Normen
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 2001 §120 Abs1;
GdO Tir 2001 §120 Abs5;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 2001 §120 Abs1;
GdO Tir 2001 §120 Abs5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 10. Jänner 2012 beantragte die mitbeteiligte Gemeinde, vertreten durch den Bürgermeister-Stellvertreter, als Straßenverwalter beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Straßenbehörde, den Abstand der Einfriedung zur Gemeindestraße Grundstück Nr. 4387/4 im Bereich St. 36 mit 0,75 m festzusetzen, weil die Schutzinteressen der Gemeindestraße dies erforderten.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. März 2012 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, die auf seinen Grundstücken Nr. 2310/1 und 2315/6 entlang der Grundgrenze zur Gemeindestraße Grundstück Nr. 4387/4 vorhandene Einfriedung zu entfernen und in einem Abstand von mindestens 0,75 m zu errichten.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers vom 16. April 2012 wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Mai 2012 als unbegründet abgewiesen.
Über Vorstellung des Beschwerdeführers vom 22. Juni 2012 behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 13. August 2012 den vorgenannten Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde (erster Vorstellungsbescheid).
Zur Begründung führte belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Errichtung einer Einfriedung könne nach Tiroler Straßengesetz dem Grundstückseigentümer nicht aufgetragen werden, weshalb der Beschwerdeführer in Rechten verletzt worden sei.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit hg. Beschluss vom 18. Oktober 2012, Zl. 2012/06/0178, zurückgewiesen, weil jener Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides, welcher Bindungswirkung entfaltete, vom Beschwerdeführer nicht bekämpft wurde und, insoweit sich die Beschwerde gegen jene Teile der Begründung des angefochtenen Bescheides richtete, die keine Bindungswirkung entfalteten, es an der Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Beschwerdeführers fehlte.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. September 2012 (Beschlussfassung 3. September 2012) wurde in weiterer Folge der Berufung Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass gemäß § 49 Abs. 5 Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989 idF LGBl. Nr. 101/2006, der Abstand für Einfriedungen von der Gemeindestraße Grundstück Nr. 4387/4 im Bereich der Grundstücke Nr. 2315/6 und 2310/1 KG K auf Antrag des Straßenverwalters mit 0,75 m festgelegt (Spruchpunkt 1.) und dem Beschwerdeführer der Auftrag erteilt wurde, innerhalb einer Frist von zwei Wochen - gerechnet vom Tage der Zustellung des Bescheides an - die auf seinen Grundstücken Nr. 2310/1 und 2315/6 entlang der Grundgrenze zur Gemeindestraße Gst. Nr. 4387/4 vorhandene Einfriedung zu entfernen (Spruchpunkt 2.).
In seiner Vorstellung vom 4. Oktober 2012 machte der Beschwerdeführer (u.a.) geltend, dass die Begründung des Bescheides des Gemeindevorstandes nach seinen Informationen keine Deckung im Beschluss des Gemeindevorstandes finde und insofern die Vorlage des bezughabenden Gemeindevorstandsprotokolls beantragt werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. März 2013 wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab (zweiter Vorstellungsbescheid).
Begründend legte die belangte Behörde (u.a.) dar, dass durch die ordnungsgemäße Fertigung des Bescheides durch den Vorsitzenden des Gemeindevorstandes der Wille des Gemeindevorstandes zum Ausdruck gebracht werde, weshalb sich die Vorlage des Gemeindevorstandsprotokolls erübrige.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die mitbeteiligte Gemeinde hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse bei einer Entscheidung einer Kollegialbehörde sowohl Spruch als auch Begründung eines Bescheides durch die Beschlussfassung gedeckt sein. Er habe in seiner Vorstellung vorgebracht, dass die Berufungsentscheidung keine Deckung im Beschluss des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde finde. Diesbezüglich sei die Vorlage des bezughabenden Gemeindevorstandsprotokolls beantragt worden. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, die Vorlage des Gemeindevorstandsprotokolls erübrige sich, hätte zur Konsequenz, dass eine mangelhafte Willensbildung einer Kollegialbehörde nicht bekämpfbar wäre.
Erledigungen eines Kollegialorganes bedürfen eines Beschlusses desselben. Üblicherweise erfolgt die Willensbildung einer Kollegialbehörde durch den Gesamtakt einer sich an die gemeinsame Erörterung der zu entscheidenden Angelegenheiten anschließenden Abstimmung. Die Willensbildung durch eine Kollegialbehörde umfasst freilich nicht nur den Spruch, sondern auch den Inhalt und damit die wesentliche Begründung einer Erledigung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2015, Zl. 2012/011/0082, sowie auch das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2005/05/0293).
Liegt einem Bescheid, der einem Kollegialorgan zugerechnet werden soll, kein entsprechender Beschluss dieses Organes zu Grunde, dann ist der Bescheid so zu betrachten, als ob er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 2012, Zl. 2011/06/0099, sowie die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) zu § 56 AVG unter E 51 zitierte hg. Judikatur).
Zufolge (des im Beschwerdefall noch maßgeblichen) § 120 Abs. 1 und 5 der Tiroler Gemeindeordnung 2001, LGBl. Nr. 36/2001, hat die Aufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren zu prüfen, ob durch den bei ihr angefochtenen Bescheid der Gemeindebehörde Rechte des Vorstellungswerbers verletzt werden sowie gegebenenfalls den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Rechte des Vorstellungswerbers werden auch dadurch verletzt, dass im gemeindebehördlichen Verfahren nicht die zuständige Behörde entscheidet (vgl. dazu schon das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1975, Zl. 1250/75).
Da es die belangte Behörde unterließ zu prüfen, ob der Bescheid vom 19. September 2012 auf einem entsprechenden Beschluss (auch hinsichtlich der Begründung) des Gemeindevorstandes beruht und insofern von der zuständigen Behörde erlassen wurde, wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt. Der Hinweis auf die ordnungsgemäße Fertigung der Berufungsentscheidung durch den Vorsitzenden des Gemeindevorstandes ist keine derartige Prüfung.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).
Wien, am 5. November 2015
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