VwGH 2012/17/0432

VwGH2012/17/043230.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 22. August 2012, Zlen. UVS- 02/11/6846/2012-4 und UVS-02/11/6847/2012, betreffend Maßnahmenbeschwerden im Zusammenhang mit einer Beschlagnahme nach GSpG (mitbeteiligte Partei: V Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. Martin Mahrer, Rechtsanwalt in 1140 Wien, Flötzersteig 157), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art129a Abs1 Z2;
GSpG 1989 §50 Abs7;
GSpG 1989 §53 Abs2;
VStG §39 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2012170432.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde gemäß § 67c Abs. 3 AVG den Maßnahmenbeschwerden der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und die beiden vorläufigen Beschlagnahmen diverser Glücksspielautomaten vom 15. Mai 2012 gemäß § 53 Abs. 2 Glückspielgesetz (GSpG) in beiden Fällen für rechtswidrig erklärt.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, die im Zuge zweier Kontrollen durch Organe des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart beziehungswiese des Finanzamtes Wien 4/5/10 vorgenommenen vorläufigen Beschlagnahmen seien rechtswidrig, weil davon auszugehen sei, dass jeweils der Verdacht einer ausschließlich nach § 168 StGB strafbaren Handlung vorliege. Da die Bestimmung des § 53 Abs. 2 GSpG kraft ausdrücklicher Normierung der verba legalia ausschließlich auf Verwaltungsübertretungen, somit Verwaltungsstraftatbestände nach § 52 Abs. 1 GSpG Anwendung finde, seien die auf § 53 Abs. 2 GSpG gestützten vorläufigen Beschlagnahmen rechtswidrig.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Finanzen, in welcher Rechtwidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in welcher jeweils die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Nach § 50 Abs. 7 GSpG ist die Bundesministerin für Finanzen berechtigt, gegen Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Unabhängigen Verwaltungssenate haben Ausfertigungen glücksspielrechtlicher Entscheidungen unverzüglich der Bundeministerin für Finanzen zu übermitteln.

Im Beschwerdefall ist zunächst die Frage zu klären, ob die Befugnis der Bundesministerin für Finanzen, gegen Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshofs zu erheben, auch die Befugnis umfasst, Amtsbeschwerde gegen Bescheide in einem Maßnahmenbeschwerdeverfahren betreffend Maßnahmen, die in Vollziehung des Glücksspielgesetzes gesetzt werden, zu erheben.

2.2. Weder der Wortlaut noch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Novelle BGBl I Nr. 54/2010, mit welcher § 50 Abs. 7 GSpG erlassen wurde (RV 658 BlgNR, 24. GP, 8), enthalten einen Hinweis, dass die Amtsbeschwerdebefugnis der Bundesministerin für Finanzen sich nicht auf alle Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Vollziehung des Glücksspielgesetzes ergehen, erstrecken sollte. § 50 Abs. 7 zweiter Satz GSpG spricht schlechthin von "glücksspielrechtlichen Entscheidungen" (die der Bundesministerin zu übermitteln sind). Die Befugnis der Bundesministerin für Finanzen gemäß § 50 Abs. 7 GSpG, "gegen Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben", ist somit mangels jeglicher Einschränkung in irgendeine Richtung als umfassend zu verstehen. Unter "Entscheidungen" sind daher - lege non distinguente - auch Bescheide zu verstehen, die aufgrund einer Maßnahmenbeschwerde ergangen sind, welche wegen einer Maßnahme in Vollziehung des Glücksspielgesetzes erhoben wurde.

Die vorliegende Amtsbeschwerde der Bundeministerin für Finanzen ist daher zulässig.

2.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt bei einer vorläufigen Beschlagnahme, solange die Behörde die Beschlagnahme weder durch Bescheid bestätigt noch die beschlagnahmten Gegenstände tatsächlich zurückgestellt hat, eine die gesamte Dauer der Beschlagnahme umfassende Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Mai 1989, Zl. 89/04/0020, vom 26. April 1993, Zl. 90/10/0076, und vom 16. November 2011, Zl. 2011/17/0190, mwN.).

Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid selbst sowie den Akten des Verwaltungsverfahrens ergibt, wurden am 15. Juni 2012 und am 21. Juni 2012 zwei Bescheide betreffend die gegenständlichen vorläufigen Beschlagnahmen erlassen und darin jeweils die Beschlagnahme der in den Bescheiden näher bezeichneten Glücksspielautomaten ausgesprochen. Aus der wiedergebenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes folgt für den Beschwerdefall daher, dass mit dem Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide über die Beschlagnahme die vorläufige Beschlagnahme aufgehört hat, ein selbständig anfechtbarer verfahrensfreier Verwaltungsakt zu sein, und ab diesem Zeitpunkt die Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde nicht mehr möglich war.

2.4. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt, es widerspräche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes, dass mit der Erlassung eines Bescheides der zuvor erfolgte faktische unmittelbare Akt aufhöre zu existieren, weil der Verwaltungsgerichtshof etwa die Anfechtung einer vorläufigen Abnahme eines Führerscheins als zulässig erachte, obwohl ein derartiger Akt regelmäßig in eine bescheidmäßige Erledigung einmünde, ist für ihren Standpunkt nichts gewonnen. Die belangte Behörde übersieht dabei, dass sich aus der konkreten Ausgestaltung der materiellen Rechtslage hinsichtlich der Abfolge einer etwa nach dem KFG oder nunmehr dem Führerscheingesetz (FSG) zu setzenden Maßnahme der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Abnahme des Führerscheins als Sicherungsmaßnahme) und der sich uU daran anschließenden bescheidmäßigen Entziehung der Lenkerberechtigung (als rechtsgestaltender Akt für die Zukunft) nichts für die - nach der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung geklärte - Rechtslage im Falle der bescheidmäßigen Bestätigung einer vorläufigen Beschlagnahme ableiten lässt.

2.5. Die belangte Behörde hätte daher die Maßnahmenbeschwerden zurückweisen müssen.

Da die belangte Behörde demgegenüber eine inhaltliche Entscheidung getroffen hat, hat sie eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukam.

2.6. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 1968, Slg. 7357 A. oder vom 18. Juni 2008, Zl. 2005/11/0171, betreffend unzulässige Berufungen).

Wien, am 30. Jänner 2013

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