VwGH 2013/07/0058

VwGH2013/07/005824.10.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde

  1. 1.) der J F, 2.) des Dr. G J, 3.) des H L, 4.) der Mag. C H und
  2. 5.) der C L, alle vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 1. Februar 2013, Zl. WA1-W-43087/001-2011, betreffend ersatzlose Aufhebung eines wasserpolizeilichen Auftrages (mitbeteiligte Partei: Kurzentrum B GmbH  Co KG, vertreten durch Waldbauer Paumgarten Naschberger und Partner, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Josef-Egger-Straße 3), zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §32 Abs2 lita;
WRG 1959 §40 Abs1;
WRG 1959 §40;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In Bezug auf die Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2009, 2007/07/0032, verwiesen.

Der mitbeteiligten Partei wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden (BH) vom 18. Juli 2003 die wasserrechtliche Bewilligung und die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und Inbetriebnahme eines Kurzentrums (Hotel mit Kurbetrieb) in B auf der Liegenschaft EZ 2225 KG V erteilt. Bereits davor hatte die BH der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 12. März 2003 eine bis zum 30. März 2004 befristete (mittlerweile erloschene) wasserrechtliche Bewilligung für die Ableitung von Grundwasser im Ausmaß von maximal 5 l/s in die Regenwasserkanalisation der Stadtgemeinde B und in weiterer Folge in drei näher bezeichnete Bäche während der Bauarbeiten erteilt.

Die beschwerdeführenden Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Im Zuge der Bauarbeiten kam es zu einer dauerhaften Absenkung des Grundwasserspiegels und zu einem Trockenfallen der Brunnen der erst-, zweit-, dritt- und fünftbeschwerdeführenden Parteien.

Daraufhin beantragten die erst- bis viertbeschwerdeführenden Parteien mit rechtsanwaltlichem Schriftsatz vom 30. November 2004, die BH möge der Mitbeteiligten als Konsenswerberin des Bauvorhabens gemäß § 138 WRG 1959 die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes auftragen, indem eine vollständige Grundwasseraufspiegelung stattfinde; die Bodenfeuchteverhältnisse im Bereich des alten Baumbestandes mögen wiederhergestellt werden. Die Fünftbeschwerdeführerin schloss sich diesem Antrag in der Verhandlung am 25. April 2005 an.

Mit Bescheid der BH vom 30. Mai 2005 wurde die Mitbeteiligte gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 verpflichtet, die durch die auf dem Grundstück Nr. 327 erfolgte Herstellung einer Drainage in Form einer Ableitung von 2,5 l/s bis 3,8 l/s über Drainageleitungen und neu verlegte Kanalleitungen in den Regenwasserkanal herbeigeführte Absenkung des Grundwasserspiegels zu unterlassen und den ursprünglichen Zustand insoweit wiederherzustellen, dass es zu keiner Beeinträchtigung fremder Rechte, insbesondere von Rechten der Brunnenbesitzer, komme.

Mit Bescheid vom 9. Jänner 2007 behob die belangte Behörde diesen Bescheid und wies unter einem die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrages gegenüber der mitbeteiligten Partei gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurück.

Mit hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2009, 2007/07/0032, wurde dieser Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat die Ansicht, dass das Verfahren nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 - wenn auch möglicherweise ausgelöst durch das Verlangen eines Betroffenen - von Amts wegen durchzuführen sei. Ein Mängelbehebungsauftrag nach § 13 Abs. 3 zweiter Satz AVG mit der Folge, dass der Antrag wegen dessen Nichterfüllung zurückgewiesen werde, komme in der Konstellation des § 138 Abs. 1 und 6 WRG 1959 von vornherein nicht in Betracht.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. September 2009 wurde der Bescheid der BH vom 30. Mai 2005 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben.

