VwGH 2013/15/0162

VwGH2013/15/016228.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der A GmbH in R, vertreten durch die Causa Wirtschaftstreuhand GmbH in 1090 Wien, Türkenstraße 25/8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 21. November 2012, Zl. RV/0563-G/07, betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag 2002 bis 2004, samt Säumniszuschlägen, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167 Abs2;
EStG §47 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
BAO §167 Abs2;
EStG §47 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der beschwerdeführenden GmbH erfolgte eine Lohnsteuer-, Sozialversicherungs- und Kommunalsteuerprüfung für die Zeiträume 1. Jänner 2002 bis 31. Dezember 2004. Strittig war, ob Servicetechniker, Gerätebauer und ein Geschäftsführer der Beschwerdeführerin als Dienstnehmer zu beurteilen seien. Die Prüfer kamen zum Ergebnis, dass für die Beschwerdeführerin insoweit die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug, zur Abfuhr der Lohnsteuer und zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages (samt Zuschlages) gemäß § 41 Abs. 1 FLAG bestanden habe. Da die Einkommensteuer 2002 bis 2004 bereits von den Arbeitnehmern entrichtet worden sei, entfalle die Verpflichtung zur Entrichtung der Lohnsteuer.

Mit Bescheiden des Finanzamtes vom 15. September 2006 wurde die Beschwerdeführerin für die Abfuhr des Dienstgeberbeitrages sowie des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2002, 2003 und 2004 in Anspruch genommen; weiters wurden Säumniszuschläge festgesetzt.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Bescheide Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, schon aus - im angefochtenen Bescheid näher angeführten - von der Beschwerdeführerin stammenden Schriftstücken gehe hervor, dass sowohl die Eingliederung der Servicetechniker in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers als auch deren persönliche Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber vorlägen. Es brauche daher nicht mehr geprüft zu werden, ob auch unter Zugrundelegung weiterer Kriterien qualitativ die Merkmale der Nichtselbständigkeit überwiegen würden. Es müsse aber angemerkt werden, dass auch weitere Merkmale für das Vorliegen von Dienstverhältnissen sprächen; auf die ausführlichen Ausführungen in den erstinstanzlichen Bescheiden und in der Stellungnahme des Prüfers werde verwiesen. Eine Vertretung der Techniker sei - wie aus einem Schreiben der Beschwerdeführerin hervorgehe - nicht nur unerwünscht, sondern sogar verboten gewesen. Die Gerätebauer hätten über jeweilige Anordnung der Beschwerdeführerin bestimmte Tätigkeiten zu verrichten gehabt bzw. hätten diese auf Grund eigener Wahrnehmung verrichtet. Diese Hilfstätigkeiten seien in organisatorischer Eingliederung und subjektiver Weisungsgebundenheit gegenüber der Beschwerdeführerin erfolgt. Auch die Geschäftsführer seien in den betrieblichen Organismus der Gesellschaft eingegliedert gewesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 41 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - FLAG - haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten. Dienstnehmer sind Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Z 2 EStG 1988 (§ 41 Abs. 2 FLAG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 52/2009).

Die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag gründet sich auf § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998.

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach ständiger Rechtsprechung auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos, oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 18. Dezember 2013, 2009/13/0230, mwN).

Kennzeichnend für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ist, dass der Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft (laufend) zur Verfügung zu stellen, die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenübersteht, dem Arbeitnehmer einem vom Erfolg unabhängigen Lohn zu bezahlen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 2010, 2007/15/0223, mwN).

Die für das Dienstverhältnis charakteristische Weisungsunterworfenheit ist durch weitgehende Unterordnung gekennzeichnet und führt zu einer weitreichenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Dienstnehmers. Ein persönliches Weisungsrecht beschränkt die Entschlussfreiheit über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinaus. Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Hievon muss die sachliche und technische Weisungsbefugnis unterschieden werden, die etwa im Rahmen eines Werkvertrages ausgeübt wird und sich lediglich auf den Erfolg einer bestimmten Leistung bezieht (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 2010, mwN).

Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zeigt sich u.a. in der Vorgabe der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 2010, mwN).

Der zeitlichen und organisatorischen Eingliederung in den Unternehmensbereich des Arbeitgebers wird dann keine wesentliche Bedeutung zukommen, wenn die Arbeitsleistung, zu der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, überwiegend oder gänzlich außerhalb örtlicher Einrichtungen, die dem Arbeitgeber zugerechnet werden können, erbracht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, 90/14/0184, VwSlg. 6928/F).

Kann sich der Auftragnehmer bei seiner Arbeitsleistung vertreten lassen und kann er über die Vertretung selbst bestimmen, so spricht dies gegen ein Schulden der Arbeitskraft und damit gegen ein Dienstverhältnis (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 2010, mwN).

Ob bzw. in welcher Ausprägung und Intensität im konkreten Fall die einzelnen genannten Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2013).

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 Abs. 2 BAO) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. § 167 Abs. 2 BAO hat nur zur Folge, dass - im Allgemeinen - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2013, 2010/17/0268, mwN).

Der angefochtene Bescheid hält einer solchen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht stand:

Die belangte Behörde führt aus, die Prüfung, ob die Eingliederung der Servicetechniker in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers als auch die persönliche Weisungsgebundenheit gegeben sei, solle "insbesondere anhand der bereits erwähnten, ausschließlich von der (Beschwerdeführerin) stammenden, Schriftstücke" erfolgen. Aus welchem Grunde die belangte Behörde weitere Beweisergebnisse - insbesondere die vorliegenden Protokolle über die Vernehmung der Servicetechniker - im Rahmen der Beweiswürdigung ausblendet, ist nicht ersichtlich.

Wenn die belangte Behörde auf die "ausführlichen Ausführungen in den (erstinstanzlichen) Bescheiden und in der Stellungnahme des Prüfers" hinweist, so setzt sie sich mit den (ebenfalls ausführlichen und konkreten) Einwendungen der Beschwerdeführerin (auch zur Stellungnahme des Prüfers) nicht auseinander.

Damit hat es die belangte Behörde unterlassen, ihre Feststellungen ausreichend zu begründen.

Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 28. Mai 2015

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