VwGH 89/02/0018

VwGH89/02/001819.4.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, in der in der Beschwerdesache des Dr. EL, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. November 1988, Zl. MA 70-10/2628/87/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §13 Abs4;
ZustG §4;
AVG §71 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §13 Abs4;
ZustG §4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, zwei näher genannte Übertretungen der StVO 1960 begangen zu haben. Hinsichtlich einer dritten ihm von der Erstbehörde zur Last gelegten Übertretung wurde das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Der angefochtene Bescheid wurde von der belangten Behörde an die Kanzleianschrift des Beschwerdeführers adressiert. Die den Bescheid enthaltende Sendung wurde laut Zustellnachweis dort am 28. November 1988 von einer Person, die sich durch Ankreuzen der entsprechenden Rubrik als "Angestellter des berufsmäßigen Parteienvertreters" zu erkennen gab, unter Verwendung eines Namensstempels des Beschwerdeführers übernommen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde am 20. Jänner 1989 zur Post gegeben.

Der Beschwerdeführer führt zur Rechtzeitigkeit der Erhebung der Beschwerde aus, die Person, die die den angefochtenen Bescheid enthaltende Sendung am 28. November 1988 übernommen habe, sei nicht seine Angestellte, sondern die eines anderen unter derselben Anschrift tätigen Rechtsanwaltes.

Gemäß § 13 Abs. 4 des Zustellgesetzes ist dann, wenn der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ist, die Sendung in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden; durch Organe der Post darf an bestimmte Angestellte nicht oder nur an bestimmte Angestellte zugestellt werden, wenn der Parteienvertreter dies schriftlich bei der Post verlangt hat.

Zunächst ist davon auszugehen, daß auch dann, wenn Adressat des zuzustellenden Schriftstückes der Rechtsanwalt persönlich und nicht in seiner Eigenschaft als Parteienvertreter ist, § 13 Abs. 4 des Zustellgesetzes zum Tragen kommt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 1988, Zl. 88/03/0137).

Es kann dahinstehen, ob die Behauptung des Beschwerdeführers, die den angefochtenen Bescheid enthaltende Sendung sei von einer Person übernommen worden, die nicht seine Angestellte ist, zutrifft. Der Begriff des Angestellten ist im gegebenen Zusammenhang nicht im arbeitsvertragsrechtlichen Sinn zu verstehen. So können durchaus auch nicht als Angestellte im Sinne des Angestelltengesetzes zu wertende Arbeitnehmer als Angestellte im Sinne der Zustellvorschriften angesehen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.329/A, zu § 23 Abs. 1 AVG 1950). Dazu kommt, daß in Ansehung von zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Personen (im folgenden verkürzt als Rechtsanwälte bezeichnet) an jeden in der Kanzlei anwesenden "Angestellten des Parteienvertreters" zugestellt werden kann. Sind in einer Kanzlei mehr als ein Rechtsanwalt tätig, so gilt dies für jeden dort anwesenden Angestellten, gleichgültig, ob dieser in einem Vertragsverhältnis zu allen Rechtsanwälten steht, das ihn ihnen gegenüber zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet. Der Gesetzgeber hat den Umstand, daß zahlreiche Rechtsanwälte im Rahmen von Kanzleigemeinschaften tätig sind - dessen Kenntnis vorausgesetzt werden kann -, nicht ausdrücklich geregelt. Ein den Sinn des Gesetzes berücksichtigendes Verständnis führt zu dem Ergebnis, daß die Rechtmäßigkeit einer Zustellung an einen von mehreren eine Kanzleigemeinschaft bildenden Rechtsanwälten nicht davon abhängt, ob ein - nach außen gar nicht erkennbares - spezielles Vertragsverhältnis besteht. Eine Durchschnittsbetrachtung erlaubt die Annahme, daß im Zweifel jeder in einer Rechtsanwaltskanzlei anwesende Angestellte zur Entgegennahme von Schriftstücken für jeden der in Betracht kommenden Rechtsanwälte befugt ist. Der Rechtsanwalt hat nach § 13 Abs. 4 des Zustellgesetzes die Möglichkeit, die Zustellung an bestimmte in seiner Kanzlei tätige Angestellte durch schriftliche Erklärung gegenüber der Post auszuschließen. Damit kann er verhindern, daß an ihn adressierte Schriftstücke durch ihm gegenüber nicht vertraglich gebundene Personen, die in seinen Kanzleiräumen arbeiten, mit rechtlicher Wirksamkeit für ihn übernommen werden können.

Dazu kommt, daß die in Rede stehende, in seinen Kanzleiräumen tätige Person nach der Aktenlage üblicherweise an den Beschwerdeführer adressierte Schriftstücke entgegennimmt und dabei den Namensstempel des Beschwerdeführers verwendet (vgl. die Ladungsbescheide der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 5. September 1988 und vom 5. Oktober 1988 - die auf den betreffenden Zustellnachweisen aufscheinenden Zusätze "p.A. RA-Kanzlei Dr. M." ändern daran nichts, weil es sich auch dabei um zu eigenen Handen des Beschwerdeführers, der in diesem Stadium des Verwaltungsstrafverfahrens nicht mehr vertreten war, vorzunehmende Zustellungen gehandelt hat). Auch daß der Beschwerdeführer der betreffenden Person untersagt hätte, Zustellungen für ihn entgegenzunehmen und diese einer solchen Anordnung zuwidergehandelt hätte - wobei dahingestellt bleiben kann, ob dem angesichts der Regelung des § 13 Abs. 4 des Zustellgesetzes überhaupt rechtliches Gewicht zugekommen wäre - wurde von ihm nicht behauptet.

Die Übernahme der den angefochtenen Bescheid enthaltenden Sendung durch die betreffende Person hatte somit für den Beschwerdeführer die Wirkung, daß ihm der angefochtene Bescheid zugestellt war. Auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zukommens der Sendung an ihn kommt es nicht mehr an. Dies hätte in einem allfälligen Verfahren über einen Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist von Bedeutung sein können.

Die am 20. Jänner 1989 zur Post gegebene Beschwerde ist damit verspätet eingebracht worden. Sie war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Beschwerdefrist zurückzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 19. April 1989

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