VwGH 2013/04/0139

VwGH2013/04/013920.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator, sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des M H in W, vertreten durch die Melicharek Rechtsanwalts GmbH in 1070 Wien, Gardegasse 11/4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 5. Juli 2013, Zl. BMWFJ-29.400/0071-C2/2/2013, betreffend Versagung der Erteilung einer Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs2;
AuskunftspflichtG 1987 §1;
AuskunftspflichtG 1987 §4;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art20 Abs3;
B-VG Art20 Abs4;
VwGG §36;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Schreiben vom 13. Februar 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Übermittlung der Liste "aller Unternehmen mit vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) anerkannten Eurofighter-Gegengeschäften". Für den Fall einer Verweigerung der Auskunftserteilung stellte er den Antrag auf Ausstellung eines Bescheides gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Juli 2013 stellte die belangte Behörde fest, dass dem Antragsteller ein Recht auf Übermittlung einer solchen Liste nicht zukomme und vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend eine Auskunft nicht erteilt werde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, nur gesichertes Wissen könne Gegenstand einer Auskunftserteilung sein. Dem BMWFJ liege keine abschließende Liste von Unternehmen mit vom BMWFJ anerkannten Eurofighter-Gegengeschäften vor. Die Abwicklung des Gegengeschäftsvertrages und die Anerkennung einzelner Gegengeschäfte seien Gegenstand laufender Verfahren vor verschiedenen Bundesbehörden. Auch die Staatsanwaltschaft führe derzeit Ermittlungen durch, in deren Zusammenhang die Gegengeschäfte einer Prüfung unterzogen würden. Die Veröffentlichung von Unternehmen mit anerkannten Gegengeschäften könnte die anhängigen Verfahren - insbesondere die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft - nachteilig beeinflussen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung seines Rechts auf Auskunft gemäß Art. 20 Abs. 4 B-VG sowie gemäß der §§ 1 ff Auskunftspflichtgesetz geltend. Die belangte Behörde führe in ihrem Bescheid mehrere Punkte an, die der beantragten Auskunftserteilung entgegenstünden, ohne diese einem der Verschwiegenheitstatbestände des Art. 20 Abs. 4 B-VG zu unterstellen.

Der Umstand, dass die im Gegengeschäftsvertrag vereinbarte Kompensationshöhe noch nicht erreicht und die Vertragserfüllung noch nicht abgeschlossen sei, stehe einer Auskunftserteilung nicht entgegen. Der Beschwerdeführer habe nicht die Übermittlung der endgültigen Liste der anerkannten Gegenschäfte beantragt, sondern die Übermittlung der zum Zeitpunkt der Antragstellung vom BMWFJ anerkannten Gegengeschäfte.

Betreffend die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sei anzumerken, dass Art. 20 Abs. 3 B-VG zwar den Verschwiegenheitstatbestand der Vorbereitung einer Entscheidung normiere. Dieser komme aber nur dann zum Tragen, wenn ohne die Verschwiegenheit eine rechtmäßige bzw. zweckmäßige Entscheidung einer Behörde unmöglich oder wesentlich erschwert würde. Aus dem Bescheid der belangten Behörde gehe nicht hervor, inwiefern die beantragte Auskunftserteilung die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft beeinträchtige.

Soweit die Behörde die im Gegengeschäftsvertrag vereinbarte Vertraulichkeit ins Treffen führe, sei anzumerken, dass eine Verschwiegenheitspflicht dann bestehe, wenn das Interesse der Vertragsparteien an der Geheimhaltung überwiegend sei. Die belangte Behörde habe verabsäumt, die einfach- und verfassungsgesetzlich gebotene Interessenabwägung durchzuführen, weshalb ein Begründungsmangel vorliege.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichte Abweisung der Beschwerde.

 

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Da es sich beim vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nicht um einen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, handelt, sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

4.2. Art. 20 Abs. 3 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2010 lauten auszugsweise:

"(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.

(4) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; (...)"

§ 1 Auskunftspflichtgesetz (APG) in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:

"§ 1. (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden."

4.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann nur gesichertes Wissen - sei es im tatsächlichen, sei es im rechtlichen Bereich - Gegenstand einer Auskunft (nach dem Auskunftspflichtgesetz) sein. Auskunftserteilung bedeutet somit die Weitergabe von Informationen, die der Behörde - aus dem Akteninhalt - bekannt sind und nicht erst zum Zweck der Erfüllung der Auskunftspflicht beschafft werden müssen. Die Verwaltung ist keinesfalls zu umfangreichen Ausarbeitungen oder zur Erstellung von (Rechts‑)Gutachten verpflichtet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Oktober 2000, 98/01/0473 und vom 15. September 2006, 2004/04/0018, jeweils mwN). Auch Umstände eines noch nicht abgeschlossenen Willensbildungsprozesses können nicht Gegenstand einer Auskunft im Sinne des § 1 Auskunftspflichtgesetz sein. Die Mitteilung von bloßen Absichten, die noch nicht zur Verwirklichung derselben gediehen sind, könnte dem gesetzlichen Ziel einer sicheren Information des Auskunftsersuchenden nicht förderlich sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1997, 96/09/0192 mwN).

