Normen
StVO 1960 §2 Abs1 Z13
StVO 1960 §89a Abs2 idF vor 1983/174
StVO 1960 §89a Abs2 idF 1983/174
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983020287.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die vorliegende, auf § 131 a B‑VG gestützte Beschwerde richtet sich „gegen die am 18.7.1983 um 10.45 Uhr in Wien, auf dem stadtauswärts führenden Teil der Operngasse gegenüber dem Verkehrsbüro, in Ausübung behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt veranlaßte Abschleppung“ des Personenkraftwagens des Beschwerdeführers mit dem Kennzeichen W nnn durch Organe der belangten Behörde. Der Beschwerdeführer stellt sich hiebei auf den Standpunkt, daß die Entfernung seines Fahrzeuges zu Unrecht vorgenommen worden sei, „da an der verfahrensgegenständlichen Stelle weder ein gesetzliches noch ein durch Verordnung kundgemachtes Halteverbot bestanden“ und er daher nicht „gegen eine einschlägige Bestimmung der StVO verstoßen“ habe und „darüber hinaus für den nachflutenden Verkehr noch zwei Fahrstreifen frei geblieben“ seien, weshalb er auch diesen Verkehr nicht behindert habe.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Sie verwies darauf, daß das Fahrzeug des Beschwerdeführers neben einer „Grünfläche“ abgestellt gewesen sei, bei der es sich nicht um eine Fahrbahnbegrenzung, sondern „analog der zur 'Schutzinsel' gemäß § 2 Abs. 1 Zif. 13 StVO 1960 gefaßten Begriffsbestimmung um einen innerhalb der Fahrbahn gelegenen und als ‚Grünfläche‘ ausgestalteten Teil der Straße“ handle, und durch das entgegen § 23 Abs. 2 StVO 1960 vorschriftswidrig abgestellte Fahrzeug der übrige Verkehr behindert gewesen bzw. ins Stocken gekommen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Es ist - in Übereinstimmung mit der Aktenlage - unbestritten, daß der genannte, am näher bezeichneten Standort in W, Operngasse, abgestellte Pkw des Beschwerdeführers am 18. Juli 1983 - wenn auch nicht im Sinne des Beschwerdevorbringens um 10.45 Uhr, zu welchem Zeitpunkt nur die zugrundeliegende Verkehrsbeeinträchtigung durch den Meldungsleger festgestellt wurde, sondern erst anschließend um 11.20 Uhr - von Organen des Magistrates der Stadt Wien (in Besorgung einer von der Gemeinde gemäß § 94 d Z. 15 StVO 1960 zu besorgenden Angelegenheit, da sich dieses Fahrzeug auf einer Gemeindestraße befunden hat) zwangsweise entfernt worden ist. Dieser Vollzugsakt ist als ein solcher, welcher in Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des Art. 131 a B‑VG gesetzt worden ist, anzusehen. (Vgl. u. a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1981, Zl. 02/0832/80, und vom 10. September 1982, Zl. 81/02/0112.)
Die am 12. September 1983 überreichte Beschwerde ist auch im Sinne des § 26 Abs. 1 lit. e VwGG 1965 rechtzeitig eingebracht worden. Nach dieser Bestimmung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde in den Fällen des Art. 131 a B‑VG frühestens mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat. Der Beschwerdeführer war, als sein Fahrzeug abgeschleppt wurde, nicht zugegen, und er hat glaubhaft dargetan, daß er von diesem Vollzugsakt erstmals am 1. August 1983 Kenntnis erlangt hat, als er - wie sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Abschleppakt ergibt - das bei der Post hinterlegte, eine Aufforderung zur Übernahme des entfernten Fahrzeuges enthaltende Schreiben der MA 48 vom 25. Juli 1983 behoben hat, nachdem er zunächst - wie aus dem betreffenden, vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Akt der Bundespolizeidirektion Wien hervorgeht - eine Diebstahlsanzeige erstattet hatte.
