VwGH 83/15/0013

VwGH83/15/00135.4.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des HA in P, vertreten durch Dr. Hans Pirker, Rechtsanwalt in Irdning, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 10. Dezember 1982, Zl. B 274‑3/82, betreffend Umsatzsteuer für 1980, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §1 Abs1 Z1
UStG 1972 §2 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983150013.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.485,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezog im Jahre 1980 von der Raiffeisenkasse G als Obmann des Vorstandes dieser Kreditgenossenschaft eine Vergütung von S 60.000,‑ ‑ sowie Sitzungs- und Kilometergelder in Höhe von S 15.739,‑ ‑. In seiner Umsatzsteuererklärung für 1980 wies er neben Einnahmen aus Vermietung von Grundbesitz die Sitzungs- und Kilometergelder als umsatzsteuerpflichtige Entgelte aus. Das zuständige Finanzamt wich bei der Umsatzsteuerveranlagung für das genannte Jahr von der Abgabenerklärung zum Nachteil des Beschwerdeführers ab und behandelte auch die eingangs erwähnte Vergütung als steuerpflichtig.

Der Beschwerdeführer berief und machte geltend, daß seine Tätigkeit als Obmann der Raiffeisenkasse G keine Unternehmertätigkeit sei. Der Vorstand der genannten Genossenschaft bestehe aus 15 Personen, den Vorsitz führe der Obmann. Der Vorstand treffe seine Entscheidungen gemeinsam, die dem Vorstand angehörenden Geschäftsführer sorgten unter Aufsicht und Leitung des Vorsitzenden für die Erfüllung der Beschlüsse. Der Obmann übe seine Funktion nicht in freier Entschließung aus, sondern fungiere nach den Weisungen des Gesamtvorstandes als dessen Erfüllungs- und Verbindungsorgan. Der Gesamtvorstand operiere unter Beachtung der Satzungen, der Obmann nach den Weisungen des Vorstandes. Nach der Rechtsprechung sei ein solcher Vorsitzender eines Vorstandes in der Regel nicht selbständig tätig (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1964, Slg. Nr. 3160/F, und vom 16. März 1967, Zl. 313/66). Auch im gegenständlichen Fall liege ein überwiegen der Merkmale der unselbständigen Tätigkeit vor, weil der Vorsitzende des Vorstandes dem Unternehmen der Genossenschaft derart eingegliedert sei, daß er den Weisungen in bezug auf Umfang, Art, Ort, Zeit und sonstige Umstände der Arbeitsleistung zu folgen verpflichtet sei. Der Beschwerdeführer trage auch keinerlei Unternehmerwagnis. Aus der Tatsache, daß keine Lohnsteuer einbehalten worden sei, könne nicht zwingend auf Selbständigkeit geschlossen werden.

In einer vom Finanzamt angeforderten Stellungnahme vom 4. Juni 1982 bestätigte die Kreditgenossenschaft G die Richtigkeit der Argumentation des Beschwerdeführers. Der Obmann sei Vorsitzender des ehrenamtlichen Vorstandes und führe lediglich Beschlüsse des Gesamtvorstandes aus.

Das Finanzamt erließ dessenungeachtet eine abweisende Berufungsvorentscheidung, in der es dem Beschwerdeführer entgegenhielt: Der Raiffeisenverband Steiermark habe im Jahre 1977 seine Rechtsmeinung über die steuerliche Behandlung der Entschädigungen an Funktionäre von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften der Finanzlandesdirektion für Steiermark zur Begutachtung vorgelegt. Danach seien sowohl die pauschalen Funktionärsentschädigungen als auch die Sitzungsgelder, Reisekosten usw., welche Funktionäre einer Raiffeisenkasse bezögen, den sonstigen Einkünften nach § 29 EStG zuzurechnen und weiters mit 18 v. H. umsatzsteuerpflichtig. Die Finanzlandesdirektion für Steiermark habe dieser Rechtsmeinung mit an den Raiffeisenverband Steiermark gerichtetem Schreiben vom 11. Mai 1977 zugestimmt. Darüber seien dem Beschwerdeführer seinerzeit vom Raiffeisenverband schriftliche Informationen zugegangen. Den Ausführungen in seiner Berufung habe daher nicht gefolgt werden können.

Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage seines Rechtsmittels an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und legte dieser in der Folge eine Ablichtung der Satzung der Kreditgenossenschaft vor.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab auch die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge. In der Begründung des Bescheides führte sie unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1967, Zl. 313/66, aus, es ergebe sich aus den Satzungen einer Genossenschaft, ob deren Obmann nach Art eines Dienstnehmers in den geschäftlichen Organismus eingegliedert und somit verpflichtet sei, Weisungen entgegenzunehmen, oder ob er seine Funktion auf Grund der Satzungen der Genossenschaft im Rahmen eines dort vorgesehenen Aufgabenkreises in freier Entschließung ausübe. Nach der Satzung der Raiffeisenkasse G. bestehe der Vorstand aus mindestens vier, höchstens jedoch 15 Mitgliedern, darunter dem Obmann und mindestens einem Obmannstellvertreter. Der Vorstand werde von der Generalversammlung auf vier Jahre gewählt. § 12 Abs. 1 der Satzung umschreibe u. a. den Aufgabenbereich des Vorstandes. Ein Vergleich dieser Bestimmungen mit den von der Rechtsprechung für das Vorliegen der Unternehmereigenschaft anerkannten wesentlichen Merkmalen lasse eindeutig erkennen, daß im gegenständlichen Fall entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorlägen. Anders sei es auch nicht zu erklären, daß der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als Funktionär eine pauschale Entschädigung von S 60.000,‑ ‑ bekomme. Auch sei der Obmann hinsichtlich der Abstimmungstätigkeit im Vorstand an keine Weisungen gebunden. Daß der vom Vorstand gefaßte Beschluß sodann auszuführen sei, könne doch wohl nicht als persönliche Weisung angesehen werden. Vielmehr handle es sich im gegenständlichen Fall ‑ wie auch bei jedem anderen Unternehmer ‑ um eine sachliche Weisung. Der Obmann schulde also ein „Werk“ ‑ nämlich die anteilige Leitung der Genossenschaft ‑ und nicht seine Arbeitskraft als solche. Aus diesen Erwägungen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, daß dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Obmann der Raiffeisenkasse G Unternehmereigenschaft zukomme und daher seine daraus erzielten Umsätze der Umsatzsteuer unterlägen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird, unter Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Der Umsatzsteuer unterliegen u. a. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Z. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223).

Unternehmer ist der Begriffsbestimmung im § 2 Abs. 1 leg. cit. zufolge, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfaßt die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1972 wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen derart eingegliedert sind, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind.

Diese Voraussetzung der Weisungsgebundenheit erachtet der Beschwerdeführer in seinem Fall als erfüllt. Unter Bezugnahme auf das zur Frage der Arbeitnehmereigenschaft eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Ges.m.b.H. ergangene Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Dezember 1980, Slg. Nr. 5535/F, bringt er vor, er müsse als Vorsitzender des aus 15 Mitgliedern bestehenden Vorstandes der Raiffeisenkasse G auch Beschlüsse ausführen, die gegen seinen Willen im Vorstand oder vom Aufsichtsrat oder von der Generalversammlung gefaßt worden seien. Er habe ‑ anders als ein Gesellschafter‑Geschäftsführer einer Ges.m.b.H. mit entsprechender Beteiligung ‑ keine Möglichkeit, sich solchen Beschlüssen zu widersetzen. Es handle sich daher bei den gegenständlichen Vergütungen nicht um Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972. Aber auch wenn dieser Auffassung nicht gefolgt würde, unterlägen die Vergütungen nicht der Umsatzsteuer, weil sie auf Grund der Ausübung einer genossenschaftlichen Funktion erzielt worden seien. Die Beschwerde weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß das Bundesministerium für Finanzen in seinem Erlaß vom 13. Juli 1981, AÖFV Nr. 214/1981, die Auffassung vertrete, die Gesellschafter‑Geschäftsführer einer Ges.m.b.H. seien, soweit sie Einkünfte gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 bezögen, in gesellschaftsrechtlicher Funktion tätig und daher insoweit nicht Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ‑ so z. B. in dem bereits oben zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates Slg. Nr. 5535/F und in seinem Erkenntnis vom 19. Jänner 1984, Zl. 83/15/0114 ‑ in Beachtung des Zusammenhanges zwischen § 2 UStG 1972 und § 47 Abs. 2 EStG 1972 ausgesprochen, daß eine in einem einkommensteuerrechtlichen Dienstverhältnis entfaltete Tätigkeit nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 erster Satz UStG 1972 selbständig ausgeübt wird. Dem Beschwerdeführer kann daher, soweit er sich in seiner Umsatzsteuerangelegenheit auf die Rechtsauslegung in dem zur Lohnsteuer ergangenen Erkenntnis Slg. Nr. 5535/F beruft, durchaus gefolgt werden. Der Gerichtshof hat nun in dieser Entscheidung wohl die Auffassung vertreten, daß das Fehlen einer Weisungsgebundenheit das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ausschließe. Er hat aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß das Bestehen der Verpflichtung einer natürlichen Person, den Weisungen eines anderen zu folgen, schon deren Nichtselbständigkeit zur Folge hätte. Auf eine solche Argumentation läuft aber das Beschwerdevorbringen hinaus. Das angeführte Erkenntnis enthält hiezu vielmehr die Aussage, erst bei Bestehen der Verpflichtung einer Person, den Weisungen eines anderen zu folgen, könne die Frage auftauchen, ob diese Person eine Tätigkeit selbständig oder nicht selbständig ausübe. Denn nicht schon jede Unterordnung unter den Willen eines anderen müsse die Arbeitnehmereigenschaft einer natürlichen Person zur Folge haben. Auch der Unternehmer, der einen Werkauftrag erfülle, auch der selbständige Handelsvertreter könnten sich bezüglich ihrer Tätigkeit zur Einhaltung bestimmter Weisungen des Auftraggebers oder Geschäftsherrn verpflichtet haben, ohne damit ihre Selbständigkeit zu verlieren. Für derartige Fälle der Weisungsgebundenheit bedürfe es der Abgrenzungskriterien, wie sie Schrifttum und Rechtsprechung zur Scheidung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit entwickelt haben.