4.3.1. Soweit sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf beruft, eine abschließende Liste von Unternehmen mit von ihr anerkannten Eurofighter-Gegengeschäften liege nicht vor, geht sie offenbar davon aus, es handle sich nicht um gesichertes, einer Auskunftserteilung im Sinn des Auskunftspflichtgesetzes zugängliches Wissen.

Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich jedoch weder, dass die bereits anerkannten Eurofighter-Gegengeschäfte nicht aktenkundig seien, noch dass deren Auflistung mit einer umfangreichen Ausarbeitung oder Gutachtenserstellung verbunden wäre. Diese Begründung ist daher nicht nachvollziehbar.

Insoweit die belangte Behörde zudem darauf verweist, dass die Erfüllung des Gegengeschäftsvertrags noch nicht abgeschlossen sei und hinsichtlich der bereits anerkannten Gegengeschäfte nachträgliche Korrekturen möglich seien, wird nicht aufgezeigt, inwiefern dies eine Auskunft betreffend den Stand der Unternehmen mit vom BMWFJ anerkannten Eurofighter-Gegengeschäften zum Zeitpunkt der beantragten Auskunftserteilung hindern sollte.

4.4. Die belangte Behörde führt - offenbar bezugnehmend auf das Vorliegen einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG - laufende Ermittlungen zur Abwicklung des Gegengeschäftsvertrags und Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Unternehmen ins Treffen.

4.4.1. Um dem Zweck der Amtsverschwiegenheit zu entsprechen, erfordert eine gesetzmäßige Bescheidbegründung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht, dass der nach Auffassung der um Auskunft ersuchten Behörde von der Amtsverschwiegenheit betroffene Sachverhalt in der Bescheidbegründung dargelegt wird. Es ist auch nicht erforderlich, dass der geheim zu haltende Sachverhalt auf eine solche Art individualisiert wird, dass er aus der Bescheidbegründung mit Hilfe von dem Auskunftswerber zugänglichen Schlussfolgerungen ermittelt werden kann; derartige Anforderungen würden das Gebot der Amtsverschwiegenheit im konkreten Fall inhaltsleer machen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 2005, 2004/12/0151, und vom 11. November 2009, 2009/04/0223).

Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Begründung des angefochtenen Bescheides auf den bloßen Hinweis auf "laufende Verfahren vor verschiedenen Bundesbehörden" und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, "in deren Zusammenhang die Gegengeschäfte einer Prüfung unterzogen werden". Dem Bescheid ist aber nicht zu entnehmen, inwiefern die bloße Nennung der Unternehmen geeignet sei, laufende Ermittlungen zu beeinträchtigen. Im Übrigen entzieht sich die Begründung im angefochtenen Bescheid wegen des Fehlens einer konkreten Sachverhaltsdarstellung einer rechtlichen Überprüfung und ist daher schon aus diesem Grund nicht tragfähig.

4.4.2. Betreffend die Versagung der Auskunftserteilung wegen vorliegender Geheimhaltungsinteressen der betreffenden Unternehmen ist festzuhalten, dass bei der Beurteilung, ob und inwieweit eine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit dem Auskunftsbegehren entgegensteht, im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG die Interessen der Gebietskörperschaft und der Partei zu berücksichtigen sind. Der Begriff der "Partei" gemäß Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG, auf deren Interessen bei der vorzunehmenden Interessenabwägung Bedacht zu nehmen ist, muss im weitesten Sinn verstanden werden. Auch ein vom Auskunftswerber verschiedener, vom Auskunftsverlangen betroffener Dritter ist als solche anzusehen. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Prüfung, ob Amtsverschwiegenheit der Auskunftserteilung entgegensteht, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei ist das Interesse des Auskunftswerbers an der Erlangung der begehrten Information mit dem Geheimhaltungsinteresse "der Partei" abzuwägen. Stehen einander die beiden Interessenlagen gleichwertig gegenüber, so steht die Amtsverschwiegenheit einer Auskunftserteilung durch die Behörde nicht entgegen; (nur) bei Überwiegen der Geheimhaltungsinteressen der Partei ist der Behörde eine Auskunftserteilung unter dem Titel der Amtsverschwiegenheit verwehrt (vgl. das hg. Erkenntnis 21. September 2005, Zl. 2004/12/0151, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 31. März 2003, Zl. 2000/10/0052, mwN).

In dem angefochtenen Bescheid wird einerseits nicht begründet, inwiefern durch die bloße Mitteilung der an den Gegengeschäften beteiligten Unternehmen deren Interessen verletzt würden. Andererseits gelangt der angefochtene Bescheid zu einer Abweisung des Auskunftsbegehrens, ohne allfällige Interessen der von der Auskunftserteilung betroffenen Partei(en) einer Abwägung mit dem Informationsinteresse des Beschwerdeführers zuzuführen.

Damit unterschreitet der angefochtene Bescheid die Anforderungen an eine im Sinn des § 60 AVG ausreichende, nachvollziehbare Begründung.

5. Die im Zuge der Erstattung einer Gegenschrift getätigten Ausführungen der belangten Behörde vermögen schon deshalb nichts an den der Entscheidung anhaftenden Begründungsmängeln zu ändern, weil die Gegenschrift nicht zur Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheides dient (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2014, 2011/04/0168).

Der Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff iVm § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 20. Mai 2015

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