VwGH 2012/21/0012

VwGH2012/21/001218.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der A S in S, vertreten durch Dr. Heinrich Schellhorn, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 10. Oktober 2011, Zl. UVS-5/14239/4-2011, betreffend Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §120 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
MRK Art8;
VStG §6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §120 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
MRK Art8;
VStG §6;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine mongolische Staatstangehörige, reiste am 1. August 2005 gemeinsam mit ihrer 1995 geborenen Tochter nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag. In Österreich hielt sich bereits seit 2002 ihr Ehemann als Asylwerber auf; im Oktober 2007 wurde ein weiteres gemeinsames Kind geboren.

Der Asylantrag der Beschwerdeführerin war mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. März 2007 abgewiesen worden (Spruchpunkt I.). Unter einem wurde festgestellt, dass die (insbesondere) Abschiebung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat zulässig sei (Spruchpunkt II.), und die Ausweisung der Beschwerdeführerin in die Mongolei verfügt (Spruchpunkt III.). Die dagegen erhobene Berufung/Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. März 2011 hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet ab. Hinsichtlich des Spruchpunktes III. wurde dem Rechtsmittel stattgegeben und die Ausweisung ersatzlos behoben. Diesen Ausspruch begründete der Asylgerichtshof damit, dass im Asylverfahren des Ehemannes der Beschwerdeführerin keine Ausweisung ergangen und eine sogenannte "partielle Ausweisung" einzelner Familienmitglieder nicht zulässig sei. Über die Ausweisung aller Familienmitglieder werde daher die Fremdenpolizeibehörde gemeinsam zu entscheiden haben.

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 20. Juli 2011 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe sich als Fremde "zumindest seit 16.03.2011" nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und damit "§ 120 Abs. 1 Z 2 (iVm § 15 Abs. 2) iVm § 31Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 157/2005" verletzt. Über die Beschwerdeführerin wurde deshalb gemäß "§ 120 Abs. 1 erster Satz, letzter Teilsatz, zweiter Strafrahmen FPG" eine Geldstrafe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage) verhängt.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg (die belangte Behörde) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. Oktober 2011 keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass die Zitierung der "Strafzumessungsnorm" zu lauten habe: "§ 120 Abs. 1a erster Satz FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin hatte gegen ihre Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts der Sache nach insbesondere vorgebracht, ihre Ausweisung stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben dar. Über diese Frage sei noch nicht rechtskräftig entschieden worden, weil das Berufungsverfahren in Bezug auf die gegen sie erlassene Rückkehrentscheidung noch anhängig sei.

Die belangte Behörde setzte sich mit diesem Vorbringen nur insofern auseinander, als sie auf den von der Beschwerdeführerin Ende März 2011 gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 44 Abs. 4 NAG Bezug nahm. Dazu verwies sie darauf, dass die Stellung eines solchen Antrages kein Aufenthalts- und Bleiberecht begründe. Auch aus dem Umstand, dass das Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei, könne kein Aufenthaltstitel iSd § 31 FPG "erkannt" werden.

Das greift zu kurz. Da nämlich gegen die Beschwerdeführerin bezogen auf den maßgeblichen Tatzeitraum noch keine - nach Vornahme einer Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK - rechtskräftige Ausweisung/Rückkehrentscheidung ergangen war, hätte von der belangten Behörde im Rahmen einer Vorfragenbeurteilung selbst die gebotene Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der (hypothetischen) Zulässigkeit einer Ausweisung vorgenommen werden müssen. Von daher gleicht der vorliegende Fall jenem, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/21/0249, zugrunde liegt. Aus den dort angeführten, unter Hinweis auf Vorjudikatur (insbesondere auf das Erkenntnis vom 2. Oktober 2012, Zlen. 2011/21/0211, 0222) dargestellten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ist die Unterlassung der erwähnten (hypothetischen) Prüfung auch für den Verfahrensausgang im vorliegenden Fall relevant.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. In Bezug auf die Anführung der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z 2 VStG) ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass der (im erstinstanzlichen Straferkenntnis zitierte und von der belangten Behörde übernommene) § 120 Abs. 1 Z 2 FPG (in der Stammfassung) während des inkriminierten Tatzeitraumes mit 1. Juli 2011 durch das FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, dahingehend abgeändert wurde, dass der dort normierte Straftatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet in den Abs. 1a des § 120 FPG transferiert wurde; dem wäre Rechnung zu tragen gewesen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 2012, Zl. 2010/21/0146, und Zl. 2010/21/0400).

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. April 2013

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