Im vorliegenden Fall kann jedoch die Entscheidung der Frage, ob der Beschwerdeführer im Streitjahr als Obmann des Vorstandes der Raiffeisenkasse G Arbeitnehmer dieser Kreditgenossenschaft war oder nicht, dahingestellt bleiben. Denn auch wenn mit der belangten Behörde das Vorliegen eines Dienstverhältnisses verneint wird, erweist sich die Einbeziehung der von der Genossenschaft empfangenen Beträge in die Umsatzbesteuerung als rechtswidrig, weil es insoweit am Vorliegen eines Leistungsaustausches mangelt. Zwar kann ein Leistungsaustausch, wie der letzte Satz des § 2 Abs. 1 UStG 1972 zeigt, auch zwischen einer Personenvereinigung und ihren Mitgliedern stattfinden. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber in seinem Erkenntniss vom 13. Dezember 1977, Slg. Nr. 5203/F, und vom 26. März 1979, Zl. 739/78, die Rechtsauffassung vertreten, daß Leistungen, mit denen Gesellschafter in Ausübung einer gesellschaftsrechtlichen Funktion wie der eines Geschäftsführers bei einer Kommanditgesellschaft für die Gesellschaft tätig werden, keinen Leistungsaustausch, sondern eine Leistungsvereinigung bewirken. Mit derartigen Leistungen werde von den Gesellschaftern selbst keine Unternehmertätigkeit entfaltet. (Auch der deutsche Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 17. Juli 1980, V R 5/72, Umsatzsteuer‑Rundschau Nr. 10/1980, S. 202 f, den Standpunkt vertreten, daß in der Geschäftsführung für eine Personengesellschaft keine Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts zu erblicken sei.)

Die gleichen Erwägungen haben nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für den Beschwerdefall zu gelten. Da gemäß S 15 Abs. 1 des Gesetzes über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Reichsgesetzblatt Nr. 70/1873, in den Vorstand einer Genossenschaft nur Mitglieder derselben wählbar sind, kann die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der Raiffeisenkasse G als gegeben angenommen werden. Mit der Ausübung seiner körperschaftsrechtlichen Funktion als Obmann des Vorstandes dieser Personenvereinigung hat er nun eine Leistung erbracht, die Ausfluß des Gemeinschaftsverhältnisses, nicht aber Gegenstand eines Austauschverhältnisses zwischen ihm und der Genossenschaft war.

Da der angefochtene Bescheid dieser Rechtslage nicht entspricht, mußte er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Der Ersatz des Schriftsatzaufwandes beträgt nach Art. I Z. 1 der genannten Verordnung S 8.060,‑ ‑, womit auch der Ersatz der Umsatzsteuer abgegolten ist. An Stempelgebühren waren für drei Ausfertigungen der Beschwerde und die Vollmacht je S 100,‑ ‑, für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides S 25,‑ ‑, zusammen somit S 425,‑ ‑, zu entrichten. Der Ersatz der Stempelgebühren war daher nur im Ausmaß dieses Betrages zuzuerkennen.

Wien, am 5. April 1984

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