VwGH 2013/21/0152

VwGH2013/21/015217.10.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der B, vertreten durch Mag. Stefan Kauer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1b, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 26. April 2013, betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §35 Abs1;
AsylG 2005 §35 Abs4;
FrPolG 2005 §11 Abs3;
FrPolG 2005 §21;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AsylG 2005 §35 Abs1;
AsylG 2005 §35 Abs4;
FrPolG 2005 §11 Abs3;
FrPolG 2005 §21;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 26. April 2013 wies die Österreichische Botschaft Addis Abeba (die belangte Behörde) den von der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Somalia, am 17. Jänner 2013 eingebrachten "Antrag auf Erteilung eines Visums" unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab.

Dabei wurde durch Ankreuzen einzelner Ziffern des § 21 Abs. 1 und 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) zum Ausdruck gebracht, dass die dort normierten Voraussetzungen für eine Visumserteilung - nämlich, dass die Beschwerdeführerin ein gültiges Reisedokument besitze, ihre Wiederausreise gesichert erscheine und sie über ausreichende Mittel für den Unterhalt und die Wiederausreise verfüge - nicht vorlägen. Aufgrund dieser Bestimmungen des FPG habe der Antrag abgelehnt werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 12. August 2013 zur Post gegebene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, sie habe gemäß den §§ 34, 35 AsylG 2005 eine "Familienzusammenführung" mit ihrem Ehemann O. M., dem in Österreich der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden sei, beantragt. Die im angefochtenen Bescheid angeführten Ablehnungsgründe würden damit nicht "übereinstimmen". Einzig möglicher Grund für eine Antragsabweisung wäre eine negative Mitteilung des Bundesasylamtes iSd § 35 Abs. 4 AsylG 2005 gewesen. Eine solche Mitteilung sei der Beschwerdeführerin aber weder vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Kenntnis gebracht, noch sei im angefochtenen Bescheid darauf Bezug genommen worden. Dieser Bescheid sei daher mangelhaft begründet.

Nach Einleitung des Vorverfahrens legte die belangte Behörde nur Teile der Verwaltungsakten vor (den angefochtenen Bescheid samt Bestätigung der Übernahme durch die Beschwerdeführerin, die Kopie einer Seite eines Personaldokumentes der Beschwerdeführerin und eine Mitteilung des Bundesasylamtes vom 3. April 2013) und verzichtete auf eine Gegenschrift. In der Übersendungsnote bezweifelte sie aber die Rechtzeitigkeit der Beschwerde, indem sie in diesem Zusammenhang auf den Zeitpunkt der Aushändigung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführerin (bereits) am 2. Mai 2013 hinwies. In der Sache brachte die belangte Behörde vor, das Bundesasylamt habe mit Schreiben vom 3. April 2013 "nach Prüfung der Sachlage" mitgeteilt, dass in Bezug auf die Beschwerdeführerin die Gewährung des Status einer Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Entgegen der Beschwerdebehauptung habe die Botschaft "jedenfalls umfangreiche Ermittlungsverfahren durchgeführt und den gesamten Fall im Lichte des § 35 AsylG entschieden". Aufgrund der negativen Antwort des Bundesasylamtes und der mangelnden Klärung der Identität der Beschwerdeführerin und des behaupteten Verwandtschaftsverhältnisses habe sich die Botschaft "außer Stande" gesehen, der Beschwerdeführerin ein Visum D auszustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hatte am 7. Juni 2013 einen durch ihren Vertreter an diesem Tag beim Verwaltungsgerichtshof überreichten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt. Ausgehend von der Zustellung des anzufechtenden Bescheides am 2. Mai 2013 war der Antrag innerhalb der sechswöchigen Frist des § 26 Abs. 1 VwGG und somit rechtzeitig eingebracht worden. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 2013, VH 2013/21/0075-2, wurde der Antrag bewilligt. Dazu brachte der sodann zum Verfahrenshelfer bestellte Rechtsanwalt in der Beschwerde - in Übereinstimmung mit der Aktenlage - vor, der Bestellungsbeschluss sei ihm am 1. Juli 2013 zugestellt worden. Gemäß § 26 Abs. 3 VwGG beginne mit diesem Zeitpunkt die Frist zur Erhebung der Beschwerde, die daher fristgerecht sei. Dem ist im Hinblick auf das Datum der Postaufgabe der Beschwerde (12. August 2013) beizupflichten.

