechtlichen Versorgungsgenuß, der seinem wirtschaftlichen Gehalt nach einem Witwenversorgungsgenuß entspreche, beziehe, seien auch die Voraussetzungen für den Alleinerhalterabsetzbetrag nicht erfüllt. Weiters verweigerte die belangte Behörde unter Hinweis auf die Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z. 5 EStG 1972 den Kirchenbeitragszahlungen, soweit sie den Betrag von S 800,-- überstiegen, den Abzug als Sonderausgaben.

In der Beschwerde gegen diesen von der belangten Behörde erlassenen Einkommensteuerbescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit, sowie Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Alleinverdiener- bzw. Alleinerhalterabsetzbetrag:

Gemäß § 33 Abs. 4 Einkommensteuergesetz 1972 steht dem Steuerpflichtigen ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu, wenn er verheiratet ist und von seinem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten - der im übrigen keine oder nur Einkünfte in einer im Gesetz normierten Höhe haben darf - nicht dauernd getrennt lebt. Das Tatbestandsmerkmal des "nicht dauernd getrennt Lebens" stellt ausschließlich auf die Sachverhaltsfrage ab, ob der Steuerpflichtige, der den Alleinverdienerabsetzbetrag beansprucht, bei an sich aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebt. Von einem "nicht dauernd getrennt leben" ist in diesem Zusammenhang auch dann noch zu sprechen, wenn der Abgabepflichtige z.B. aus Gründen seines Berufes - sei es auch für längere Zeit und immer wieder - vom gemeinsamen Familienwohnsitz abwesend ist, in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen jedoch an diesen zurückkehrt, um sodann gemeinsam mit seinem Ehegatten dort zu leben (vgl. hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1984, 83/13/0153).

Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, spricht eine aufrechte Ehe grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Diese Vermutung ist allerdings nicht unwiderlegbar.

Verläßt ein Ehegatte die gemeinsame eheliche Wohnung, um forthin auf Dauer sein Leben in einer anderen Wohnung zu verbringen, liegt eine "dauernde Trennung" im Sinne des § 33 Abs. 4 EStG 1972 auch dann vor, wenn die Gatten übereinkommen, die Ehe nach außen hin - etwa mit Rücksicht auf die gemeinsamen Kinder - aufrecht zu erhalten.

Im Regelfall wird daher die Absicht der Ehegatten, dauernd oder nur vorübergehend getrennt zu leben, festzustellen und der behördlichen Entscheidung zugrunde zu legen sein.

Dem subjektiven Willen der Ehegatten kann aber dann kein entscheidendes Gewicht mehr beigemessen werden, wenn objektive Umstände eine dauernde Trennung erzwingen. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin wurde im Jahre 1984 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt und war deshalb während des gesamten Streitzeitraumes in einer Strafvollzugsanstalt untergebracht. Bei dieser Sachlage mußte die belangte Behörde keine Ermittlungen darüber anstellen, ob die Ehegatten nach Beendigung des Strafvollzuges beabsichtigen, ihre Lebensgemeinschaft wieder herzustellen oder nicht. Die Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bewirkt jedenfalls eine auf Dauer angelegte getrennte Lebensführung. Der mögliche Wille der Ehegatten zu einem gemeinsamen Leben kann daher erst nach Entlassung aus der Strafhaft zum Tragen kommen.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf das Urteil des OGH vom 17. November 1981, SZ. 54/170 beruft, wonach ein strafgerichtlicher Freiheitsentzug wegen der Unfreiwilligkeit der Trennung keine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft im Sinne des § 55 Ehegesetz bewirkt, ist ihr zu entgegnen:

§ 55 Ehegesetz regelt die Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft. Der Bestimmung liegt der Zerrüttungsgedanke zugrunde. Ist die häusliche Gemeinschaft über einen bestimmten Zeitraum hindurch aufgelöst, kann jeder der Ehegatten bei Vorliegen einer tiefgreifenden unheilbaren Zerrüttung die Scheidung der Ehe begehren. In diesem Zusammenhang mag es gerechtfertigt sein, bei einer durch äußere Umstände verursachten faktischen Trennung zu verlangen, daß ein Ehegatte dem anderen zu erkennen gibt, daß er die häusliche Gemeinschaft nicht wieder aufnehmen will. Der Ehegatte soll im Fall einer erzwungenen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft nicht ohne weiteres vom Scheidungsbegehren des anderen Ehegatten überrascht werden können.

