VwGH 87/08/0031

VwGH87/08/003126.3.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde des WW in W, vertreten durch Dr. Otto Kunze, Rechtsanwalt in Wien I, Schellinggasse 5/3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Dezember 1986, Zl. MA 63-W 108/85/Str., betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AAV §81 Abs3;
AAV §81 Abs5;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
AZG §28 Abs1;
VStG §27 Abs1;
VStG §27 Abs2;
AAV §81 Abs3;
AAV §81 Abs5;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
AZG §28 Abs1;
VStG §27 Abs1;
VStG §27 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Der Beschwerdeführer ist Mitglied des Vorstandes der A-Warenhandel Aktiengesellschaft; nach der Geschäftsverteilung des Vorstandes fallen Dienstnehmerschutzangelegenheiten in sein Ressort.

Mit Straferkenntnis vom 28. Oktober 1985, sprach der Magistrat der Stadt Wien aus, der Beschwerdeführer habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der genannten Aktiengesellschaft zu verantworten, daß am Samstag, dem 2. März 1985, in der Betriebsstätte in Wien 11, G-Gasse 5, die Wochenendruhe für namentlich genannte Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschlußarbeiten beschäftigt waren, insofern nicht spätestens um 15.00 Uhr begonnen habe, als sie darüber hinaus wegen Inventurarbeiten beschäftigt worden seien, daß ferner die Wochenarbeitszeit und die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit namentlich genannter Dienstnehmer überschritten worden sei und daß schließlich keine Person für die Erste Hilfeleistung nachweislich ausgebildet gewesen und in der Betriebsstätte weder in noch an noch neben dem Behälter für die Erste Hilfeleistung eine ausführliche Anleitung zur Ersten Hilfeleistung angebracht gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe damit Verwaltungsübertretungen nach § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes - ARG, BGBl. Nr. 144/1983, nach § 9 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes - AZG, BGBl. Nr. 461/1969, sowie nach § 81 Abs. 3 und 5 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983, dies alles in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950 begangen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und führte darin u. a. aus, daß die einschreitende Strafbehörde erster Instanz örtlich nicht zuständig sei.

1.2. Mit Bescheid vom 10. Dezember 1986 wies der Landeshauptmann von Wien diese Berufung ab und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht schuldig erkannt und ihretwegen nicht bestraft zu werden. Der Bescheid werde insofern angefochten, "als die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Behörde nicht vorliegt und meine Entlastung durch die Beistellung eines verantwortlichen Beauftragten deswegen nicht angenommen wurde, weil diese Bestellung der Behörde erst im Laufe des Verfahrens nachgewiesen wurde."

1.4. Der Landeshauptmann von Wien legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Im Beschwerdefall erfolgte die Anordnung zur Vornahme der gegenständlichen Inventurarbeiten unbestrittenermaßen am Sitz der Unternehmensleitung in Wiener Neudorf. Wie der Verwaltungsgerichtshof zum ARG in seinem Erkenntnis vom 26. Februar 1987, Zl. 86/08/0231, das dieselben Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betraf, ausgeführt hat, ist als Ort der Begehung jener Ort, an welchem oder von welchem aus die Anordnung zur Vornahme der betreffenden (Inventur)Arbeiten gegeben wurde, anzusehen. Der Umstand, daß die erfolgte Beschäftigung als "der zum Tatbestand gehörende Erfolg" in Wien eingetreten sei, ändere gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 nichts an der Zuständigkeit der nach dem Unternehmenssitz zuständigen Verwaltungsstrafbehörde. Auf dieses Erkenntnis wird im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGG Bezug genommen; auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, wird hingewiesen.

Was die Übertretungen nach dem AZG anlangt, so gilt das gleiche mit der Maßgabe, daß der Tatort dort anzunehmen ist, wo der Beschuldigte hätte handeln sollen, und daß dieser Ort, wenn eine solche Unterlassung im vorliegenden Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt ist, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammenfällt (vgl. die im bereits zitierten hg. Erkenntnis wiedergegebene Rechtsprechung zum Arbeitszeitgesetz).

Für die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen nach § 81 Abs. 3 und 5 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung im Zusammenhang mit der Strafbestimmung des § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes 1972, BGBl. Nr. 234, wonach Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der auf Grund des § 24 leg. cit. erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung begehen, gilt hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden nichts anderes als das zum Arbeitszeitgesetz und zum Arbeitsruhegesetz Ausgeführte. Denn nach dem hg. Erkenntnis vom 21. November 1984, Zl. 81/11/0077 = ZfVB 1985/3/900, kommt es für den Bereich des VStG 1950 (anders als etwa nach der Vorschrift des § 3 lit. b AVG 1950) auch in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung etc. beziehen -

und dies trifft auf die gegenständliche, wenn auch in Filialen gegliederte Unternehmung zu -, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörde grundsätzliche nicht auf den Ort, an dem das Unternehmen betrieben wird (hier also insbesondere nicht auf den Ort des Filialbetriebes), an. Vielmehr ist gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderem Sprengel eingetreten ist. Als der Ort, an dem die gebotenen Vorsorgehandlungen für Erste Hilfeleistung nach § 81 Abs. 3 und Abs. 5 zweiter Halbsatz der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung unterlassen wurden, ist im vorliegenden Fall der Sitz der Unternehmensleitung in Wiener Neudorf anzusehen.

2.2. Aus diesen Erwägungen folgt, daß der in erster Instanz eingeschrittene Magistrat der Stadt Wien örtlich nicht zuständig war.

Der Landeshauptmann von Wien nahm diese örtliche Unzuständigkeit nicht wahr und belastete damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 26. März 1987

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