VwGH 2007/13/0100

VwGH2007/13/010030.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, in der Beschwerdesache des A, zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung in K, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 2. August 2007, GZ. RV/1206- W/03, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1996 bis 2001 und Einkommensteuervorauszahlungen 2003, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §79;
BAO §80 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
BAO §79;
BAO §80 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem an den Beschwerdeführer gerichteten angefochtenen Bescheid vom 2. August 2003 sprach die belangte Behörde im Instanzenzug über die Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 1996 bis 2001 und der Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2003 ab (der gegen die Bescheide des Finanzamtes eingebrachten Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben).

Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer vertreten durch einen für ihn mit Beschluss des Bezirksgerichtes H vom 6. August 2007, 2 P 35/07k-25 (SW), bestellten einstweiligen Sachwalter am 2. Oktober 2007 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der angefochtene Bescheid sei am "4.9.2007" zugestellt worden.

Nach dem der Beschwerde angeschlossenen (dem Sachwalter laut Eingangstempel am 9. August 2007 zugegangenen) Beschluss des Bezirksgerichtes H wurde der für den Beschwerdeführer einschreitende Sachwalter sowohl als Verfahrenssachwalter (§ 119 AußStrG) als auch als einstweiliger Sachwalter für dringende Angelegenheiten (§ 120 AußStrG) bestellt. Der Aufgabenkreis als einstweiliger Sachwalter umfasste die "Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern" sowie die "Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten". Der Beschluss enthielt auch den Hinweis, dass die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters sofort wirksam sei und einem allfälligen Rekurs keine aufschiebende Wirkung zukomme.

In dem nach antragsgemäßer Bestellung eines Verfahrenshelfers im Rahmen eines Mängelbehebungsverfahrens gemäß § 34 Abs. 2 VwGG eingebrachten ergänzenden Beschwerdeschriftsatz vom 28. Februar 2008 wurde u.a. ausgeführt, es sei "aktenkundig", dass für den Beschwerdeführer am 26. Juni 2007 beim Bezirksgericht ein Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters eingeleitet und mit Beschluss vom 6. August 2007 ein einstweiliger Sachwalter in Verfahrensangelegenheiten und zur Vertretung vor Behörden bestellt worden sei. Der angefochtene Bescheid "erging fast zeitgleich mit der Bestellung des einstweiligen Sachwalters am 2.8.2007". Hätte die belangte Behörde weitere Ermittlungsschritte gesetzt, hätte sie auch erkannt, dass der Beschwerdeführer unter Persönlichkeitsstörungen leide.

In der unter Aktenvorlage erstatteten Gegenschrift wies die belangte Behörde darauf hin, dass sie über die Bestellung des einstweiligen Sachwalters mit Beschluss des Bezirksgerichtes H vom 6. August 2007 erst durch die Aufforderung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Erstattung der Gegenschrift Kenntnis erlangt habe. Von ihr angestellte Recherchen hätten im Übrigen ergeben, dass das Sachwalterschaftsverfahren in weiterer Folge mit Beschluss des Bezirksgerichtes K vom 23. Jänner 2008, 17 P 338/07w-84, eingestellt worden sei. Aus den Akten der belangten Behörde gehe hervor, dass der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer (nach einem zweiten Zustellversuch) am 31. August 2007 in der Justizanstalt S zugestellt worden sei, wobei der Beschwerdeführer das Schriftstück auch nachweislich übernommen habe (ein Rückschein über diese - eigenhändige - Zustellung liegt in den vorgelegten Verwaltungsakten ein). Es wäre gemäß § 8 ZustG Aufgabe des Beschwerdeführers oder des Sachwalters gewesen, eine Änderung der Abgabestelle der Behörde mitzuteilen. Zur Frage der Rechtswirksamkeit der Zustellung des angefochtenen Bescheides komme es nach Ansicht der belangten Behörde darauf an, "ob der Zustellungsempfänger handlungsfähig war und nicht darauf, ob für ihn bereits ein Sachwalter bestellt worden war". Auf Grund des (Einstellungs-)Beschlusses des Bezirksgerichtes K vom 23. Jänner 2008 gehe die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer im "Zeitpunkt der Zustellung aus rechtlicher Sicht in der Lage war, den Ausführungen in der Berufungsentscheidung zu folgen und seine Rechte wahrend tätig zu werden".