Abgabenrechtliche Tatbestände sind hingegen nach dem abgabenrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Abgabengesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung auszulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1992, 92/16/0015).

Der Alleinverdienerabsetzbetrag trägt der gesetzlichen ehelichen Unterhaltspflicht Rechnung. Dem Alleinverdiener steht der allgemeine Steuerabsetzbetrag nur einmal zu, obwohl sein notwendiges Existenzminimum im Hinblick auf die ihm obliegende Unterhaltspflicht größer ist als das notwendige Existenzminimum einer Einzelperson. Mit dem Alleinverdienerabsetzbetrag soll die steuerlich ungleiche Berücksichtigung des gemeinsamen Existenzminimums einer Haushaltsgemeinschaft wenigstens zum Teil ausgeglichen und dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen Rechnung getragen werden (vgl. auch Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2 S 700). So gesehen ist es aber völlig unerheblich, ob eine Trennung der Ehegatten vom Willen eines oder beider Gatten getragen ist oder überhaupt gegen den Willen beider Eheleute durch äußere Umstände erzwungen wird.

Nach § 33 Abs. 4 EStG 1972 steht der Absetzbetrag auch verheirateten Personen zu, wenn sie von ihrem Ehegatten dauernd getrennt leben und mindestens ein Kind im Sinne des § 119 EStG 1972 haben (sogenannter Alleinerhalter). Weitere Voraussetzung ist, daß der Alleinerhalter für sich keine Unterhaltsleistungen oder solche von insgesamt nicht mehr als S 10.000,-- erhält. Den Unterhaltsleistungen gleichzuhalten sind Einkünfte aus Versorgungsleistungen nach dem verstorbenen Ehegatten, die der Steuerpflichtige neben anderen Einkünften von mehr als S 10.000,-- jährlich erhält.

Als Unterhaltsleistungen sind alle Zahlungen an den Alleinerhalter aus dem Titel des gesetzlichen Unterhaltsanspruches zu verstehen, gleichgültig von welcher Seite sie geleistet werden (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2 S 703). Der Gerichtshof teilt die in der Beschwerde vertretene Auffassung, als Unterhaltsleistung im Sinne dieser Bestimmung könne nur der vom Ehegatten geleistete Unterhalt verstanden werden, nicht.

Die Beschwerdeführerin hat laut Einkommensteuererklärung für das Jahr 1986 aufgrund ihrer Stellung als Ehefrau eines ehemaligen Beamten des Ruhestandes Einkünfte in Höhe von insgesamt S 46.551,-- erhalten. Gesetzliche Grundlage für diesen Rentenbezug bildet das Pensionsgesetz 1965. Nach § 50 Abs. 1 dieses Gesetzes gebührt dem ehemaligen Beamten des Ruhestandes, dessen Anspruch auf Ruhegenuß infolge gerichtlicher oder disziplinärer Verurteilung erloschen ist, ein monatlicher Unterhaltsbeitrag in der Höhe von 75 v.H. des Ruhegenusses und der Ruhegenußzulage, auf die der ehemalige Beamte Anspruch hätte, wenn er nicht verurteilt worden wäre. Für die Dauer des Vollzuges näher bestimmter Freiheitsstrafen ruht der Unterhaltsbeitrag. Während dieser Zeit ist der Angehörige des ehemaligen Beamten wie ein Hinterbliebener zu behandeln (§ 52 Abs. 2 leg. cit.). Gemäß § 51 Abs. 1 leg. cit. gebührt dem Hinterbliebenen eines ehemaligen Beamtes des Ruhestandes, der am Sterbetag Anspruch auf Unterhaltsbeitrag gehabt hat, ein monatlicher Unterhaltsbeitrag in der Höhe des Versorgungsgenusses und der Versorgungsgenußzulage, auf die der Hinterbliebene Anspruch gehabt hätte, wenn der ehemalige Beamte nicht verurteilt woren wäre.