Nach Durchführung weiterer Ermittlungen verplichtete die BH mit Bescheid vom 3. August 2011 die mitbeteiligte Partei neuerlich gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959, längstens innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft dieses Bescheides den gesetzmäßigen Zustand im Bereich der Grundstücke des Kurzentrums B durch die in diesem Bescheid detailliert vorgeschriebenen Maßnahmen wiederherzustellen, damit die Beeinträchtigung fremder Rechte durch die bewirkte Grundwasserabsenkung rückgängig gemacht, die Grundwasserableitung in den Regenwasserkanal auf das ursprüngliche Maß reduziert und eine näher beschriebene konsenslose Nutzwasserentnahme eingestellt werde. Aus der Begründung dieses Bescheides geht hervor, dass die BH in Bezug auf die durch Drainagen bewirkte Grundwasserabsenkung von einer Bewilligungspflicht nach § 40 leg. cit. ausging, in Bezug auf die Grundwasserableitung in den Regenwasserkanal eine solche nach § 32 Abs. 2 lit. a WRG 1959 und wegen der Benutzung des (näher genannten) Quellwassers eine Bewilligungspflicht nach § 9 Abs. 2 WRG 1959 annahm.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung und brachte vor, der angefochtene Bescheid gründe sich auf ein nicht ausreichendes Ermittlungsverfahren. Auf gegenteilige Beweisergebnisse werde nicht Rücksicht genommen und der Bescheid lasse eine Beweiswürdigung vermissen. Keine der von der BH genannten Bewilligungspflichten lägen vor; so seien die Entwässerungsmaßnahmen nicht nach § 40 Abs. 1 WRG 1959 bewilligungspflichtig; es liege allenfalls eine zu tief ausgehobene Baugrube und keine Entwässerungsanlage vor.

Die belangte Behörde holte das Gutachten eines bautechnischen Amtssachverständigen vom 25. Oktober 2012 ein, der sich allgemein mit Sinn und Zweck von Drainageleitungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Bauwerken beschäftigte. Unter Hinweis auf Stellungnahmen des wasserbautechnischen und geohydrologischen Amtssachverständigen, wonach durch die Einbringung einer Drainageschicht in den Fanggraben und unter dem gesamten Bauwerk die Wegigkeiten zwischen den Kluftsystemen I, II III und IV und der Harzbergstörung geschaffen worden seien, der Zweck der Auftriebsbegrenzungsdrainage die Verhinderung des Ansteigens des Grundwassers im Bereich des neu errichteten Kurzentrums über eine gewisse Höhe sei, meinte der bautechnische Sachverständige weiter, diesen Unterlagen sei zu entnehmen, dass die Wasserhaltungsmaßnahmen für eine trockene Baugrube nur während der unmittelbaren Bauphase der Tiefgarage erforderlich seien. Auf Grund der allgemeinen Ausführungen und der zitierten Feststellungen der Amtssachverständigen sei der Schluss zu ziehen, dass es sich bei den Drainageschichten und Leitungen um eine Entwässerungsanlage eines Bauobjektes handle.

Die Beschwerdeführer erstatteten zu diesem Gutachten keine Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. Februar 2013 wurde der Bescheid der BH vom 3. August 2011 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos aufgehoben.

Die belangte Behörde begründete dies damit, dass alle im Bescheid vom 3. August 2011 angeführten Maßnahmen ausschließlich die Drainageschichten und Drainageleitungen sowie eine im Zusammenhang damit stehende Wasserentnahme aus dem Drainagesystem beträfen. Dafür sei allein der Bewilligungstatbestand nach § 40 Abs. 1 WRG 1959 einschlägig. Aus der bautechnischen Stellungnahme vom 25. Oktober 2012 ergebe sich, dass nach bautechnischer Meinung die gegenständlichen Drainageschichten und -leitungen eine Entwässerungsanlage eines Bauobjektes seien. Begründend werde unter anderem dazu ausgeführt, dass im Bestandsplan aus dem Jahr 2003 eine Auftriebsbegrenzungsdrainage eingetragen sei und diese das Ansteigen des Grundwassers im Bereich des neu errichteten Kurzentrums über eine gewisse Höhe verhindern solle und somit die Auftriebssicherheit des Gebäudes gewährleiste.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien Entwässerungsanlagen von Bauobjekten keine Wasseranlagen im Sinne des § 40 WRG 1959 (vgl. VwGH vom 19. März 1959, 792/55). Auf diese Anlagen seien die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes nicht anzuwenden (vgl. Slg 3288/1905). Für solche Anlagen seien die zuständigen Baubehörden zum Einschreiten berufen. Allenfalls könne auch das ordentliche Gericht angerufen werden. Die Wasserentnahme aus dem Drainagesystem unterliege demselben Rechtsregime wie die Drainageanlagen und es sei daher eine Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im vorliegenden Fall stellten die Beschwerdeführer als Betroffene im Sinn des § 138 Abs. 6 WRG 1959 einen Antrag auf Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrages gemäß § 138 Abs. 1 leg. cit. Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid nun die Ansicht, die von den Beschwerdeführern als unzulässige Neuerung dargestellte Situation stelle gar keinen wasserrechtlich bewilligungspflichtigen Tatbestand dar, weil es sich dabei (lediglich) um die Entwässerungsanlage eines Bauobjektes handle und daher keine Bewilligungspflicht nach dem allein in Frage kommenden § 40 leg. cit. vorliege. Mit dieser Begründung wurde der Erstbescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.

