VwGH 88/03/0137

VwGH88/03/01379.11.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerde der Dr. UM, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 26. Mai 1988, Zl, 8V-1192/2/1988, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §58 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §19;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
ZustG §13 Abs4;
ZustG §4;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §19;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
ZustG §13 Abs4;
ZustG §4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 1. Juni 1987 war über die Beschwerdeführerin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe zwei Wochen) verhängt worden.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Februar 1988, Zl. 87/03/0163, in Ansehung des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. In Ansehung des Strafausspruches einschließlich des Verfahrenskostenbeitrages wurde jedoch der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil es zur Feststellung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin zumindest einer schriftlichen Aufforderung an sie, diese bekanntzugeben, bedurfte und vor Klärung und Ausschöpfung aller Möglichkeiten in dieser Frage die belangte Behörde auch nicht zu einer Einschätzung berechtigt war. Auf die Sachverhaltsdarstellung und Erwägungen dieses Erkenntnisses wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 26. Mai 1988 wurde über die Beschwerdeführerin neuerlich wegen der Verwaltungsübertretung des § 103 Abs. 2 KFG eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe zwei Wochen) verhängt. Die Beschwerdeführerin sei - so wurde in der Begründung dieses Bescheides ausgeführt mit Schreiben vom 31. März 1988, das die Beschwerdeführerin persönlich am 7. April 1988 übernommen habe, aufgefordert worden, ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse innerhalb der gesetzten Frist bekanntzugeben. Unter einem sei die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen worden, daß im Fall des fruchtlosen Verstreichens der Frist eine Einschätzung ihrer Vermögensverhältnisse nach § 19 VStG 1950 durch die Behörde erfolgen würde, wobei in Anbetracht des Umstandes, daß sie als Rechtsanwalt tätig sei, von einem Mindestmonatseinkommen von S 14.000,-- ausgegangen werde. Die Beschwerdeführerin sei weder der Aufforderung zur Bekanntgabe ihrer Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nachgekommen noch habe sie sich gegen eine Einschätzung ihres Monatseinkommens in Höhe von S 14.000,-- ausgesprochen. Trotz Ausschöpfung aller ihr zu Gebote stehenden Möglichkeiten habe die Berufungsbehörde die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin nicht erheben können, weshalb von dem bereits erwähnten Einkommen von monatlich S 14.000,-- ausgegangen werde. In Anbetracht dieser Einkommensverhältnisse erscheine im Zusammenhang mit den einschlägigen gegen die Beschwerdeführerin aufscheinenden Verwaltungsvorstrafen, die als erschwerend zu werten seien, und der offensichtlich vorsätzlich begangenen Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG die von der Erstbehörde verhängte Geld- bzw. Ersatzarreststrafe als angemessen im Sinne des § 19 VStG 1950.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet, daß ihr das Schreiben der belangten Behörde vom 31. März 1988 persönlich am 7. April 1988 zugestellt und von ihr übernommen worden sei. Sie habe sich an diesem Tage nachweislich nicht in Klagenfurt aufgehalten. Es sei daher völlig unmöglich, daß sie an diesem Tage ein Schreiben der belangten Behörde erreicht hätte, geschweige denn von ihr ein solches Schreiben persönlich übernommen worden wäre.

Dem ist entgegenzuhalten, daß gemäß § 4 des Zustellgesetzes Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes der Ort ist, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist unter anderem die Kanzlei des Empfängers. Wird in der Kanzlei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person - bei der Beschwerdeführerin als Rechtsanwältin handelt es sich um eine solche Person - zugestellt, so darf gemäß § 13 Abs. 4 des Zustellgesetzes die Sendung an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden. Die Zustellung an einen in der Kanzlei anwesenden Angestellten des Parteienvertreters behindert sohin nicht die Rechtswirksamkeit der Zustellung. Laut dem den Verwaltungsstrafakten angeschlossenen Zustellschein wurde die Aufforderung der belangten Behörde vom 31. März 1988 der Beschwerdeführerin an deren Kanzleiadresse zugestellt. Der Zustellschein ist mit der Stampiglie der Kanzlei der Beschwerdeführerin sowie mit einer unleserlichen Unterschrift versehen, wobei in der Übernahmsbestätigung die Rubrik "Empfänger" angekreuzt ist. Bei diesem Sachverhalt entbehrt die Behauptung der Beschwerdeführerin, es sei ihr die Aufforderung vom 31. März 1988 nie rechtswirksam zugestellt worden, schon im Hinblick auf § 13 Abs. 4 des Zustellgesetzes der Grundlage.

