VwGH 2010/17/0268

VwGH2010/17/02689.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der I GmbH in Salzburg, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. November 2010, Zl. Ib-17512/20-2010, betreffend Wasseranschlussgebühr (mitbeteiligte Partei:

Stadtgemeinde K, vertreten durch Rechtsanwälte Brüggl & Harasser Partnerschaft in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
BAO §167 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles kann auf die hg. Erkenntnisse vom 13. Oktober 2009, Zl. 2009/17/0020, und vom 10. August 2010, Zl. 2010/17/0067, verwiesen werden.

Hervorzuheben ist aus dieser Vorgeschichte für den vorliegenden Zusammenhang Folgendes:

1.2. Mit dem erwähnten Erkenntnis vom 13. Oktober 2009 hob der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid der belangten Behörde hinsichtlich seines Spruchpunktes 1. (betreffend die Vorschreibung der Kanalanschlussgebühr) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hinsichtlich seines Spruchpunktes 2. (betreffend die Vorschreibung der Wasseranschlussgebühr) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Hinsichtlich der Wasseranschlussgebühr verwies der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass die beschwerdeführende Partei ausgeführt habe, sie habe in beiden Angelegenheiten (sowohl betreffend die Kanalanschlussgebühr als auch betreffend die Wasseranschlussgebühr) einen Vorlageantrag verfasst und diese Anträge in einem Kuvert am 11. September 2008 per Einschreiben an den Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde abgesendet.

Die belangte Behörde habe - so der Verwaltungsgerichtshof im erwähnten Erkenntnis vom 13. Oktober 2009 weiter - festgestellt, dass der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Abgabenbehörde II. Instanz über die Wasseranschlussgebühr ohne Vorlageantrag der beschwerdeführenden Partei entschieden habe; sie habe jedoch hiezu die beschwerdeführende Partei nicht gehört. Diese habe daher zulässigerweise vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Vorbringen erstatten und so darlegen können, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

1.3. Mit Bescheid vom 11. Februar 2010 entschied daraufhin die belangte Behörde in ihrem Spruchpunkt 1. (neuerlich) über die Vorschreibung der Kanalanschlussgebühr. In Spruchpunkt 2. gab sie der Vorstellung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 24. September 2008 über die Vorschreibung der Wasseranschlussgebühr Folge und behob den bekämpften Bescheid insoweit wegen Unzuständigkeit der einschreitenden Berufungsbehörde ersatzlos.

In der Begründung dieser Aufhebung gab die belangte Behörde detailliert die Stellungnahmen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Stadtgemeinde wieder.

Der Darstellung der beschwerdeführenden Partei über die Einbringung von zwei Vorlageanträgen in einem Kuvert habe nicht gefolgt werden können. Auch die im Verfahren vorgelegte Kopie mit dem Ausstellungsdatum 25. August 2008 habe diese Feststellung nicht zu entkräften vermocht. Auch der auf diesem Schriftstück angebrachte Stempelaufdruck (Datumstempel mit den Rubriken "Porto", "Einschr." und "erledigt") sei nicht geeignet gewesen, das Gegenteil darzutun. Vielmehr sei davon auszugehen gewesen, dass der beschriebene Stempel dem Vertreter der Abgabepflichtigen zuzurechnen sei. Auch die "Erklärung an Eidesstatt" einer Sekretärin der Kanzlei des ausgewiesenen Vertreters der Abgabepflichtigen (der Beschwerdeführerin) sei nicht als Beweis für das Einlangen eines Schriftstückes bei der Behörde im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung anzusehen gewesen.

1.4. Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen Spruchpunkt 2. dieses Bescheides.

Mit dem oben zitierten Erkenntnis vom 10. August 2010 hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Spruchpunkt auf. Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, es treffe zwar zu, dass nach der hg. Rechtsprechung (Hinweis auf die Erkenntnisse vom 15. Februar 2006, Zl. 2002/13/0165, und vom 1. März 2007, Zl. 2005/15/0137) die Beförderung einer Sendung durch die Post auf Gefahr des Absenders erfolge, diesen die Beweislast für das Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde treffe und der Beweis der Postaufgabe für den Beweis des Einlangens nicht ausgereicht habe. Der hier zu beurteilende Beschwerdefall sei jedoch dadurch gekennzeichnet, dass der Vorlageantrag hinsichtlich der Kanalanschlussgebühr, der - behauptetermaßen - in einer Postsendung mit dem (im Akt nicht vorhanden) Vorlageantrag hinsichtlich der Wasseranschlussgebühr aufgegeben worden sei, unstrittig beim Adressaten (der Abgabenbehörde) eingelangt sei.