Gemäß § 89 a Abs. 2 erster Satz StVO 1960, in der bereits auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 10. Novelle BGBl. Nr. 174/1983, hat die Behörde, wenn durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, mag es betriebsfähig oder nicht betriebsfähig sein, durch Schutt, Baumaterial, Hausrat und dergleichen der Verkehr beeinträchtigt wird, die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen. Im § 89 a Abs. 2a leg. cit. sind demonstrativ (arg. „insbesondere“) verschiedene, im Beschwerdefall jedoch nicht vorliegende Fälle aufgezählt, in denen eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des Abs. 2 gegeben ist. Das bedeutet, daß auch andere Fälle einer Verkehrsbeeinträchtigung, wenn sie den konkret angeführten Fällen vom Verwaltungszweck her an Bedeutung gleichkommen, als Anlaß für eine rechtmäßige Entfernung eines Kraftfahrzeuges in Betracht kommen. Dies trifft nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch im Beschwerdefall zu.
In der vom Polizeibeamten FR auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung erstatteten Anzeige vom 18. Juli 1983, die gleichfalls als taugliches Beweismittel im Sinne des § 46 AVG 1950 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG 1965 dient, wurde festgehalten, daß das gegenständliche Fahrzeug in erster Spur abgestellt gewesen sei, daß „durch das vorschriftswidrig abgestellte Kraftfahrzeug der übrige Verkehr ins Stocken kam“ und „der übrige Verkehr behindert wurde“ sowie daß starker Fahrzeugverkehr geherrscht habe. Anläßlich seiner vom Verwaltungsgerichtshof durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk, veranlaßten Zeugenvernehmung vom 3. Februar 1984 hat der Meldungsleger erklärt, es sei dadurch zur Amtshandlung gekommen, daß ihm während seines Dienstes „durch einen Verkehrsstau das verkehrsbehindernd abgestellte Fahrzeug auffiel“, und daß „durch das vorschriftswidrig abgestellte Fahrzeug alle Lenker, die den 1. Fahrstreifen benützten, die Spur wechseln (auf den 2. Fahrstreifen wechseln) mußten, welcher ebenfalls stark frequentiert war, wodurch es zu gefährlichen Situationen kam“.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Rahmen der von ihm im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG 1950 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG 1965 vorzunehmenden Beweiswürdigung keine Bedenken, die im wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Meldungslegers, die dieser auch als Zeuge unter Erinnerung an seine Wahrheitspflicht als richtig bekundet hat, zugrundezulegen. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß diese Angaben nicht den Tatsachen entsprechen, zumal sie auf Grund der örtlichen Gegebenheit, wie sie des näheren der vom Verwaltungsgerichtshof angeforderten maßstabgetreuen Plankopie der MA 46 - unter weiterer Bedachtnahme auf die auf der Rückseite des Abschleppberichtes aufscheinende und vom Beschwerdeführer nicht bestrittene Handskizze, in der sein Pkw eingezeichnet ist - entnommen werden können, auch objektiv erklärbar erscheinen und im übrigen der Beschwerdeführer, der diesen Angaben in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 26. März 1984 gar nicht entgegengetreten ist, zufolge Fehlens eigener Wahrnehmungen über die Verkehrssituation zur maßgebenden Zeit dazu keinerlei konkrete Angaben machen konnte. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt daher als erwiesen an, daß durch den auf Höhe des Verkehrsbüros im ersten Fahrstreifen der als Einbahn in Richtung stadtauswärts führenden Operngasse abgestellten Pkw des Beschwerdeführers zur angeführten Zeit andere, sich auf diesem Fahrstreifen im fließenden Verkehr befindliche Kraftfahrzeuglenker (siehe dazu auch die auf sämtlichen Fahrstreifen angebrachten Richtungspfeile im Sinne des § 55 Abs. 1 und 6 StVO 1960 in Verbindung mit den §§ 21 f der Bodenmarkierungsverordnung BGBl. Nr. 226/1963 in der geltenden Fassung) in ihrer Weiterfahrt behindert waren, indem sie auf den zweiten Fahrstreifen ausweichen mußten, dies aber wegen des herrschenden starken Verkehrs nicht ohne Schwierigkeiten möglich war, sodaß eine erhöhte Unfallsgefahr bestand und der Verkehr dadurch auch ins Stocken geriet.