Bereits mit dieser "ersatzlosen Behebung" des Erstbescheides nach § 66 Abs. 4 AVG verkannte die belangte Behörde die Rechtslage.

Liegt dem erstinstanzlichen Bescheid - wie im Beschwerdefall -

ein Parteienantrag zu Grunde, so hat die Berufungsbehörde in Handhabung des § 66 Abs. 4 AVG grundsätzlich über diesen Antrag eine Sachentscheidung zu treffen. Die ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides allein wird diesem Erfordernis in aller Regel nicht gerecht. Die ersatzlose Behebung eines unterinstanzlichen Bescheides unter Berufung auf § 66 Abs. 4 AVG führt nämlich grundsätzlich dazu, dass die Unterbehörde über den Gegenstand nicht mehr neuerlich entscheiden darf. Aus der Begründung des eine ersatzlose Behebung gemäß § 66 Abs. 4 AVG aussprechenden Berufungsbescheides kann sich zwar eine Situation ergeben, wonach ein der Entscheidung zu Grunde liegender Antrag wieder unerledigt, aber neuerlich von der Unterinstanz meritorisch zu erledigen ist. Fehlen jedoch die rechtlichen Voraussetzungen für eine ersatzlose Behebung der erstinstanzlichen Erledigung und wäre daher ein Abspruch über den dem Bescheid zu Grunde liegenden Sachantrag des Beschwerdeführers zu tätigen gewesen, wird der Bescheid der Berufungsbehörde in der Regel mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet sein. Eine bloße - nicht auf § 66 Abs. 2 AVG gegründete - Behebung vorinstanzlicher Bescheide hätte nämlich - wie dargelegt - zur Folge, dass die Unterbehörde über den Gegenstand nicht mehr neuerlich entscheiden darf und dass somit der auf die Entscheidung der Vorinstanz Bezug habende Parteienantrag unerledigt bliebe (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 2001, 2000/05/0063, und vom 27. Juni 2006, 2005/05/0374, mwN).

Im vorliegenden Fall ging die belangte Behörde angesichts der von ihr angenommenen wasserrechtlichen Bewilligungsfreiheit der Entwässerungsanlage nicht von der Notwendigkeit einer neuerlichen Entscheidung der Unterinstanz aus, sodass der Antrag der Beschwerdeführer als Folge der ersatzlosen Behebung des Berufungsbescheides unerledigt bliebe.

Fehlen aber die rechtlichen Voraussetzungen für eine ersatzlose Behebung der erstinstanzlichen Erledigung und wäre daher ein Abspruch über die dem Bescheid zugrundeliegenden Sachanträge der Beschwerdeführer (allenfalls in Form einer Zurückweisung) zu tätigen gewesen, erweist sich der Bescheid der Berufungsbehörde, mit dem der Erstbescheid ersatzlos behoben wurde, als rechtswidrig (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 9. September 1993, 93/01/0044, und vom 27. Juni 2006, 2005/05/0374).

Bereits aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.

2. § 40 WRG 1959 hat folgenden Wortlaut:

"§ 40. (1) Entwässerungsanlagen bedürfen der wasserrechtlichen Bewilligung, sofern es sich um eine zusammenhängende Fläche von mehr als 3 ha handelt oder eine nachteilige Beeinflussung der Grundwasserverhältnisse des Vorfluters oder fremder Rechte zu befürchten ist.

