European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2013220030.X00
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 28,70 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführenden Parteien sind beide indische Staatsangehörige und leben miteinander in Lebensgemeinschaft. Sie sind beide im August 2005 illegal in das Bundesgebiet eingereist und haben in der Folge Asylanträge gestellt. Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 29. bzw. vom 30. September 2005 in Verbindung mit einer Ausweisung in erster Instanz abgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes jeweils vom 5. April 2011 abgewiesen.
Mit den angefochtenen, im Wesentlichen inhaltsgleichen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die Bundesministerin für Inneres (im Folgenden: Behörde) die Anträge der beiden beschwerdeführenden Parteien vom 22. Juni 2011 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die Behörde aus, dass die beiden - ursprünglich auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 3 NAG gerichteten - Anträge der beschwerdeführenden Parteien zunächst mit Bescheiden des Magistrats der Stadt Salzburg vom 21. Oktober 2011 als unzulässig zurückgewiesen worden seien. Diese Bescheide seien von der Behörde jeweils mit Bescheiden vom 30. März 2012 behoben worden, weil die erstinstanzliche Behörde zwar die Notwendigkeit einer inhaltlichen Prüfung im Hinblick auf Art. 8 EMRK gesehen, die Anträge aber dennoch - unzulässiger Weise - zurückgewiesen habe. In weiterer Folge seien die Anträge der beschwerdeführenden Parteien von der erstinstanzlichen Behörde abgewiesen worden.
Die Behörde wies darauf hin, dass der Asylgerichtshof in seinen Bescheiden vom 5. April 2011 eine umfassende Abwägung iSd Art. 8 EMRK durchgeführt und einen Eingriff in das Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Parteien zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung für zulässig erachtet habe.
Die Behörde verwies auf den Inlandsaufenthalt der beschwerdeführenden Parteien seit August 2005, wobei ihnen lediglich ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz zugekommen sei und ihnen habe bewusst sein müssen, dass "dieses mitunter nicht dauerhaft sein kann". Der Erstbeschwerdeführer habe Einkommensteuerbescheide und eine Honorarbestätigung vorgelegt, die Zweitbeschwerdeführerin einen Werkvertrag. Die Behörde ging hinsichtlich beider beschwerdeführender Parteien davon aus, dass diese auf Werkvertragsbasis als Zeitungsverkäufer tätig seien und so für ihren Unterhalt sorgen würden. Beide beschwerdeführende Parteien hätten Teilnahmebestätigungen für drei Deutschkurse vorgelegt. Ob diese Kurse mit einer - positiv bestandenen - Prüfung abgeschlossen worden seien, lasse sich den Bestätigungen nicht entnehmen. Da sich beide - miteinander in Lebensgemeinschaft lebenden - beschwerdeführenden Parteien unerlaubt im Bundesgebiet aufhielten und beide Anträge abgewiesen würden, sei ihnen eine gemeinsame Ausreise zumutbar. Weitere Familienangehörige befänden sich nicht in Österreich. Ausgehend davon gelangte die Behörde zum Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens überwiegen würden, zumal weder familiäre noch intensive berufliche Bindungen im österreichischen Bundesgebiet bestünden und der bisherige Aufenthalt lediglich vorübergehend nach dem Asylgesetz rechtmäßig gewesen sei.
Über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden, die auf Grund ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden, hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass es sich bei den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefällen nicht um Übergangsfälle nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Weiters ist festzuhalten, dass vorliegend im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (am 21. Jänner 2013) das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 anzuwenden ist.
§ 43 NAG lautet auszugsweise wie folgt:
"Niederlassungsbewilligung
§ 43. ...
(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine 'Niederlassungsbewilligung' zu erteilen, wenn
1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und
2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
..."
Die Beschwerden monieren zunächst, die Behörde habe sich mit den verbesserten Deutschkenntnissen, der langen Erwerbstätigkeit, den Freundschaften zu in Österreich lebenden Personen und den vorgelegten "Empfehlungsschreiben" bzw. der darin zum Ausdruck kommenden gelungenen Integration nicht hinreichend beschäftigt. Die beschwerdeführenden Parteien würden nicht nur als Zeitungszusteller arbeiten, sondern seien auch erfolgreiche Geschäftsleute im Transportwesen. Sie seien selbsterhaltungsfähig und fielen keiner öffentlichen Einrichtung zur Last. Weiters lägen Einstellungszusagen über geringfügige Beschäftigungen für beide beschwerdeführende Parteien vor.