Der Beschwerdeführer übersieht, daß im Beschwerdefall nicht zu beurteilen ist, ob er sich durch das Abstellen seines Pkw's an der bezeichneten Stelle der Operngasse strafrechtlich schuldig gemacht hat oder nicht. Die Klärung dieser Frage wäre nur allenfalls in einem Verwaltungsstrafverfahren oder - ohne daß es allerdings hiebei der Annahme eines Verschuldens bedürfte (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1977, Slg. Nr. 9438/A, und vom 27. Juni 1980, Slg. Nr. 10185/A) - in einem die Kostenvorschreibung nach § 89 a Abs. 7 StVO 1960 betreffenden Verwaltungsverfahren ausschlaggebend gewesen. Aus dem Wortlaut des § 89 a Abs. 2 StVO 1960 kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, daß ein zumindest objektiver Verstoß gegen eine straßenpolizeiliche Vorschrift Voraussetzung für die zwangsweise Entfernung eines den Verkehr beeinträchtigenden Gegenstandes auf der Straße wäre. Es kommt hiebei ausschließlich auf das Vorliegen einer Verkehrsbeeinträchtigung, die eine Beseitigung des betreffenden Hindernisses auf raschestem Wege (arg. „ohne weiteres Verfahren“) erfordert, an wobei es den einschreitenden Organen wohl in der Regel keine Schwierigkeiten bereitet, ein objektiv strafbares Verhalten als Ursache für die vorliegende (oder zu erwartende) Verkehrsbeeinträchtigung festzustellen. Läßt sich aber an Ort und Stelle nicht ohne weiteres eindeutig erkennen, daß ein solches Verhalten die Ursache der Verkehrsbeeinträchtigung ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 1982, Zl. 81/02/0112), so vermag dies an der Tatsache der Verkehrsbeeinträchtigung an sich nichts zu ändern, weshalb auch in einem derartigen Fall gemäß § 89 a Abs. 2 StVO 1960 vorzugehen ist. (Vgl. dazu auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1980, Zl. 1691/80, und vom 22. Jänner 1982, Zl. 81/02/0239.) Es ist daher bei Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes - entgegen der Ansicht beider Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - auch ohne jede Bedeutung, ob der Beschwerdeführer im Hinblick darauf, daß sein Fahrzeug am Rande einer „Verkehrsinsel“ abgestellt war, die möglicherweise in Ansehung des § 23 Abs. 2 StVO 1960 wie eine Schutzinsel im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 13 leg. cit. zu werten ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1969, Zl. 1243/68, vom 22. Oktober 1982, Zl. 82/02/0121, und vom 27. Jänner 1984, Zl. 82/02/0213), straffällig wurde. Für den Standpunkt des Beschwerdeführers ist deshalb auch mit dem Hinweis, es habe in dem Bereich, in dem sein Pkw gestanden sei, kein „beschildertes“ Halte- oder Parkverbot (siehe § 24 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 lit. a StVO 1960) bestanden, nichts gewonnen. Auch der - durch die Aktenlage gedeckte - Einwand des Beschwerdeführers, es seien in dem betreffenden Bereich insgesamt drei Fahrstreifen in der einen zulässigen Fahrtrichtung vorhanden gewesen, sodaß dem nachfolgenden Verkehr noch zwei Fahrstreifen zur Verfügung gestanden seien, ist nicht zielführend, weil es - wie festgestellt wurde - zufolge des starken Verkehrsaufkommens zur angeführten Zeit durch das abgestellte Fahrzeug des Beschwerdeführers tatsächlich zu einer Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des § 89 a Abs. 2 StVO 1960 gekommen ist.
Da es dem Beschwerdeführer sohin nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes aufzuzeigen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 abgesehen werden.
Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlicht worden sind, wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 13. April 1984
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