VwGH 88/11/0269

VwGH88/11/026918.4.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des MW in W, vertreten durch Dr. Theo Petter, Rechtsanwalt in Wien I, Stephansplatz 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. Oktober 1988, Zl. MA 70-8/135/88, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §3 litc;
KFG 1967 §66 Abs2 litc;
KFG 1967 §73 Abs1;
SGG §12 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988110269.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. Oktober 1988 wurde dem Beschwerdeführer die ihm erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und zugleich gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. verfügt, daß dem Beschwerdeführer eine neue Lenkerberechtigung erst nach Ablauf von zwei Jahren, gerechnet ab 22. Februar 1988, wobei "etwaige Haftzeiten in die Entziehungsfrist jedoch nicht einzurechnen sind", erteilt werden dürfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß nicht die Bundespolizeidirektion Wien, sondern vielmehr "die entsprechende Verwaltungsbehörde in Innsbruck" zur Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides vom 21. Dezember 1987 zuständig gewesen sei. Richtig ist, daß in Angelegenheiten der Entziehung einer Lenkerberechtigung die Bestimmung des § 3 lit. c AVG 1950 zum Tragen kommt, wonach sich die örtliche Zuständigkeit zunächst nach dem Wohnsitz (Sitz) des Beteiligten und dann nach seinem Aufenthalt richtet (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1986, Zl. 86/11/0042). Der Beschwerdeführer übersieht aber, daß im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, welche erst mit dessen Zustellung an ihn (unter einer Wiener Adresse) am 22. Februar 1988 bewirkt wurde, der Aktenlage nach sein Wohnsitz bereits wieder in Wien begründet und damit auch die örtliche Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Wien gegeben war. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer vorher, insbesondere "zum Zeitpunkt der Setzung des Entziehungstatbestandes" bzw. seiner Inhaftierung oder seiner Verurteilung wegen des der Entziehung zugrundeliegenden strafbaren Verhaltens durch das Landesgericht Innsbruck, über keinen Wohnsitz in Wien verfügte und demnach die Bundespolizeidirektion Wien im Zeitpunkt der Einleitung des Entziehungsverfahrens und nach der Aktenlage bis 3. Februar 1988 - wie die belangte Behörde auch in der Gegenschrift einräumt - nicht zuständig war. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang ausschließlich, daß bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (dem kein Mandatsbescheid vorangegangen ist) die örtliche Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Wien bestanden hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. April 1984, Zl. 82/11/0358), weshalb dieser Beschwerdeeinwand nicht berechtigt ist.