In einer Äußerung zur Gegenschrift verwies der Beschwerdeführer u.a. auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der die Sachwalterbestellung insofern konstitutiv wirke, "als ab ihrer Wirksamkeit die Prozess- und Handlungsfähigkeit im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist". Die Beendigung der einstweiligen Sachwalterschaft und die Einstellung des Verfahrens durch den Beschluss des Bezirksgerichtes K begründeten auch noch nicht, dass der Beschwerdeführer zum Zustellungszeitpunkt handlungsfähig gewesen sei. Zudem habe die belangte Behörde nicht einmal behauptet, die Handlungsfähigkeit im Zustellungszeitpunkt geprüft zu haben.

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt nach § 97 Abs. 1 lit. a leg. cit. bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Für die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung kommt es darauf an, ob der Zustellungsempfänger im Zeitpunkt des Zustellvorganges handlungsfähig war. Eigenberechtigte, volljährige Personen verlieren ab Bestellung eines Sachwalters insoweit ihre Handlungs- und Prozessfähigkeit als die Vertretungsbefugnis des Sachwalters reicht (vgl. z.B. Ritz, BAO3, § 79, Tz. 16 f).

Im Beschwerdefall wurde der im Rahmen der Beschwerdeerhebung für den Beschwerdeführer einschreitende Sachwalter als einstweiliger Sachwalter für dringende Angelegenheiten mit dem Aufgabenkreis u.a. zur Vertretung vor den Behörden bestellt. Diese Bestellung zum einstweiligen Sachwalter wurde nach § 120 AußStrG sofort mit der Zustellung dieses Beschlusses (im vorliegenden Fall am 9. August 2007, an diesem Tag erfolgte die Zustellung an den bestellten Sachwalter, vgl. den ebenfalls an den Beschwerdeführer ergangenen hg. Beschluss vom 27. November 2007, 2007/06/0221) wirksam. Diese Sachwalterbestellung wirkte insofern konstitutiv, als ab ihrer Wirksamkeit die Prozess- und Handlungsfähigkeit im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben war (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2006, 2004/05/0326). Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift offenbar die Ansicht vertritt, es wäre auch noch nach der Bestellung des Sachwalters die Handlungsfähigkeit von der Behörde eigenständig als Vorfrage zu prüfen gewesen, verkennt sie, dass eine derartige Prüfungsbefugnis nur für die Zeit vor der Sachwalterbestellung besteht (vgl. Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts, Wien 2010, S 682, unter Hinweis z.B. auf das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2005, 2004/18/0221, VwSlg. 16728/A).

Entsprechend der Bestellung des einstweiligen Sachwalters u. a. zur Vertretung vor Behörden war dieser auch gesetzlicher Vertreter der besachwalteten Person nach § 80 Abs. 1 BAO (vgl. Ritz, aaO, § 80 Tz. 3). Der angefochtene Bescheid konnte somit ab der Sachwalterbestellung nicht mehr wirksam an den Beschwerdeführer zugestellt werden (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 30. September 2009, 2009/13/0114). Auch eine allfällige Heilung durch analoge Anwendung des § 9 Abs. 1 zweiter Satz ZustG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 schied schon deshalb aus, weil durch den ersatzlosen Entfall der genannten Bestimmung durch diese Novelle deren analoger Anwendung (bis zur Wiedereinführung der Heilungsmöglichkeit mit der Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 ab 1. Jänner 2008) die Grundlage entzogen war (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 29. Oktober 2008, 2008/08/0097, und vom 27. Jänner 2009, 2007/13/0022).

Die Beschwerde war daher mangels Vorliegens eines dem Beschwerdeführer zugestellten Bescheides im Zeitpunkt ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 30. März 2011

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