(2) Die zeitweilige oder ständige Entwässerung von Flächen bei Tunnelanlagen oder Stollenbauten in einem Karst- oder Kluftgrundwasserkörper bedarf einer wasserrechtlichen Bewilligung, wenn die maximale hydraulische Leistungsfähigkeit der zu installierenden Einrichtungen für die Förderung oder Ableitung des Wassers größer ist als 20 l/s oder wenn die über diese Einrichtungen jährlich maximal ableitbare Wassermenge größer ist als 10% der mittleren Grundwasserneubildung des von der Maßnahme betroffenen Teiles des Karst- oder Kluftgrundwasserkörpers.

(3) Bei der Bewilligung finden die Vorschriften des § 12 Abs. 3 und 4, bei der Auflassung jene des § 29 sinngemäß Anwendung.

(4) ..."

2.1. Nach § 40 Abs. 1 WRG 1959 liegt eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht bereits dann vor, wenn durch die Entwässerungsanlage eine nachteilige Beeinflussung der Grundwasserverhältnisse des Vorfluters oder fremder Rechte zu befürchten ist. Die Beeinflussung der Grundwasserverhältnisse fremder Rechte war im vorliegenden Fall - dies ist unbestritten - nicht nur zu befürchten; eine solche ist auch eingetreten.

Fraglich ist, ob die den Gegenstand des wasserpolizeilichen Auftrags bildenden Drainageschichten und -leitungen samt der Wasserentnahme aus dem Drainagesystem (auch als "Auftriebsbegrenzungsdrainage" bezeichnet) eine Entwässerungsanlage nach § 40 WRG 1959 darstellten oder nicht. Die belangte Behörde ging, gestützt auf ein bautechnisches Gutachten, davon aus, dass es sich im vorliegenden Fall um die Entwässerungsanlagen von Bauobjekten handle, weshalb § 40 leg. cit. nicht anwendbar erscheine.

Nun sieht § 40 Abs. 1 WRG 1959 eine Differenzierung dahingehend, ob es sich bei der Entwässerungsanlage um diejenige eines Bauobjektes handelt oder nicht, nicht vor; die zitierte Gesetzesstelle bietet für die Ansicht der belangten Behörde daher keine Grundlage.

2.2. Für eine solche Bewilligungspflicht spricht darüber hinaus auch der Umstand, dass dieser Begriff - wie zu zeigen sein wird - im Lauf der Zeit einen über bloße Meliorationsmaßnahmen hinausgehenden Inhalt gewonnen hat.

Die belangte Behörde stützte ihre Ansicht auf zwei Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, und zwar auf das Erkenntnis vom 19. März 1959, 792/55, und auf das Erkenntnis vom 7. Februar 1905, Zl. 1299, Slg 3288. Diese Entscheidungen ergingen zum einen auf Grundlage des WRG 1934 (dessen § 36 Regelungen über die Entwässerungsanlagen enthielt) bzw. zum anderen auf Grundlage des § 41 des Böhmischen Landeswasserrechtsgesetzes 1870 (Böhmisches LWRG 1870).

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 1905 befasste sich mit der Verrohrung eines ursprünglich offenen Kanals, dessen Aufgabe die Ableitung von Quell- und Sickerwasser aus einer Bau- und einer Gartenparzelle war. Dies wurde als "Entwässerungsanlage über einen Hofraum und über Hausgärten" qualifiziert, und vor dem Hintergrund mehrerer Bestimmungen des Böhmischen LWRG als nicht diesem Gesetz unterliegend qualifiziert. Entscheidend war offenbar der Umstand, dass nach § 32 Abs. 2 des Böhmischen LWRG 1870, der auch für Entwässerungsanlagen galt, für Gebäude mit den dazu gehörenden Hofräumen und Hausgärten keine Zwangsrechtseinräumung in Frage kam. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass Vorrichtungen dieser Art (Entwässerungsanlagen über Hofräume und Hausgärten) gar nicht der Ingerenz der Wasserrechtsbehörde unterlagen. Diese Entscheidung blieb - wie zu zeigen ist - vereinzelt und kann keine Interpretationshilfe für das Verständnis des Begriffs "Entwässerungsanlage" nach dem WRG 1959 bieten.

