VwGH 2013/01/0138

VwGH2013/01/013817.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 5. August 2013, Zl. MA 35/IV-C 53/20 08, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1 idF 1998/I/124;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 28. April 2005 bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. In seinem Antrag brachte er vor, er sei tunesischer Staatsangehöriger, habe seit Mai 2002 seinen ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich und sei seit 21. Mai 2002 mit der österreichischen Staatsbürgerin M verheiratet.

Mit dem am 17. Februar 2006 vom Beschwerdeführer übernommenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. Februar 2006 wurde diesem gemäß § 20 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er binnen zwei Jahren den Nachweis über das Ausscheiden aus dem tunesischen Staatsverband erbringt. Im Zuge der dabei aufgenommenen Niederschrift gab der Beschwerdeführer (u.a.) an, seine Ehe mit M sei nicht aufgelöst und er lebe mit ihr im gemeinsamen Haushalt.

Der Beschwerdeführer legte in weiterer Folge eine Bestätigung der Botschaft der Republik Tunesien in Wien vom 20. Februar 2006 vor, wonach er seinen Verzicht auf die tunesische Staatsbürgerschaft zugunsten der österreichischen Staatsbürgerschaft bekannt gegeben habe.

Bei einer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangte Behörde am 16. März 2006 gab der Beschwerdeführer (u.a.) nochmals an, er sei noch immer mit M verheiratet und lebe mit ihr im gemeinsamen Haushalt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. März 2006 wurde dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom selben Tag gemäß § 11a StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Die Ehe des Beschwerdeführers mit M wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 4. Dezember 2006 im Einvernehmen gemäß § 55a Ehegesetz geschieden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. August 2013 wurde das mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. März 2006 abgeschlossene Staatsbürgerschaftsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG iVm § 69 Abs. 3 AVG zum Zeitpunkt vor Zusicherung der Verleihung, sohin vor 17. Februar 2006, wieder aufgenommen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe weder zum Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 16. März 2006 noch zum Zeitpunkt der Zusicherung am 17. Februar 2006 "eine Ehe im Sinne einer integrationsverstärkenden ehelichen Lebensgemeinschaft und einen gemeinsamen Haushalt mit der österreichischen Ehegattin" geführt. Die (gegenteiligen) Angaben des Beschwerdeführers bei seinen niederschriftlichen Einvernahmen am 17. Februar 2006 und 16. März 2006 entsprächen nicht den Tatsachen. Der Beschwerdeführer habe die Tatsache, dass er während des Einbürgerungsverfahrens und im Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht mit seiner österreichischen Ehegattin in einer tatsächlichen ehelichen Gemeinschaft im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, der Behörde bewusst verschwiegen und daher die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erschlichen.

Beweiswürdigend stützte sich die belangte Behörde dabei im Wesentlichen auf Aussagen der ehemaligen Ehegattin des Beschwerdeführers M, deren Tochter J, der Zeugin S und auf (näher dargestellte) Ermittlungen des Erhebungs- und Vollstreckungsdienstes sowie auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu GZ X/Y (mit dem S wegen Vermittlung bzw. Anbahnung u.a. der am 21. Mai 2002 zwischen M und dem Beschwerdeführer geschlossenen Ehe wegen des Vergehens der Vermittlung von Scheinehen nach § 106 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 verurteilt worden war).