In diesem Fall wäre es erforderlich gewesen, näher darzulegen, warum - etwa auf Grund der Ablauforganisation bei der Abgabenbehörde - das Nichteinlangen des Schriftstückes als wahrscheinlicher denn das Nichtabsenden (oder der Verlust) habe angesehen werden können, sodass die oben erwähnte Gefahrtragungsregel zur Anwendung gekommen wäre.

1.5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde (neuerlich) über die Vorstellung betreffend die Vorschreibung der Wasseranschlussgebühr und hob den bei ihr bekämpften Gemeindebescheid erneut wegen Unzuständigkeit der Berufungsbehörde auf.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Auszügen aus den oben zitierten hg. Erkenntnissen vom 13. Oktober 2009 und 10. August 2010 aus, für die belangte Behörde stehe fest, dass der Darstellung der Beschwerdeführerin über die Einbringung von zwei Vorlageanträgen in einem Kuvert nicht gefolgt werden könne. Dies vermöge auch die der Stellungnahme vom 17. Dezember 2009 beigelegte Kopie mit dem Betreff "wegen: Zl 4 - Mag. E/Ma, Wasseranschlussgebühr - Berufung; Antrag auf Vorlage der Berufung an den Stadtrat als Abgabenbehörde 2. Instanz" nicht zu entkräften. Auch der am gegenständlichen Schriftstück angebrachte Stempelaufdruck (Datumstempel mit den Rubriken "Porto", "Einschr." und "erledigt") sei nicht geeignet, das Gegenteil darzutun. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Stempel dem Vertreter der Beschwerdeführerin zuzurechnen sei. Letztlich sei auch die "Erklärung an Eidesstatt" einer Sekretärin der Kanzlei des ausgewiesenen Vertreters der Abgabepflichtigen nicht als Beweis für das Einlagen eines Schriftstückes bei der Behörde im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung anzusehen.

In Entsprechung der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 10. August 2010, Zl. 2010/17/0067) verweise die erkennende Behörde darüber hinaus auf eine weitere - über neuerliche Anforderung durch die Behörde - mittels Schriftstück vom 26. Mai 2010 abgegebene Stellungnahme des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Abgabenbehörde I. Instanz. In dieser Stellungnahme werde ausgeführt, dass das Schriftstück "Antrag auf Vorlage der Berufung an den Stadtrat als Abgabenbehörde 2. Instanz vom 25.08.2008, AEV-Code R 58 60 76, Geschäftszahl 4, wegen Kanalanschlussgebühr-Berufung" am 15. September 2008 nach Eingang in der Poststelle des Stadtamtes der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom Adressaten, Bürgermeister Dr. K W, persönlich geöffnet worden sei. Dieses Schriftstück sei von Bürgermeister Dr. K W an das Direktionssekretariat, Sachbearbeiterin Posteingang, Frau H S, umgehend weitergegeben worden. Diese habe das Schriftstück mit dem Posteingangsstempel und mit der Geschäftszahl 4 versehen und nach Sichtung durch den Stadtamtsdirektor Dr. G in das Scan Programm der Posteingangsstelle eingetragen. Ein weiteres Schriftstück sei der Briefsendung nicht beigelegen. Nach der Aufnahme des Schriftstückes in das Scan Programm sei das Schriftstück per Amtsboten an das Bauamt übermittelt worden.

Die Frage der Einbringung eines Vorlageantrages betreffend die Wasseranschlussgebühr durch die beschwerdeführende Partei sei letztlich auf der Ebene der Beweiswürdigung zu klären. Die belangte Behörde gehe dabei davon aus, dass der in Rede stehende Vorlageantrag betreffend die Wasseranschlussgebühr durch die Kanzleibedienstete des Beschwerdeführers nicht in das Kuvert gegeben und somit nicht versendet worden sei. Aus Sicht der belangten Behörde sei es nämlich dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut und damit der Lebenserfahrung nach zumindest im gleichem Umfange zuzubilligen, dass bei zwei abzusendenden Anträgen einer versehentlich nicht in das Kuvert gegeben bzw. nicht ausgedruckt werde. Im Ergebnis werde somit die Ansicht der Beschwerdeführerin nicht geteilt, wonach das Versehen bei der Abgabenbehörde gelegen sein sollte. Die beschriebene Sichtweise werde zusätzlich durch den Umstand untermauert, dass ein Dokument betreffend die Übergabe des in Rede stehenden Vorlageantrages an die Post selbst von der Beschwerdeführerin zu keiner Zeit habe dargetan werden können. Darüber hinaus sei auf das Faktum hinzuweisen, dass das Risiko der Einbringung eines Rechtsmittels bei der Beschwerdeführerin gelegen sei und dies auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stehe.

