VwGH 82/11/0358

VwGH82/11/035811.4.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Knell, Dr. Dorner und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Neuwiesinger, über die Beschwerde des WM in I, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, Mozartstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. Oktober 1982, Zl. IIb2-K-471/2-82, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §57 Abs3;
AVG §6 Abs1;
AVG §1;
AVG §57 Abs3;
AVG §6 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.385,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. April 1982 wurde dem Beschwerdeführer - wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit im Zusammenhang mit einem von ihm begangenen Verbrechen nach den §§ 15 StGB, 12 Abs. 1 zweiter Fall Suchtgiftgesetz - gemäß § 73 (vollständig: Abs. 1) KFG 1967 die ihm von der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 22. Juni 1970 erteilte Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B "vorübergehend auf die Dauer von 36 Monaten (ab 5. 7. 1979/ab Zustellung des Bescheides)" entzogen. Auf Grund der dagegen rechtzeitig erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers wurde von der Bundespolizeidirektion Linz innerhalb von zwei Wochen das Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer (erstmals) in seiner schriftlichen Eingabe vom 22. Juli 1982 an die Bundespolizeidirektion Linz eine Innsbrucker (statt bisher Linzer) Adresse angegeben hat, hat diese Behörde daraufhin unter Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer inzwischen nach Innsbruck verzogen sei, den "Verwaltungsakt zur Fortführung des Verfahrens" an die Bundespolizeidirektion Innsbruck "abgetreten".

Die Bundespolizeidirektion Innsbruck hat dann mit Bescheid vom 3. September 1982 den Beschwerdeführer "gem. §§ 73/1, 66/2 lit. c" KFG 1967 die bereits genannte Lenkerberechtigung "wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auf Dauer" entzogen und zugleich ausgesprochen, daß dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. "auf die Dauer von 36 Monaten (gerechnet ab 5. 7. 1979) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf".

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. Oktober 1982 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im vorgesehenen Instanzenzug (§ 123 Abs. 1 KFG 1967) über die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 3. September 1982 entschieden. Dieser Bescheid wurde erlassen, nachdem bereits in derselben Verwaltungssache die Bundespolizeidirektion Linz mit Mandatsbescheid vom 30. April 1982 die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers entzogen und der Beschwerdeführer dagegen Vorstellung erhoben hat. Es stellt sich daher die (von Amts wegen aufzugreifende) Frage, ob die Bundespolizeidirektion Innsbruck in dieser Angelegenheit überhaupt zur Erlassung eines Bescheides zuständig war.

Gemäß § 6 Abs. 1 AVG 1950 hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Der im Sinne dieser Gesetzesstelle für die Beurteilung der Zuständigkeit maßgebende Zeitpunkt ist, sofern sich aus den Verwaltungsvorschriften nichts anderes ergibt, immer der Zeitpunkt, in dem die Amtshandlung von der Behörde vorzunehmen ist. Demnach sind - da die Verwaltungsvorschriften eine dem § 29 JN ähnliche Vorschrift, wonach grundsätzlich jedes Gericht in Rechtssachen, welche rechtmäßigerweise bei demselben anhängig gemacht wurden, bis zu deren Beendigung zuständig bleibt, wenn sich auch die Umstände, welche bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert hätten, nicht kennen - auch noch nach der Anhängigmachung einer Verwaltungssache eintretende Änderungen in den für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebenden Umständen bis zur Erlassung des Bescheides einer solchen Änderung Behörde weiterzuführen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1967, Zl. 940/67, Mannlicher-Quell8, 1958; Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht2, 26; Hauer-Leukauf, 62).

Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer während des bei der Bundespolizeidirektion Linz anhängigen Verfahrens offenbar seinen Wohnsitz von Linz nach Innsbruck verlegt hat (siehe dazu - mangels einer hinsichtlich der Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung im KFG 1967 vorhandenen Bestimmung über die örtliche Zuständigkeit - § 3 lit. c AVG 1950), hat sich diese Behörde nicht mehr für zuständig erachtet, weshalb sie "den Verwaltungsakt abgetreten" hat, wobei die Bundespolizeidirektion Innsbruck gleichfalls den Übergang der Zuständigkeit auf sie nicht verneint (siehe für den Fall von Zuständigkeitsstreitigkeiten § 5 Abs. 1 AVG 1950), sondern vielmehr den Bescheid vom 3. September 1982 erlassen hat. Dabei wurde aber übersehen, daß die Bundespolizeidirektion Linz in der betreffenden Verwaltungssache bereits mit Mandatsbescheid vom 30. April 1982 entschieden hat. Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid gemäß § 57 Abs. 2 AVG 1950 fristgerecht das remonstrative Rechtsmittel der Vorstellung an die erkennende Behörde erhoben. Da im Sinne des § 57 Abs. 3 leg. cit. binnen zwei Wochen nach Einlangen dieses Rechtsmittels das Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, ist der angefochtene Mandatsbescheid auch nicht außer Kraft getreten, sodaß nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens über die Vorstellung, also darüber, ob bzw. inwieweit das Mandat aufrecht bleibt oder eine Änderung erfährt, zu entscheiden war. Aus den Bestimmungen des § 57 Abs. 2 und 3 AVG 1950 ergibt sich aber, daß eine Entscheidung darüber nur der Behörde, die den bekämpften Bescheid erlassen hat, zusteht (vgl. Walter-Mayer, aaO, 181 f). Nur dann, wenn die Bundespolizeidirektion Linz noch keinen (rechtswirksam gebliebenen) Bescheid erlassen hätte, wäre auf Grund inzwischen geänderter Verhältnisse, die auf die örtliche Zuständigkeit Einfluß haben, die Bundespolizeidirektion Innsbruck zuständig geworden. Mit der Erlassung des Mandatsbescheides vom 30. April 1982 konnte aber in der Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde keine Änderung mehr eintreten, ebenso wie mit der Erlassung eines im ordentlichen Verfahren ergehenden Bescheides auch die (funktionelle) Zuständigkeit der Behörde, die über eine allfällige Berufung zu entscheiden hat, begründet wird, ohne daß sich nachträglich daran irgendetwas zu ändern vermag.

Da die belangte Behörde bei Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers den Umstand, daß die Bundespolizeidirektion Innsbruck zur Entscheidung in dieser Angelegenheit nicht zuständig war, nicht wahrgenommen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1980, Slg. Nr. 10326/A).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben, ohne daß noch auf das Beschwerdevorbringen selbst sowie darauf einzugehen gewesen wäre, ob dieser Bescheid nicht allenfalls auch dadurch an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit leidet, daß mit ihm, in Bestätigung des Bescheides vom 3. September 1982, unzulässigerweise eine "rückwirkende" Entziehung der Lenkerberechtigung ausgesprochen worden ist (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Zl. 82/11/0270).

Soweit Erkenntnisse zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshof veröffentlicht worden sind, wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem mit S 8.060,-- pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist und Stempelgebühren nur in dem hiefür vorgesehenen Ausmaß gebühren.

Wien, am 11. April 1984

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