Die ehemalige Ehegattin des Beschwerdeführers M habe bei einer Einvernahme am 3. Dezember 2009 angegeben, dass sie niemals mit dem Beschwerdeführer zusammengelebt und dass zu keiner Zeit eine Beziehung mit ihm bestanden habe. Die Zeugin S habe bei einer polizeilichen Einvernahme am 4. Jänner 2007 angegeben, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit M gegen Entgelt vermittelt worden sei. Die Tochter der ehemaligen Ehegattin des Beschwerdeführers, die Zeugin J, habe bei einer Einvernahme am 13. März 2013 angegeben, dass der Beschwerdeführer und ihre Mutter niemals zusammengelebt hätten. Der Beschwerdeführer sei höchstens einmal im Monat vorbeigekommen, habe mit ihrer Mutter gesprochen und Geld gebracht. Er habe jedoch niemals in der Wohnung geschlafen und seine persönliche Habe habe sich nicht in der Wohnung befunden. Demgegenüber sei den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er erst kurz vor der Scheidung aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen sei, nicht zu folgen; diese Angaben seien nicht glaubwürdig und als bloße Schutzbehauptungen zu werten. Weiters folgte die belangte Behörde (erkennbar) auch nicht den Angaben vom Oktober 2011 der Zeugin W (die mit dem Beschwerdeführer ein am 10. Mai 2006 geborenes Kind hat), wonach dieser im Zeitraum Februar 2006 bis März 2006 mit seiner ehemaligen Ehegattin M zusammen gewohnt habe, die Beziehung der Eheleute jedoch nicht mehr harmonisch gewesen sei.

Die belangte Behörde begründete im Weiteren unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union im Urteil vom 3. März 2010 in der Rechtssache C 135/08 , Rottmann, ihre Ermessensübung nach § 69 Abs. 3 AVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Bestimmung des § 11a Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311/1985 in der (im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren beendenden Bescheides maßgeblichen) Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 (StbG) lautete:

"Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt,

2. die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist,

3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist und

4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder

b) die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht und sein Ehegatte seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen österreichischer Staatsbürger ist oder

c) der Ehegatte die Staatsbürgerschaft durch Verleihung gemäß § 10 Abs. 4 Z 2 oder durch Erklärung gemäß § 58c erworben hat und der Fremde seinen Hauptwohnsitz vor dem 9. Mai 1945 im Bundesgebiet hatte und sich damals gemeinsam mit seinem späteren Ehegatten ins Ausland begeben hat."

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 3 AVG kann ein mit Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen werden, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist.

Die für die Erschleichung eines Bescheides notwendige Irreführungsabsicht setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass die Partei wider besseres Wissen gehandelt hat, um einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Ob Irreführungsabsicht vorliegt, kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden, die von der Behörde in freier Beweiswürdigung festzustellen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2013, Zl. 2011/01/0275, mwN).

Die Beschwerde macht geltend, die Feststellung der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht mit seiner österreichischen Ehefrau in einer tatsächlichen ehelichen Gemeinschaft im gemeinsamen Haushalt gelebt und dies der Behörde verschwiegen habe, sei unrichtig. Vielmehr habe er mit seiner österreichischen Ehefrau zusammengelebt, dies auch noch im Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Er habe diesen Umstand auch bei seiner Aussage "deponiert". Die diesbezügliche Aussage seiner ehemaligen Ehefrau sei unrichtig. Auch seine nunmehrige Ehefrau W habe bestätigt, dass er mit seiner ersten Ehefrau zusammengelebt habe, die Beziehung allerdings gegen Ende der Ehe nicht mehr harmonisch gewesen sei. Bei richtiger Beweiswürdigung hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass keine Scheinehe vorgelegen habe.

Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:

Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter diesen Gesichtspunkten standhält, mit der Begründung entgegenzutreten, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse vom 12. November 2012, Zl. 2012/06/0086, und vom 21. Dezember 2011, Zl. 2006/04/0144).

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde hält dieser Schlüssigkeitsprüfung stand. Die Schlussfolgerungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid sind schlüssig und können durch den bloßen Verweis auf die Aussagen des Beschwerdeführers und jenen von W nicht in Frage gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist der belangten Behörde nicht entgegen zu treten, wenn sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer weder zum Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 16. März 2006 noch zum Zeitpunkt der Zusicherung am 17. Februar 2006 mit seiner damaligen österreichischen Ehegattin im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und dieser Umstand im Verleihungsverfahren vom Beschwerdeführer bewusst verschwiegen wurde, um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erreichen.

Dass die belangte Behörde von der ihr in § 69 Abs. 3 AVG eingeräumten Befugnis nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hätte, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Inwieweit fallbezogen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass die Entziehung der (vom Beschwerdeführer erschlichenen) Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig ist, wurde nicht konkret dargelegt.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 17. Dezember 2013

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