VwGH 2013/06/0098

VwGH2013/06/009820.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, in den Beschwerdesachen der B, vertreten durch Mag. Michaela Speer, Rechtsanwältin in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen die Bescheide der Salzburger Landesregierung

1.) vom 12. September 2012, Zl. 20704-07/666/3-2012 (hg. Zl. 2013/06/0038), betreffend Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme, und vom 2.) 12. September 2012, Zl. 20704-07/666/2- 2012 (hg. Zl. 2013/06/0039), betreffend Ersatzvornahme, sowie gegen den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg 3.) vom 3. September 2012, Zl. MD/00/44385/2012/004 (BBK/16/2012) (hg. Zl. 2013/06/0040), betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung eines Abbruchbescheides (weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden abgewiesen.

Begründung

1. Mit Schriftsätzen vom 15. Oktober 2012, die am

19. bzw. 29. Oktober 2012 beim Verfassungsgerichtshof einlangten, erhob die Beschwerdeführerin Beschwerden gegen die obgenannten Bescheide der Salzburger Landesregierung vom 12. September 2012, betreffend die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme und die Ersatzvornahme, sowie gegen den obgenannten Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom 3. September 2012, betreffend die Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung eines Abbruchbescheides.

2. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 26. November 2012, B 1288/12-3, B 1308/12-3 und B 1309/12-3, die Behandlung der Beschwerden ab und trat sie mit gleichlautenden Beschlüssen vom 22. Februar 2013, B 1288/12-5, B 1308/12-5 und

B 1309/12-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

3. Mit gleichlautenden Verfügungen vom 4. März 2013 (zugestellt am 19. März 2013), Zlen. 2013/06/0038 bis 0040-2, erging an die Beschwerdeführerin die Aufforderung, die Mängel der gegen die angefochtenen Verwaltungsakte eingebrachten Beschwerden zu beheben. Zur Behebung dieser Mängel wurde eine Frist von sechs Wochen, vom Tage der Zustellung der Verfügung an gerechnet, bestimmt, wobei die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Beschwerde gelte.

4. Mit Beschluss vom 16. Mai 2013, Zlen. 2013/06/0038 bis 0040-5, wurde das Verfahren über die Beschwerden gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG mangels Erfüllung des Verbesserungsauftrages eingestellt.

5. Mit den nun vorliegenden, zu den hg. Zlen. 2013/06/0098 bis 0100 protokollierten, gleichlautenden Anträgen wird die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Mängelbehebung der Beschwerden gegen die Bescheide der Salzburger Landesregierung vom 12. September 2012 und den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom 3. September 2012 beantragt und gleichzeitig die versäumte Prozesshandlung in der Form nachgeholt, dass die Verfahrenshilfeformulare übermittelt und der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang zur Mängelbehebung der eingebrachten Beschwerden gestellt wird.

Begründet wird der Antrag auf Wiedereinsetzung (gleichlautend) damit, dass der ausgewiesenen Rechtsvertreterin der Beschluss auf Verfahrenseinstellung (vom 16. Mai 2013) am 24. Mai 2013 zugestellt worden sei. Dies sei der früheste Zeitpunkt gewesen, davon Kenntnis zu erlangen, dass die Mängelbehebungsfrist verstrichen sei, ohne dass eine entsprechende Verbesserung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet worden sei. Die Wiedereinsetzungsfrist im Sinne des § 46 VwGG sei daher gewahrt.

Die Beschwerdeführerin, die Hausfrau, Mutter von zwei Kindern und verheiratet sei, habe sich entschlossen, für die Verbesserung der bereits eingebrachten Beschwerden um Verfahrenshilfe im vollen Umfang anzusuchen. Die bisherige Zusammenarbeit mit ihrer nunmehrigen Vertreterin sei einvernehmlich beendet worden. Innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Mängelbehebungsfrist habe die Beschwerdeführerin daher Verfahrenshilfeformulare ausgefüllt, mit den entsprechenden Belegen versehen und in einem Kuvert zum Absenden an den Verwaltungsgerichtshof hergerichtet. Dieses Kuvert habe sie ihrem Mann, der als LKW-Fahrer beruflich tätig sei, mitgegeben, damit er es bei Beginn seiner Tour für die Beschwerdeführerin beim nächstgelegenen Postamt eingeschrieben aufgeben könne. Die Beschwerdeführerin habe sich immer blindlings auf ihren Mann, der grundsätzlich bei Behördengängen und der Handhabung seiner und der die Familie betreffenden Papiere sehr ordentlich umgehe, verlassen können. Er habe das Kuvert in die Mittelkonsole des LKW gelegt, das Kuvert dürfte jedoch bei einem Bremsvorgang nach hinten gerutscht sein, sodass er es nicht mehr im Blickfeld gehabt habe. Stressbedingt, auf Grund des erheblichen Verkehrsaufkommens und des Drucks seines Arbeitsgebers, rechtzeitig den Abladetermin zu erreichen, habe er das Kuvert vergessen und es nicht zur Post gegeben. Die kurzen Telefonate während der mehrtägigen Abwesenheit hätten sich aus Kostengründen auf kurze Nachfragen, wie es den Kindern gehe, beschränkt. Die Beschwerdeführerin habe sich auf ihren Gatten verlassen, dieser habe jedoch bedauerlicherweise das Kuvert im hinteren, nicht einsichtigen Bereich der Konsole des LKW vergessen.

Es handle sich um eine einmalige, entschuldbare Fehlleistung des Gatten der Beschwerdeführerin, welches im Sinn einer Wiedereinsetzung unvorhergesehen und unabwendbar sei.

6. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. der Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Wer darüber hinaus einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. zum Ganzen den hg. Beschluss vom 2. Juli 2010, Zl. 2010/17/0049, mwN).

7. Das im Antrag auf Wiedereinsetzung enthaltene Vorbringen ist im Lichte der zitierten Rechtsprechung nicht geeignet, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes glaubhaft zu machen:

Die Beschwerdeführerin hat die mit 17. April 2013 datierten Verfahrenshilfeformulare ihrem Ehemann zur Postaufgabe anvertraut. Dieser hat jedoch auf die Postaufgabe vergessen, wobei dies zum einen mit Stress durch die Arbeitssituation und zum anderen dadurch begründet wird, dass er das Kuvert im LKW nicht mehr im Blickfeld gehabt habe. Es kann dahinstehen, ob dieses Geschehen für sich geeignet wäre, einen Wiedereinsetzungsgrund darzustellen. Dass nämlich nach einer "mehrtägigen Abwesenheit" des Ehemannes (dies wird in keiner Weise näher konkretisiert, die Übergabe der Postsendung an den Ehemann wird aber wohl zeitnahe zur Unterfertigung am 17. April 2013 anzunehmen sein) die Frage der Postaufgabe bei der Beschwerdeführerin derart in Vergessenheit geraten konnte, dass erst mit Zustellung des Beschlusses auf Verfahrenseinstellung an die Rechtsvertreterin am 24. Mai 2013 die vergessene Postaufgabe entdeckt wurde, stellt ein Außerachtlassen der im Verkehr mit Gerichten bzw. Behörden erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt in einem Maß dar, die nur als auffallend sorglos bezeichnet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 98/05/0083, mwN).

Das von der Beschwerdeführerin als Grund für die Versäumung der Mängelbehebungsfrist geltend gemachte Ereignis stellt daher keinen Umstand dar, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnte.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war somit nicht stattzugeben.

Wien, am 20. Juni 2013

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