Im Geltungsbereich des Böhmischen LWRG 1870 bzw. des RWRG 1870 wurde der Begriff der "Entwässerungsanlage" (§ 40 des RWRG bzw. § 41 des Böhmischen LWRG 1870) nicht ausdrücklich definiert; diese Bestimmungen enthalten lediglich einen allgemeinen Verweis darauf, dass alle Bestimmungen über Bewässerungsanlagen auch für Entwässerungsanlagen Gültigkeit haben.

Zum Begriff der "Entwässerungsanlage" finden sich in Peyrer, Das Österreichische Wasserrecht, Wien 1886, Ausführungen zu der mit "Entwässerungsanlagen" überschriebenen Bestimmung des § 40 des RWRG 1870 dahingehend, dass dieser Ausdruck in einem weiteren und engeren Sinn gebraucht werde. Im weiteren Sinn verstehe man unter Bewässerung jede künstliche Zuführung, unter Entwässerung jede künstliche Abführung von Wasser von einem Orte zum anderen. Man spreche daher auch von der Bewässerung und Entwässerung von Brunnen, Teichen und Kanälen, von Ortschaften, Gebäuden und Grundstücken ohne Rücksicht auf den Zweck der Leitung. Im engeren Sinne bezögen sich die beiden Ausdrücke auf die landwirtschaftliche Melioration von Grundstücken. Unter Entwässerung der Grundstücke verstehe man daher die Ableitung des Wassers, welches sich auf einem gewissen Grundstücke oder auf mehreren solchen Grundstücken bleibend befinde, es möge sich dasselbe offen in Sümpfen, Teichen, Lachen, Gruben oder unterirdisch als Grundwasser in Grund und Boden sich befinden, ohne in Quellen auszubrechen (vgl. aaO, S. 393).

Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass man unter Entwässerung im weiteren Sinn zwar auch die Entwässerung von Gebäuden verstand; eine nähere Erläuterung dahingehend, was genau mit der "Entwässerung von Gebäuden" gemeint sei, findet sich aber nicht.

Das weiters erwähnte Erkenntnis aus dem Jahr 1959 bezieht sich auf die Rechtslage nach dem WRG 1934. Dort waren Entwässerungsanlagen in § 36 geregelt; eine Bewilligungspflicht war im Fall der Befürchtung einer nachteiligen Beeinflussung der Grundwasserverhältnisse vorgesehen.

In Haager/Vanderhaag, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 1934, Wien 1936, wird ebenfalls ein weites und engeres Verständnis des Begriffs Entwässerungsanlage dargelegt. Demnach sei unter Entwässerungsanlage im weiteren Sinn die Beseitigung des schädlichen Wassers, das sich auf einem oder mehreren Grundstücken andauernd befinde und im Interesse der Hebung der landwirtschaftlichen Produktion von diesen Grundstücken abgeleitet werden müsse, somit die Abfuhr des Wassers von einem Ort zum anderen zu verstehen, während man unter Entwässerung im engeren Sinn die landwirtschaftliche Melioration von Grundstücken verstehe. Ausdrücklich werde darauf hingewiesen, dass unter Entwässerungsanlagen die Erschließung und Benutzung von Grundwasser im Sinne des § 10 Abs. 1 und 2 WRG 1934 und die Ableitung von Abwässern im Sinne des § 9 Abs. 1 leg.cit. nicht verstanden werde (vgl. aaO, S. 285).

Dieses Begriffsverständnis scheint den Begriff der "Entwässerungsanlage" auf Maßnahmen zur Verbesserung der Bewirtschaftung von Böden einzuschränken.

Was nun das Erkenntnis vom 19. März 1959, 792/55, betrifft, so handelte es sich dort bei der verfahrensgegenständlichen "Entwässerungsanlage" um eine Kanalisationsanlage zur Ableitung von Abwässern, eine solche fiel nach dem Aufbau des WRG 1934 und nach dem Obgesagten aber nicht unter den Begriff einer Entwässerungsanlage nach § 36 WRG 1934. Eine inhaltsgleiche Aussage wie dem Erkenntnis aus dem Jahr 1905 ist dieser Entscheidung daher nicht zu entnehmen, handelte es sich doch dabei um eine andere Art von "Entwässerungsanlage."