Aus § 60 Abs. 1 Pensionsgesetz ist zu erschließen, daß der Unterhaltsbeitrag entgegen seiner Bezeichnung als Unterhalt dem Begriff der Pensionsversorgung zuzurechnen ist. Den Unterhaltsleistungen sind jedoch gemäß § 33 Abs. 4 letzter Satz EStG 1972 auch Einkünfte aus Versorgungsleistungen nach dem verstorbenen Ehegatten grundsätzlich gleichgestellt. Nach Ansicht des Gerichtshofes bringt der Gesetzgeber mit der Wendung "nach dem verstorbenen Ehegatten" zum Ausdruck, daß Versorgungsleistungen nach einem Ehegatten regelmäßig dessen Ableben zur Voraussetzung haben. Behandelt der Gesetzgeber einen Angehörigen bei Zutreffen bestimmter Voraussetzungen jedoch auch ohne Tod des anspruchsvermittelnden Beamten als Hinterbliebenen und spricht ihm aus diesem Titel Versorgungsleistungen zu, dann sind solche Leistungen als "Versorgungsleistungen nach dem verstorbenen Ehegatten" im Sinne des § 33 Abs. 4 EStG 1972 anzusehen. Für diese Auslegung spricht auch der vom Gesetzgeber mit der Ausdehnung des Alleinverdienerabsetzbetrages auf Alleinerhalter verfolgte Zweck. Nach den Gesetzesmaterialien (951 Blg NR XV GP) soll der Absetzbetrag einen wirtschaftlichen Ausgleich für die Behinderung des Alleinerhalters im Erwerbsleben schaffen. Soweit der Steuerpflichtige hingegen Versorgungsleistungen für sich erhält, geht der Gesetzgeber davon aus, daß die wirtschaftliche Erschwernis für den Alleinerhalter dadurch ausgeglichen wird. Ein derartiger finanzieller Ausgleich ist aber unabhängig davon gegeben, ob ein Steuerpflichtiger tatsächlich verwitwet ist oder pensionsrechtlich nur einer verwitweten Person gleichgehalten wird. Der abgeleitete Pensionsgenuß steht daher im Zusammenwirken mit den anderen von der Beschwerdeführerin erzielten Einkünften von mehr als

S 10.000,-- der Gewährung des Alleinerhalterabsetzbetrages entgegen.

2. Kirchenbeitrag:

Die Beschwerdeführerin bekämpft ausschließlich die betragliche Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Kirchenbeiträgen. Sie rügt keine der Abgabenbehörde bei Anwendung des § 18 Abs. 1 Z. 5 EStG 1972 unterlaufene Rechtswidrigkeit, sondern stellt alleine die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung in Frage.

Die Prüfung einer einfachgesetzlichen Bestimmung auf ihre Verfassungsmäßigkeit fällt nicht in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes. Den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht auch kein Anspruch darauf zu, daß der Verwaltungsgerichtshof einen Antrag im Sinne des Art. 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof stellt. Einen Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes kann der Verwaltungsgerichtshof nämlich nicht schon über Antrag eines Beschwerdeführers, sondern nur dann stellen, wenn der mit der Rechtssache befaßte Senat des Gerichtshofes selbst begründete Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen Gesetzesstelle hegt und daher in der Lage ist, einen derartigen Antrag stichhältig zu begründen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 152). Dies trifft im Beschwerdefall nicht zu.

Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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