Zu einer etwaig gebotenen Zeugenvernehmung stellte die belangte Behörde zu der eidesstattlichen Erklärung einer Kanzleiangestellten der Vertreter der beschwerdeführenden Partei fest, dass sich für die belangte Behörde aufgrund der vorliegenden Aktenlage ein klares Bild für die Beweiswürdigung ergebe. Vor diesem Hintergrund erscheine es als zulässig - und im Hinblick auf die Verfahrensökonomie auch geboten - von der angestrebten Zeugeneinvernahme Abstand zu nehmen. Auch die ins Treffen geführte Strafbarkeit der falschen Zeugenaussage vermöge nicht zu überzeugen, da dieses Argument auf ein Amtsorgan in gleichem Maße zutreffe und darüber auch noch der disziplinarrechtliche Aspekt zu beachten sei.

1.6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.7. Die belangte Behörde hat die Akten beider Verwaltungsverfahren vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die mitbeteiligte Stadtgemeinde hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die belangte Behörde hat zutreffend erkannt, dass die maßgebliche Frage im Beschwerdefall jene der Feststellung des Sachverhalts hinsichtlich der Einbringung auch eines Vorlageantrags im Verfahren betreffend die Wasseranschlussgebühr ist.

Sie ist jedenfalls davon ausgegangen, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin, in der bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingegangenen Sendung hätten sich zwei Vorlageanträge befunden, nicht als erwiesen anzunehmen sei.

2.2. Der belangten Behörde sind dabei allerdings relevante, vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Verfahrensmängel unterlaufen:

2.2.1. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 Abs. 2 BAO, der von der belangten Behörde anzuwenden war) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliege. § 167 Abs. 2 BAO hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist -

die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. die bei Ritz, BAO-Kommentar4, § 167 Rn 10, angeführte hg. Rechtsprechung).

2.2.2. Der angefochtene Bescheid hält einer solchen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht stand:

Die belangte Behörde begründet ihre Annahme, der in Rede stehende Vorlageantrag bezüglich der Wasseranschlussgebühr sei nicht in dem Kuvert enthalten gewesen, damit, dass es "dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut und damit der Lebenserfahrung zumindest in gleichem Umfange zuzubilligen" sei, dass bei zwei abzusendenden Anträgen einer versehentlich nicht in das Kuvert gegeben bzw. nicht ausgedruckt werde, wie, dass die Abgabenbehörde lediglich den die Kanalanschlussgebühr betreffenden Vorlageantrag zum Akt genommen habe.

Allein aus dem Umstand, dass zwei Sachverhaltsvarianten nach dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut grundsätzlich möglich sind, zu schließen, dass eine bestimmte davon zutreffend ist, genügt nicht den Anforderungen an eine schlüssige Erwägung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (zum diesbezüglich anzuwendenden Maßstab vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2011, Zl. 2010/16/0168).

Die Beschwerdeführerin hat den Überlegungen der belangten Behörde schon im Verwaltungsverfahren insbesondere entgegen gehalten, dass es auch wahrscheinlich sei, dass bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde die beiden Schriftstücke als idente Schreiben in ein und derselben Sache angesehen worden sein könnten, zumal beide Verfahren dieselbe Geschäftszahl aufwiesen. In der Angabe des Betreffs hätten sich die Schreiben nur hinsichtlich der betroffenen Abgabe ("wegen: Zl. 4 - Mag E/Mar, Kanalanschlussgebühr - Berufung" einerseits, bzw. "wegen: Zl. 4 - Mag E/Mar, Wasseranschlussgebühr - Berufung" andererseits) unterschieden.

2.2.3. Die belangte Behörde ließ im Rahmen ihrer Beweiswürdigung wesentliche Umstände unberücksichtigt bzw. wäre im Hinblick auf die allein auf Grund der Lebenserfahrung gleichermaßen als wahrscheinlich anzunehmenden Alternativen gehalten gewesen, weitere Beweise aufzunehmen, um über eine entsprechende Sachverhaltsgrundlage für ihre Annahme zu verfügen, dass die von der mitbeteiligten Stadtgemeinde vertretene These plausibler sei. Darüber hinaus setzte sie sich ohne ausreichende Begründung über die von der Beschwerdeführerin vorgelegte eidesstattliche Erklärung der Sekretärin der Vertreter der beschwerdeführenden Partei hinweg.

Die belangte Behörde hätte im Hinblick auf den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel (§ 166 BAO) alle im Zuge des Ermittlungsverfahrens hervorgekommenen Umstände, die einen Rückschluss auf die Frage, ob der Vorlageantrag in der Sendung enthalten war, zulassen, in ihre Erwägungen einbeziehen müssen.