Die Beschwerdeführerin wendet weiters ein, es seien von der belangten Behörde bei der Strafbemessung zu Unrecht mehrere einschlägige Vorstrafen als Erschwerungsgrund herangezogen worden, weil die verhängten einschlägigen Verwaltungsstrafen Gegenstand eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bzw. vor dem Verwaltungsgerichtshof seien oder vom Verwaltungsgerichtshof als rechtswidrig aufgehoben worden seien, weshalb "von mehreren einschlägigen nicht mehr in der Tilgungsfrist unterliegenden Verwaltungsstrafen" keine Rede sein könne.

Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Abgesehen davon, daß nach Lage der Akten nicht alle einschlägigen Verwaltungsvorstrafen von der Beschwerdeführerin vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes angefochten wurden und jedenfalls mehrere solche rechtskräftige Vorstrafen aktenkundig sind, übersieht die Beschwerdeführerin, daß die Erhebung einer Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft und damit auch nicht die Berücksichtigung der in Beschwerde gezogenen Strafen als Vorstrafen hindert (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. November 1986, Zl. 86/10/0163).

Schließlich meint die Beschwerdeführerin, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Einschätzung des einem Strafausspruch zugrundeliegenden Einkommens in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise vorgenommen und entsprechend begründet werden müsse, was im angefochtenen Bescheid zur Gänze unterblieben sei.

Diesem Vorbringen bleibt es ebenfalls verwehrt, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Mit dem Erkenntnis vom 17. Februar 1987, Zl. 86/07/0089, auf das sich die Beschwerdeführerin im Zusammenhang beruft, hat der Verwaltungsgerichtshof ein Straferkenntnis in Ansehung des Strafausspruches als rechtswidrig aufgehoben, weil die Einkommensverhältnisse des damaligen Beschwerdeführers nicht berücksichtigt wurden. Da der Beschwerdeführer darüber keine Angaben gemacht hatte, hätte eine Einkommensschätzung vorgenommen werden müssen, für die aber weder der Begründung des damals bekämpften Bescheides noch den Verwaltungsakten ein Anhaltspunkt zu entnehmen war. Aus diesem Erkenntnis ist demnach für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, weil im Beschwerdefall sehr wohl eine Schätzung des Einkommens der Beschwerdeführerin vorgenommen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß dies in einer der nachprüfenden Kontrolle nicht zugänglichen Weise geschehen wäre, wenn die belangte Behörde der Begründung ihres Bescheides zufolge in Anbetracht des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin als Rechtsanwalt tätig ist, von einem Mindestmonatseinkommen von S 14.000,--, zu welcher Schätzung sich die Beschwerdeführerin trotz gebotener Gelegenheit nicht äußerte, ausgegangen ist. Daß diese Einschätzung zum Nachteil der Beschwerdeführerin vorgenommen worden wäre, wird nicht einmal von der Beschwerdeführerin behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die Relevanz des von der Beschwerdeführerin eingewendeten Verfahrensmangels auch auf dem Boden des Beschwerdevorbringens zu erkennen.

Die Beschwerdeführerin wurde wegen der gleichen Verwaltungsübertretung schon wiederholt rechtskräftig bestraft, wobei sie zuletzt zu einer Geldstrafe von S 7.000,-- verurteilt wurde, was sie dennoch nicht abhielt, neuerlich straffällig zu werden. Wenn die belangte Behörde in Hinsicht darauf nunmehr die Verhängung einer höheren Strafe für notwendig erachtete und diese auch unter Berücksichtigung der von ihr eingeschätzten Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin, die es diesbezüglich an jeglicher Mitwirkung mangeln ließ, für gerechtfertigt hielt, vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof schon im Hinblick auf die Erfordernisse der Spezialprävention nicht entgegenzutreten. Da sohin nicht zu erkennen ist, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall das ihr im § 19 VStG 1950 eingeräumte Ermessen überschritten hätte, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Wien, am 9. November 1988

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