Die somit rechtzeitige Beschwerde ist auch berechtigt:

Gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 kann der sich im Ausland befindende Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, zwecks Stellung eines Antrages auf Gewährung desselben internationalen Schutzes einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland stellen. Nach der Stellung eines solchen Antrages hat die Berufsvertretungsbehörde nach § 35 Abs. 3 leg. cit. dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; dies dient der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts. Außerdem hat sie den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen und den Antrag auf Einreise unverzüglich dem Bundesasylamt zuzuleiten.

Gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Berufsvertretungsbehörde dem Fremden dann ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen, wenn das Bundesasylamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Damit korrespondierend normiert auch § 24 Abs. 4 FPG, dem Fremden sei ohne weiteres ein Aufenthaltsvisum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen, wenn das Bundesasylamt gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mitteilt, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof schon judiziert, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland an die Mitteilung des Bundesasylamtes über die Prognose einer Asylgewährung oder die Gewährung von subsidiärem Schutz gebunden ist, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (siehe grundlegend das Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0423, vgl. idS auch den Beschluss vom 18. April 2013, Zl. 2012/21/0157; zu einer positiven Mitteilung des Bundesasylamtes siehe das Erkenntnis vom 18. April 2013, Zl. 2012/21/0265).

Im vorliegenden Fall ist es unstrittig, dass die Beschwerdeführerin am 17. Jänner 2013 bei der Österreichischen Botschaft in Addis Abeba einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels iSd § 35 Abs. 1 AsylG 2005 stellte, um in Österreich einen Antrag auf Gewährung desselben internationalen Schutzes, wie er ihrem Ehemann zuerkannt worden war, zu stellen. Ebenfalls unstrittig ist, dass die genannte Botschaft mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. April 2013 über diesen Antrag abgesprochen hat.

Vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass ein solcher Antrag nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 streng zweckgebunden ist; er könne daher nicht auch als Antrag auf Erteilung eines "allgemeinen" Visums angesehen werden, dessen Voraussetzungen an den Bestimmungen des FPG zu messen seien (siehe das Erkenntnis vom 13. Dezember 2012, Zl. 2012/21/0211; vgl. daran anschließend auch den schon erwähnten Beschluss vom 18. April 2013, Zl. 2012/21/0157). Als allein tragender Grund für die Abweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 wäre in Betracht gekommen, dass nach der Mitteilung des Bundesasylamtes die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführerin auf Gewährung desselben Schutzes (wie ihrem Ehemann) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Eine solche Mitteilung ist zwar im vorliegenden Fall - folgt man dem Inhalt der vorgelegten Aktenteile - mit dem Schreiben des Bundesasylamtes vom 3. April 2013 an die belangte Behörde ergangen. Davon war die Beschwerdeführerin aber offenbar nicht in Kenntnis gesetzt worden und im angefochtenen Bescheid wurde darauf in keiner Weise Bezug genommen. Dessen ausschließliche Begründung mit der Nichterfüllung von im § 21 FPG normierten Voraussetzungen erweist sich als völlig verfehlt (siehe zum Ganzen das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2012, Zl. 2012/21/0211, mwN; vgl. zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0113, dem ein vergleichbarer, ebenfalls die belangte Behörde betreffender Fall zugrunde lag).

Für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland bestehen zwar unter anderem Erleichterungen dahin, dass sich die Bescheidbegründung in der Anführung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen erschöpfen kann, wenn der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Akt nachvollziehbar ist (siehe dazu des Näheren den hg. Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0216; vgl. betreffend ein Verfahren über einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 das schon genannte hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0423, und daran anschließend das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2009/21/0173). Da aber im angefochtenen Bescheid - wie erwähnt - nicht einmal durch Zitierung von Gesetzesbestimmungen auf das die Ablehnung des Visumsantrages rechtfertigende Schreiben des Bundesasylamtes vom 3. April 2013 Bezug genommen wurde, entspricht die vorliegende Begründung des angefochtenen Bescheides insoweit nicht einmal den erwähnten Minimalanforderungen. Damit war die Beschwerdeführerin an der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gehindert.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 17. Oktober 2013

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