Normen
AVG §1;
AVG §66 Abs4;
ForstG 1975 §170 Abs6;
ForstG 1975;
ForstschutzV 2003;
GewO 1994 §74;
PflanzenschutzV Holz 2001;
PflSchG OÖ 2002 §10 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis (der Erstbehörde) vom 2. August 2013 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß "§ 1, 2, 3, Z. 5, 4 Abs. 1 und 7" des Oberösterreichischen Pflanzenschutzgesetzes 2002 - Oö. PflSchG 2002 Folgendes aufgetragen:
"o Die Grabenbegleitvegetation (überwiegend Erlen und Weiden) auf dem Gst. 1250/3 sowie die Zierbäume (Blutahorn, ...) auf dem Gst. 1264, KG (N.), sind unverzüglich zu fällen und das Holz samt Astmaterial zur Sammelstelle zu transportieren. (...)
o Das Verbringen, der Transport von unkontrolliertem Laub- und Obstbaumholz in jeglichem Zustand (ob frisch geschlägert, vorverarbeitet, als Verpackungsholz etc. - ausgenommen den verhäckselten Zustand) aus der Quarantänezone (...) ohne vorhergehende Kontrolle ist für vier Jahre verboten.
o Der Stockausschlag und die Naturverjüngung von befallsfähigen Laub- und Obstbäumen und Sträuchern mit einer Kluppschwelle im unteren Drittel von mehr als 2 cm ist für vier Jahre (Befallsfreiheit laut EU) zu unterbinden; auch ein Nachsetzen von Laub- und Obstbäumen ist für vier Jahre zu unterlassen."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. November 2013 wies die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei ab und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG (u.a.) "mit der Maßgabe", dass "die Zitierung der maßgeblichen Rechtsgrundlage anstelle von '§ 1, 2, 3, Z. 5, 4 Abs. 1 und 7 Oö. Pflanzenschutzgesetz 2002 LGBl. Nr. 67/2002 i.d.g.F.' nunmehr '§§ 2 und 3 Pflanzenschutzverordnung-Holz, BGBl. Nr. II 319/2001 i.d.g.F. BGBl. Nr. I 10/2011; §§ 43 bis 46 Forstgesetz, BGBl. Nr. 440/1975 i. d.g.F. BGBl. Nr. I 189/2013; § 3 Forstschutzverordnung, BGBl. Nr. II 19/2003' zu lauten" habe.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit für die vorliegende Entscheidung von Interesse - aus, nach § 2 Abs. 1 Pflanzenschutzverordnung-Holz (PflSchV-H) sei Laubholz, das durch den Asiatischen Laubholzbockkäfer für befallen befunden worden sei, zunächst nach den Bestimmungen der §§ 43 bis 46 Forstgesetz 1975 (ForstG) sowie nach der Forstschutzverordnung (ForstSchV) bekämpfungstechnisch zu behandeln.
Liege daher ein Sonderfall eines Befalles von Holz durch den Asiatischen Laubholzbockkäfer vor, so habe die spezifisch erforderliche Schädlingsbekämpfung "durch die Forstbehörde" nicht aufgrund des Oö. PflSchG 2002, sondern nach den Bestimmungen der PflSchV-H iVm den §§ 43 bis 46 ForstG und iVm der ForstSchV zu erfolgen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, welches gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B-VG an die Stelle der belangten Behörde in das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eingetreten ist, hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
2. Die belangte Behörde hat den erstbehördlichen Bescheid u. a. "mit der Maßgabe" bestätigt, dass sie die darin getroffenen Anordnungen statt auf "§ 1, 2, 3, Z. 5, 4 Abs. 1 und 7" Oö. PflSchG 2002 nunmehr auf die Bestimmungen der §§ 2 und 3 PflSchV-H, der §§ 43 bis 46 ForstG und des § 3 ForstSchV gestützt hat.
3. Nach § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG ist die Berufungsbehörde berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Die Abänderung des Spruches des erstbehördlichen Bescheides kann darin begründet liegen, dass die rechtliche Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts fehlerhaft ist, etwa weil die Behörde ihrer Entscheidung eine nicht relevante Rechtsvorschrift zugrunde gelegt hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 88, mwN).
Die Berufungsbehörde kann auch zum Ergebnis kommen, dass die normative Aussage im Spruch des angefochtenen Bescheides zwar aufrecht bleibt, aber auf eine andere Rechtsgrundlage zu stützen ist. Unzulässig ist eine Änderung der Rechtsgrundlage allerdings dann, wenn die Zuständigkeit der Berufungsbehörde berührt wird (vgl. wiederum Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 77 und 89, mwN).
4. Mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde ihre Zuständigkeit überschritten:
4.1. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG (in der hier maßgeblichen Fassung vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51) erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern (UVS) "in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes". Ferner erkennen die UVS nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes, und nach Art. 129a Abs. 1 Z. 4 B-VG über bestimmte Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht.
Dass sich die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht auf eine dieser Kompetenzgrundlagen stützen konnte, liegt auf der Hand.
4.2. Schließlich besteht eine Zuständigkeit der UVS nach Art. 129a Abs. 1 Z. 3 B-VG "in sonstigen Angelegenheiten", die den UVS "durch die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze zugewiesen werden".
Die belangte Behörde war zwar zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach § 10 Abs. 6 Oö. PflSchG 2002 zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Gesetz zuständig. Sie hat allerdings den nach dem Oö. PflSchG 2002 erlassenen Bescheid der Erstbehörde in einen auf das ForstG und die zwei angeführten Verordnungen gestützten umgewandelt. Diese Vorschriften sahen aber keine Zuständigkeit des UVS vor.
In diesem Zusammenhang ist lediglich § 170 Abs. 6 ForstG in den Blick zu nehmen, wonach der UVS über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde, die sich auf gewerbliche Anlagen beziehen, entscheidet.
Eine "gewerbliche Anlage" liegt dann vor, wenn es sich um eine Anlage im Sinne des § 74 der Gewerbeordnung 1994 - GewO handelt (vgl. Jäger, Forstrecht3, S. 417, Anm. zu § 170 Abs. 6 ForstG). Nach § 74 Abs. 1 GewO ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
Dem angefochtenen Bescheid sind allerdings keine Feststellungen zu entnehmen, aufgrund derer eine Zuständigkeit der belangten Behörde nach § 170 Abs. 6 ForstG anzunehmen wäre.
5. Die belangte Behörde hat somit mit dem angefochtenen Bescheid ihr kompetenzmäßig nicht zukommende Anordnungen getroffen und so die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten. Diese (von der Beschwerde nicht geltend gemachte) Unzuständigkeit der belangten Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. März 1993, Zl. 92/07/0163, und vom 2. Mai 2005, Zl. 2005/10/0019 = VwSlg. 16.618A).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG und § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 25. Juni 2014
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