Normen
ÄrzteG 1949 §10 Abs1
ÄrzteG 1949 §10 Abs2 lita
ÄrzteG 1949 §10 Abs2 litb
NO 1871 §37
RAO 1868 §9 Abs2
StGB §121
StVO 1960 §20 Abs1
StVO 1960 §52 lita Z10a
VStG §6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985020027.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. Juni 1984 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach "§ 52 Z. 10 a in Verbindung mit § 20 Abs. 1 StVO 1960" schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 7. Juli 1982 um 20.20 Uhr "in Wien 2., Bundesautobahn A 4 gegenüber Lichtmast D 16 als Lenker des PKW ..... die durch Verbotszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erheblich (um ca. 40 km/h) überschritten" habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist zu bemerken, daß der Umstand, daß in der Beschwerde als belangte Behörde gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG das "Amt der Wiener Landesregierung" bezeichnet wurde, diesem aber - im Sinne des Vorbringens in der Gegenschrift - "im Vollzugsbereich der StVO keine Behördenzuständigkeit zukommt", mit Rücksicht darauf, daß der Beschwerdeführer unter Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, aus dessen Fertigungsklausel sich eindeutig ergibt, wem dieser Bescheid zuzurechnen ist, erkennbar Identität dieser Behörde mit ihrem Hilfsapparat angenommen hat, keinen Zurückweisungsgrund darstellt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1984, Zl. 81/11/0119).
Der Beschwerdeführer hat nicht in Abrede gestellt, die ihm zur Last gelegte strafbare Handlung objektiv begangen zu haben. Er hat sich jedoch schon im Verwaltungsstrafverfahren damit verantwortet, daß er "zu einem Patienten, der nach einer Prostataoperation starke Blutungen plötzlich hatte, dringend in die Klinik Hera, in welcher nicht ständig ein Urologe anwesend ist, gerufen wurde und daher jede Sekunde infolge des Zustandes des Patienten kostbar war", und sich daher auf eine für ihn bestehende Notstandssituation berufen. Gemäß § 6 VStG 1950 ist eine Tat u.a. dann nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt ist. Unter Notstand im Sinne dieser Gesetzesstelle kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juni 1954, Zl. 466/52, und vom 13. November 1981, Zl. 81/02/0252). Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides von der Verantwortung des Beschwerdeführers ausgegangen und hat hiebei nicht zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei Richtigkeit dieser Behauptung nicht um den Fall schuldausschließenden Notstandes handeln würde, sodaß die darauf gegründete Rechtsrüge des Beschwerdeführers ins Leere geht.
Die belangte Behörde hat nur deshalb die behauptete Notstandssituation nicht als erwiesen angenommen, weil es sich bei der gegenständlichen Übertretung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 gehandelt habe, sodaß der Beschwerdeführer zu beweisen gehabt hätte, daß ihm die Einhaltung der (von ihm verletzten) Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei, der Beschwerdeführer aber ein mangelndes Verschulden nicht habe beweisen können. Es sei ihm auf Grund des Beschuldigten-Ladungsbescheides vom 4. November 1983 ausdrücklich Gelegenheit geboten worden, Name und Adresse des betreffenden Patienten anzugeben. In seiner daraufhin erfolgen schriftlichen Stellungnahme vom 15. November 1983 habe er erklärt, er sei (vollständig: "laut Auskunft der Ärztekammer") zu einer derartigen Bekanntgabe nicht berechtigt; sollte er jedoch "von der ärztlichen Verschwiegenheitsverpflichtung befreit werden, würde er sofort den Namen bekanntgeben". Dem hielt die belangte Behörde u. a. entgegen, daß sich "aus der verankerten Verpflichtung des Arztes 'zur Wahrung der ihm in Ausübung seines Berufes anvertrauten oder bekanntgewordenen Geheimnisse' keinesfalls die Pflicht ableiten läßt, als Beschuldigter im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber der Behörde die bloße Angabe des Namens und des Wohnsitzes eines Patienten zu verweigern"; diese Angaben seien von der ärztlichen Schweigepflicht nicht umfaßt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bereits in dem oben zitierten, von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zusätzlich ins Treffen geführten Erkenntnis vom 13. November 1981, Zl. 81/02/0252, dessen Rechtssätze teilweise in Slg. Nr. 10590/A veröffentlicht worden sind, mit einem ähnlichen Beschwerdefall zu befassen und hiebei festgehalten, daß es keiner Erörterung bedürfe, ob sich aus der im § 10 Abs. 1 des Ärztegesetzes, BGBl. Nr. 92/1949, in der damals geltenden (auch noch im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden) Fassung, verankerten Verpflichtung des Arztes "zur Wahrung der ihm in Ausübung seines Berufes anvertrauten oder bekanntgewordenen Geheimnisse" überhaupt seine Pflicht ableiten lasse, als Beschuldigter in einem Verwaltungsstrafverfahren gegenüber der Verwaltungsstrafbehörde die bloße Angabe des Namens und des Wohnsitzes eines Patienten zu verweigern, weil die erwähnte gesetzliche Verpflichtung unabhängig von dem Fall der Entbindung davon (vgl. § 10 Abs. 2 lit. a leg. cit.) gemäß § 10 Abs. 2 lit. b leg. cit. auch dann nicht gelte, wenn "die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt
durch Interessen ..... der Rechtspflege gerechtfertigt ist". Der
damaligen Beschwerdeführerin wäre es daher ohne Rücksicht auf eine allenfalls nicht erfolgte Entbindung von der Geheimhaltungsverpflichtung durch den Patienten selbst jedenfalls unter Berufung auf die zuletzt genannte Bestimmung unbenommen geblieben, dessen Namen und die Anschrift der Verwaltungsstrafbehörde bekanntzugeben, ohne sich deshalb einer Verwaltungsübertretung nach § 62 Abs. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 des Ärztegesetzes schuldig zu machen oder gar gegen § 121 StGB zu verstoßen. Da ein Beschuldigter zufolge § 33 Abs. 2 VStG 1950 zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden könne, habe die belangte Behörde daher jedenfalls nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie - in Anbetracht des Umstandes, daß die damalige Beschwerdeführerin ein möglicherweise vorhandenes Beweismittel, welches sich die Behörde ohne Mitwirkung der damaligen Beschwerdeführerin nicht habe verschaffen können, ohne zwingenden Grund vorenthalten habe - ihrer unbewiesenen Notstandsbehauptung keine verwaltungsstrafrechtliche Relevanz beigemessen habe. Diese Grundsätze finden auch im vorliegenden Beschwerdefall Anwendung, wozu noch - ebenso wie in jenem Beschwerdefall und im Sinne der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides - kommt, daß der Beschwerdeführer nach der Aktenlage auch nicht den Versuch unternommen hat, von dem Patienten die Zustimmung zu einer der Behörde gegenüber zu erteilenden Auskunft über seinen Namen und seine Wohnadresse zu erhalten, und er sich demgemäß entgegen der ihm im Verwaltungsstrafverfahren obliegenden Mitwirkungspflicht nicht darum bemüht hat, der Behörde eine allfällige Beweisaufnahme zur Feststellung der Richtigkeit der behaupteten Notstandssituation zu ermöglichen.
Der Beschwerdeführer macht im Beschwerdeverfahren in diesem Zusammenhang lediglich geltend, seine Rechtsvertreterin habe am 15. November 1983 dem zuständigen Sachbearbeiter der Erstbehörde (von der der Beschuldigten-Ladungsbescheid vom 4. November 1983 in Befolgung eines Ersuchens der belangten Behörde im Berufungsverfahren ergangen war) anläßlich eines Telefonates mitgeteilt, daß "der Name und Adresse des Patienten erst mit Erlaubnis der Ärztekammer bekanntgegeben werden könne und - wenn es erforderlich ist - diese besorgt wird", worauf die Auskunft erteilt worden sei, "sie solle dies in ihrer Stellungnahme mitteilen und, sollte Name und Adresse des Patienten überhaupt benötigt werden, werde sie verständigt", worauf dann jedoch eine Verständigung unterblieben und vielmehr der angefochtene Bescheid erlassen worden sei; es sei dem Beschwerdeführer daher nicht Gelegenheit gegeben worden, "weitere Beweise vorzubringen", weshalb das Verfahren mangelhaft durchgeführt worden sei. Dieses Vorbringen ist aber nicht in Einklang mit dem Inhalt der schriftlichen Stellungnahme vom 15. November 1983 zu bringen, in der zwar auf das betreffende Telefonat Bezug genommen wird, die aber im wesentlichen nur die Ausführungen enthält, die die belangte Behörde wiedergegeben hat, ohne daß jedoch von einer "Vereinbarung" hinsichtlich einer weiteren Verständigung der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, falls "Name und Adresse des Patienten überhaupt benötigt werden", die Rede gewesen wäre. Dem Beschwerdeführer mußte schon auf Grund der Beschuldigten-Ladung vom 4. November 1983 bewußt sein, daß diese Angaben von seiten der Behörde "benötigt werden", um die Richtigkeit seiner Behauptung einer Überprüfung zu unterziehen, und aus seiner schriftlichen Stellungnahme vom 15. November 1983 geht nicht hervor, daß die Behörde in der Folge diese Angaben allenfalls für entbehrlich halte; für eine derartige Annahme besteht auch sonst nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt. Auf das ergänzende Beschwerdevorbringen, das im übrigen offen läßt, von welchen Umständen die Abstandnahme von der Notwendigkeit solcher Angaben abhängig gemacht werden sollte (so insbesondere von dem Anbot anderer Beweismittel), kann daher schon zufolge des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbotes nicht Bedacht genommen werden. Auch die erst in der Beschwerde nachgeholte Bekanntgabe des Namens und der Adresse des Patienten ist nicht geeignet, auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides Einfluß zu nehmen. Die belangte Behörde hat ohnedies mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch mehr als 6 Monate zugewartet, und es wäre am Beschwerdeführer gelegen, innerhalb dieser langen ihm zur Verfügung stehenden Zeitspanne den betreffenden Patienten namhaft zu machen.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlicht worden sind, wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 25. April 1985
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