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. November 1987 wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG verurteilt wurde, weil er in der Zeit vom 13. Juli 1987 bis 16. Juli 1987 den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge, nämlich ca. 290 g Cannabisharz, von Spanien über Frankreich und die Schweiz nach Österreich bis Innsbruck geschmuggelt, sohin ausgeführt und eingeführt hat. Darin hat die belangte Behörde das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 erblickt. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, daß die genannte Verurteilung "gemäß § 12 SGG nach der Suchtgiftgesetz-Novelle 1985 ausgesprochen worden" sei, sich jedoch "§ 66 Abs. 2 KFG 1967 lediglich auf § 12 SGG 1951 bezieht und nicht die novellierte Fassung 1985 beinhaltet", sodaß die Verwaltungsbehörden beider Instanzen "sich auf eine nicht mehr existente Bestimmung bezogen" hätten. Darauf ist dem Beschwerdeführer vorerst zu erwidern, daß nach der am 16. Juli 1988 in Kraft getretenen 12. Kraftfahrgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 375/1988, im § 66 Abs 2 lit. c das das Suchtgiftgesetz betreffende Zitat "gemäß § 12 Suchtgiftgesetz 1951 in der Fassung BGBl. Nr. 184/1985" lautet und die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides in Ausübung ihrer reformatorischen Funktion (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 1984, Zl. 82/11/0156, und vom 8. November 1988, Zl. 88/11/0162) bereits auf diese neue Rechtslage Bedacht zu nehmen hatte. Was aber die Wahrnehmung der Kontrollfunktion der belangten Behörde als Berufungsbehörde anlangt, so hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. April 1986, Slg. Nr. 12.100/A, dargelegt, daß es sich bei der Verweisung im § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 (vor der 12. KFG-Novelle) auf § 12 Suchtgiftgesetz 1951 um eine statische Verweisung handelt, sodaß der Inhalt jener Bestimmung durch die Suchtgiftgesetz-Novelle 1985 keine Änderung erfahren hat. Das bedeutet im Beschwerdefall bei Beurteilung der Frage, ob die Bundespolizeidirektion Wien zu Recht vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 ausgegangen ist und daher die belangte Behörde zu Recht die von der Erstbehörde ausgesprochene Entziehungsmaßnahme bestätigt und damit auch bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides aufrecht erhalten hat, daß § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz 1951 in der Fassung vor der Suchtgiftgesetz-Novelle 1985 heranzuziehen war. Danach machte sich einer strafbaren Handlung schuldig, wer vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen erzeugt, einführt, ausführt oder in Verkehr setzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen kann. Daß der Beschwerdeführer ein derartiges Verhalten gesetzt hat, steht fest, ist er doch den Ausführungen der belangten Behörde, daß über den (sie bindenden) Urteilsspruch hinaus der (nach der alten Fassung) erforderliche "Streuungsvorsatz" des Beschwerdeführers (vgl. dazu auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1987, Zl. 87/11/0149, und vom 14. Juni 1988, Zl. 87/11/0239) als erwiesen anzunehmen sei, nicht entgegengetreten. Dieses Verhalten entspricht aber einer "strafbaren Handlung gemäß § 12 Suchtgiftgesetz 1951" (in der Fassung vor der Suchtgiftgesetz-Novelle 1985), auch wenn der Beschwerdeführer zur Tatzeit (13. bis 16. Juli 1987) zufolge der damals bestehenden Rechtslage (auf Grund der Suchtgiftgesetz-Novelle 1985) keine solche strafbare Handlung mehr begehen konnte. Im gegebenen Zusammenhang ist allein entscheidend, daß der Beschwerdeführer eine Handlung begangen hat, die nach der früheren Rechtslage strafbar und gemäß § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 (vor der 12. KFG-Novelle) als bestimmte Tatsache anzusehen war.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die Ansicht der belangten Behörde, daß auf Grund dieser bestimmten Tatsache und ihrer Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 - bei der auch berücksichtigt wurde, daß der Beschwerdeführer während seiner Haft vom 16. Juli 1987 bis 16. Dezember 1987 mangels Freizügigkeit seine Verkehrszuverlässigkeit nicht hinreichend unter Beweis stellen konnte und er "bereits 1982 wegen desselben Deliktes rechtskräftig bestraft wurde und eine weitere Verurteilung wegen eines Suchtgiftvergehens in Marokko aus 1986 bekannt ist", woraus die belangte Behörde zutreffend abgeleitet hat, daß die Neigung des Beschwerdeführers "zur Begehung von Suchtgiftdelikten tief eingewurzelt ist" - dem Beschwerdeführer die Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 fehlt. Wenn der Beschwerdeführer rügt, daß es die belangte Behörde unterlassen habe festzustellen, daß er "in keinem Fall zur Durchsetzung seiner Straftaten ein Fahrzeug benötigte und seine Lenkerberechtigung eingesetzt hatte", und er ins Treffen führt, daß "im letzten Fall" auf Grund der Urteilsfeststellungen erwiesen sei, daß sich der Beschwerdeführer "mit dem Zug fortbewegt hatte und das Suchtgift in Sandalen versteckt hatte", so ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Auch wenn der Beschwerdeführer bisher von seiner Lenkerberechtigung zur Begehung von Suchtgiftdelikten nicht Gebrauch gemacht hat, kann kein Zweifel darüber bestehen, daß im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle die Begehung derartiger Handlungen durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges erleichtert wird, sodaß auch nicht ausgeschlossen werden konnte, daß sich der Beschwerdeführer hiezu in Hinkunft seiner Lenkerberechtigung bedient. Der Beschwerdeführer wurde daher durch die ausgesprochene Entziehungsmaßnahme einschließlich ihrer gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 festgesetzten Dauer nicht in seinen Rechten verletzt.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 18. April 1989

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