Die Annahme, Entwässerungsanlagen von Bauobjekten bedürften grundsätzlich keiner wasserrechtlichen Bewilligung, kann daher mit den beiden genannten Judikaten nicht überzeugend belegt werden, auch wenn die Erläuterungen, insbesondere zum WRG 1934, eher den Schluss zulassen, dass unter diesem Begriff damals Maßnahmen verstanden wurden, die der Verbesserung des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens dienen sollten.

Entscheidend ist aber das Begriffsverständnis nach dem WRG 1959. Hiezu findet sich bereits in Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, Wien 1962, S. 185, das in den Kommentaren zu den Vorgängerbestimmungen noch vertretene engere Begriffsverständnis (bzw. die Differenzierung von Anlagen in einem weiteren und engeren Sinn) nicht mehr. Unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien heißt es dort uneingeschränkt, dass Entwässerungsanlagen Anlagen seien, die der Beseitigung des auf einem Grundstück vorhandenen Wassers dienten. Mit welchen technischen Maßnahmen dieser Erfolg erzielt werden solle, sei ohne Bedeutung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat schließlich im Erkenntnis vom 14. März 1995, 92/07/0162, zur Errichtung von Anlagen zur Ableitung der Oberflächenwässer eines Straßenkörpers die Ansicht vertreten, dass die Einleitung der anfallenden Straßenoberflächenwässer in einen bestehenden Vorflutkanal, der in Fischteiche führt, eine bewilligungspflichtige Maßnahme nach § 32 Abs. 2 lit. a WRG 1959 und nicht nach § 40 WRG 1959 darstelle. Von der vorliegenden Anlage unterschieden sich Anlagen der in § 40 Abs. 1 WRG 1959 bezeichneten Art insoweit, als durch letztere Bestimmung nur solche Herstellungen erfasst würden, die der Veränderung des bisherigen Wasserhaushaltes eines Gebietes zugunsten der Herabsetzung seines Wassergehaltes zu dienen bestimmt seien. Entwässern im Sinne von § 40 Abs. 1 WRG 1959 bedeute die künstliche - weil erst durch eine Anlage (etwa eine Drainage) zu bewirkende - Herabsetzung des Wassergehaltes eines wasserreichen Gebietes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1970, 1027/68). Bezeichnend für eine solche Anlage sei somit ein Eingriff in den bestehenden Feuchtigkeitshaushalt einer Landschaft. Ein solcher Eingriff sei mit der Anlage (Entwässerung der Straßenoberfläche) nicht verbunden.

Unter diese allgemeine Definition von Entwässerungsanlagen (künstliche Herabsetzung des Wassergehaltes eines wasserreichen Gebietes) fällt aber auch die Entwässerung von Bauobjekten durch wie hier eine Auftriebsbegrenzungsdrainage.

Diese Ansicht vertreten auch Oberleitner/Berger, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 19593, Rz 7 zu § 40; demnach fällt das gezielte Absenken des örtlichen Grundwasserspiegels zur Erleichterung von Baumaßnahmen zB durch Absenkbrunnen und Hebewerke - vor allem bei Beeinträchtigung fremder Rechte - unter § 40 Abs. 1 WRG 1959.

Die im angefochtenen Bescheid vertretene, gegenteilige Ansicht erscheint daher weder durch aktuelle Rechtsprechung noch durch die geltende Rechtslage gedeckt.

Ob in Hinblick auf die geplante dauerhafte Ableitung von Grundwasser eine Bewilligungspflicht nach § 10 Abs. 2 WRG 1959 gegeben wäre, kann dahingestellt bleiben.

3. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist darauf zu verweisen, dass - wie auch aus der Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen ableitbar - im vorliegenden Fall nicht vom Trockenhalten von Baugruben durch Drainagierungen im Zuge der Ausführung eines Baues und beschränkt auf den Zeitraum der Bauerrichtung die Rede ist.

4. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig; er war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. Oktober 2013

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