VwGH 2013/01/0179

VwGH2013/01/017923.9.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, in der Beschwerdesache des A, vertreten durch Mag. Peter Freiberger, Rechtsanwalt in 8680 Mürzzuschlag, Wienerstraße 50-54, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 12. Juli 2006, Zl. MA35/III-S 50/04, betreffend Staatsbürgerschaft, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §9;
ZustG §13 Abs1;
AVG §9;
ZustG §13 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde zufolge der an die belangte Behörde übermittelten Geburtsurkunde ("Birth certificate") am 2. April 1989 in Sidham Mutsadi (Indien) geboren. Seine Mutter ist B, sein Vater ist C.

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 13. Februar 2004 wurde Frau B mit Wirkung vom 2. März 2004 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen und diese Verleihung gemäß § 17 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (ua) auf den Beschwerdeführer erstreckt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Juli 2006 hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer, wohnhaft in Indien, auf die österreichische Staatsbürgerschaft verzichtet und am 8. Juni 2004 nach den §§ 37 und 38 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 30. Dezember 2013 zur Post gegebene Beschwerde.

Zur Rechtzeitigkeit wird darin ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages auf Übermittlung einer Aktenkopie am 4. Dezember 2013 zugestellt worden. Nach der "Bescheiderlassung" im Jahr 2006 sei der Bescheid lediglich "den Adoptiveltern" zugestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei aktenkundig gewesen, dass sich der Beschwerdeführer nicht in Österreich sondern in Indien aufhalte. Der angefochtene Bescheid sei ihm "unmittelbar nach Erlassung im Jahr 2006" nicht zugegangen. Die Beschwerde sei "daher" rechtzeitig erhoben. Durch die Zustellung an "die Wahleltern" sei eine wirksame Zustellung nicht eingetreten. Der Verzicht (gemeint: auf die Staatsbürgerschaft) könne durch "die Wahleltern" nicht abgegeben werden, "was in weiterer Folge bedeutet, dass eine wirksame Zustellung nicht erfolgen kann". Die belangte Behörde habe nicht versucht, (ihm) den Bescheid in Indien zuzustellen. Die Beschwerde sei daher (iS des § 26 Abs. 2 VwGG) rechtzeitig erhoben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens ohne Gegenschrift vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde die Steiermärkische Landesregierung (am 12. Juli 2006) ersuchte, den angefochtenen Bescheid den "gesetzlichen Vertretern (beiden Elternteilen)" des Beschwerdeführers gegen datierte und eigenhändig unterfertigte Empfangsbestätigung auszuhändigen.

Nach einem Aktenvermerk vom 2. August 2006 übernahmen "Herr C und Frau B" an diesem Tag bei der Steiermärkischen Landesregierung den angefochtenen Bescheid und bestätigten dies mit ihren Unterschriften. Die ersuchte Steiermärkische Landesregierung übermittelte (am 5. September 2006) diese Übernahmebestätigung an die belangte Behörde.

Die Beschwerde erweist sich als verspätet.

Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

Personen, die nicht prozeßfähig sind, nehmen durch ihren gesetzlichen Vertreter am Verwaltungsverfahren teil. Wer gesetzlicher Vertreter ist, richtet sich gemäß § 9 AVG primär nach den Verwaltungsvorschriften und subsidiär nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Minderjährige werden grundsätzlich durch ihre Eltern oder den Obsorgebetrauten vertreten (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Auflage 2014) § 9 Rzen 4, 5 und 17 mwN; sowie etwa die hg. Beschlüsse vom 30. Juni 1994, Zl. 93/01/0546; und vom 30. März 2011, Zl. 2007/13/0100; und das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2011, Zl. 2009/01/0049).

Gemäß § 12 IPRG sind die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach deren Personalstatut zu beurteilen.

Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. ist das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht des Staates, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist, wenn eine Person staatenlos ist oder ihre Staatsangehörigkeit nicht geklärt werden kann, das Recht des Staates ihr Personalstatut, in dem sie den gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Gemäß § 21 Abs. 2 ABGB in der Fassung des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 135, sind Minderjährige Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im August 2006 erst 16 Jahre alt und demnach minderjährig. Daher konnte ihm die Behörde einen Bescheid (hier: vom 12. Juli 2006) nicht wirksam zustellen. Ist der materielle Empfänger nicht prozessfähig, ist sein gesetzlicher Vertreter als Empfänger zu bezeichnen und der Bescheid an diesen zuzustellen.

Der angefochtene Bescheid wurde (unstrittig) am 2. August 2006 an die Eltern des Beschwerdeführers zugestellt. Diese Zustellung, die an die gesetzlichen Vertreter des noch minderjährigen Beschwerdeführers erfolgte, war rechtswirksam; sie löste daher den Lauf der Beschwerdefrist aus. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Behörde hätte ihm den angefochtenen Bescheid (vom 12. Juli 2006) zustellen müssen, kann nicht gefolgt werden, weil im Jahr 2006 an den damals noch minderjährigen Beschwerdeführer nicht wirksam zugestellt werden konnte.

Die sechswöchige Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG endete somit spätestens am 12. September 2006.

Die erst am 30. Dezember 2013 zur Post gegebene Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 23. September 2014

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