Der Beschwerde ist einzuräumen, dass die Interessenabwägung durch die Behörde im vorliegenden Fall eingehender ausfallen hätte können. So lässt sich den angefochtenen Bescheiden nicht entnehmen, inwieweit die Behörde auf die in den Verwaltungsakten dokumentierten "Empfehlungsschreiben" Bedacht genommen hat. Die Behörde hat aber anerkannt, dass die beschwerdeführenden Parteien selbständig als Zeitungszusteller arbeiten und so für ihren Unterhalt sorgen. Es ist ihr auch nicht entgegenzutreten, wenn sie in dieser Tätigkeit keine entscheidungserhebliche berufliche Integration gesehen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 2013, Zl. 2013/22/0042). Das behauptete Vorliegen von Einstellungszusagen über geringfügige Beschäftigungen lässt sich in den Verwaltungsakten nicht nachvollziehen. Gleiches gilt für das in den Beschwerden ins Treffen geführte Dasein als "erfolgreiche Geschäftsleute im Transportwesen". Die weitere Rüge, die Behörde hätte dem Erstbeschwerdeführer vorgeworfen, er habe im Jahr der Einreise an zwei Tagen EUR 33,26 Grundversorgung bezogen, findet im erstangefochtenen Bescheid keine Deckung. Eine fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit wurde keinem der beiden angefochtenen Bescheide zugrunde gelegt. Zu den ins Treffen geführten sehr guten Deutschkenntnissen ist anzumerken, dass die Behörde die Teilnahme der beschwerdeführenden Parteien an drei Deutschkursen nicht in Abrede gestellt hat. Dass die beschwerdeführenden Parteien diesbezüglich Zeugnisse vorgelegt hätten, wird aber auch in den Beschwerden nicht behauptet. Der Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie in den dargelegten Umständen keine für die Erteilung eines Aufenthaltstitels hinreichende soziale Integration gesehen hat (vgl. zu den Aspekten verbesserter Deutschkenntnisse und Unterstützungsschreiben das die Zurückweisung eines Antrags nach § 41a Abs. 9 NAG betreffende hg. Erkenntnis vom 9. September 2013, Zl. 2013/22/0215, mwN; siehe weiters das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2012, Zl. 2012/22/0198).
Es ist auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die Behörde - ausgehend von der Abweisung der Anträge beider beschwerdeführender Parteien sowie vom Fehlen weiterer Familienangehöriger im Inland - einen Eingriff in das Familienleben ihrer Entscheidung nicht zugrunde legte.
Bei der Bewertung der persönlichen Interessen der beschwerdeführenden Parteien an einem Verbleib in Österreich durfte die Behörde iSd § 11 Abs. 3 Z 8 NAG auch berücksichtigen, dass die beschwerdeführenden Parteien auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen, die ihnen während des Asylverfahrens zugekommen waren, nicht damit rechnen durften, dauerhaft in Österreich bleiben zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2013, Zl. 2013/22/0221). Dies gilt umso mehr für die Zeit ab Rechtskraft der gegen sie erlassenen Ausweisungen. Daran vermag auch das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, ihr Verbleib im Inland nach rechtskräftiger Ausweisung könne ihnen nicht vorgeworfen werden, weil sie bereits zwei Monate danach die hier gegenständlichen Anträge gestellt hätten, nichts zu ändern.
Ausgehend davon sind die von den beschwerdeführenden Parteien geltend gemachten Umstände - ungeachtet ihres ca. siebeneinhalbjährigen Aufenthaltes in Österreich - insgesamt nicht von solchem Gewicht, dass ihnen unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel hätte erteilt und akzeptiert werden müssen, dass sie mit ihrem Verhalten letztlich versuchen, in Bezug auf ihren Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen.
Soweit die beschwerdeführenden Parteien geltend machen, die Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass ihnen eine "Liebesheirat" in Indien nicht möglich sei und sie im Fall ihrer Rückkehr um ihr Leben fürchten müssten, ist dem entgegenzuhalten, dass im vorliegenden Fall weder Rechte aus der Flüchtlingskonvention noch nach Art. 2 oder Art. 3 EMRK zu prüfen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, Zl. 2012/22/0170). Das diesbezügliche Vorbringen war zudem bereits Gegenstand des Verfahrens vor den Asylbehörden.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie § 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, iVm § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Da die Verwaltungsakten zu beiden Beschwerdeverfahren gemeinsam vorgelegt worden sind, war der Vorlageaufwand nur einfach zuzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2009, Zlen. 2008/22/0731 und 0732, mwN). Wien, am 7. Mai 2014
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