Dazu gehört etwa der Umstand, dass in dem im Akt erliegenden Aktenvermerk einer Mitarbeiterin der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 30. Jänner 2009, in dem auch auf die Aussage der Sachbearbeiterin in den Abgabenverfahren verwiesen wird, davon die Rede ist, dass "sämtliche eingehende Schriftstücke" in der Posteinlaufstelle mit Eingangsstempel versehen und in weiterer Folge eingescannt würden. In der Stellungnahme des Bürgermeisters, auf welche sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid wesentlich stützt, wird jedoch davon gesprochen, dass der Bürgermeister das Schriftstück "nach Eingang in der Poststelle des Stadtamts" persönlich geöffnet habe. Es wäre daher aufzuklären gewesen, ob die ursprüngliche Darstellung, die auch von der Sachbearbeiterin bestätigt worden sein soll, insoferne unvollständig oder missverständlich war. Insoweit hätte es zusätzlicher Ermittlungen bedurft, woraus sich die Gewissheit ergeben sollte, mit der sich der Bürgermeister an die Öffnung und weitere Behandlung gerade der hier fraglichen Sendung erinnern zu können glaubt. Immerhin spräche für die nach dem Aktenvermerk anzunehmende Version, dass auch in der auf dem Stempelaufdruck vorgesehenen Spalte "Bgm." eine Paraphe angebracht ist, was die Annahme nahe legt, dass der Stempel bereits angebracht war (die Sendung also bereits geöffnet war), als dem Bürgermeister die Sendung vorgelegt wurde. Eine spätere weitere Vorlage an den Bürgermeister zur Abzeichnung wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt.

Ebenso wenig wurde bei der Beweiswürdigung der Umstand berücksichtigt, dass der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Berufungsbehörde trotz des (nunmehr) behaupteten Nichtvorliegens eines Vorlageantrags tatsächlich in der Sache über die Wasseranschlussgebühr entschieden hat.

2.2.4. Wenn die belangte Behörde wie schon im hg. Verfahren zur Zl. 2010/17/0067 auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen führt, wonach die Beförderung einer Sendung durch die Post auf Gefahr des Absenders erfolge, diesen die Beweislast für das Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde treffe und der Beweis der Postaufgabe für den Beweis des Einlangens nicht ausreiche (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Februar 2006, Zl. 2002/13/0165, und vom 1. März 2007, Zl. 2005/15/0137), ist daran zu erinnern, dass der Beschwerdefall dadurch gekennzeichnet ist, dass der Vorlageantrag hinsichtlich der Kanalanschlussgebühr, der - behauptetermaßen - in einer Postsendung mit dem (im Akt nicht vorhanden) Vorlageantrag hinsichtlich der Wasseranschlussgebühr aufgegeben wurde, unstrittig beim Adressaten eingelangt ist, die in Rede stehende Sendung somit unbestritten bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingelangt ist (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 10. August 2010). Strittig ist vielmehr, ob die Sendung auch den Vorlageantrag betreffend das Verfahren hinsichtlich der Wasseranschlussgebühr enthielt. In diesem Zusammenhang ist unerfindlich, welche Funktion der Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheids haben sollte, dass von der Beschwerdeführerin kein "Dokument betreffend die Übergabe des in Rede stehenden Vorlageantrages an die Post selbst" habe dargetan werden können. Dass die Sendung, die die Vorlageanträge enthalten haben soll, bei der Gemeindebehörde eingegangen ist, hat die belangte Behörde selbst ebenfalls ihrem Bescheid zu Grunde gelegt.

2.2.5. Die von der belangten Behörde angenommene klare Beweislage ist keineswegs gegeben.

Die Vernehmung der Kanzleiangestellten der Vertreter der beschwerdeführenden Partei, der "Sachbearbeiterin der Posteingangsstelle" H S und des Stadtamtsdirektors als Zeugen war bei dieser Sachlage nicht entbehrlich.

Die Behörde hat von Amts wegen alle Zeugen zu vernehmen, die einen Beitrag zur Wahrheitsfindung liefern können (vgl. § 115 Abs. 1 und §§ 166 ff BAO sowie zu den Beweismitteln etwa Ritz, BAO - Bundesabgabenordnung, Kommentar4, § 166 Rz 6).

Da hinsichtlich der Frage des Einlangens des Vorlageantrags widersprechende Beweisergebnisse vorlagen (Stellungnahme des Bürgermeisters vom 26. Mai 2010; eidesstattliche Erklärung der Kanzleiangestellten des Vertreters der beschwerdeführenden Partei), wären der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde und die Kanzleiangestellte der Vertreter der beschwerdeführenden Partei als Zeugen zu vernehmen gewesen.

2.3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2.4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 9. September 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte