VwGH 2012/16/0061

VwGH2012/16/006121.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und Hofrat Dr. Thoma sowie Hofrätin Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Z in B, vertreten durch Mag. Hans-Christian Obernberger, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Ardetzenbergstraße 42, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 26. Oktober 2011, Zl. FSRV/0009-F/11, betreffend Feststellung der Zurücknahme einer Berufung nach § 156 FinStrG, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §156 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
FinStrG §156 Abs4;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis vom 29. April 2011 wurde der Beschwerdeführer der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von EUR 11.000,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Wochen verhängt. Dagegen brachte der Beschwerdeführer am 20. Juni 2011 im Wege der Telekopie eine (nicht unterfertigte) Berufung ein. Mit Bescheid vom 27. Juni 2011 forderte das Finanzamt Bregenz den Beschwerdeführer gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG in Verbindung mit § 85 Abs. 2 BAO auf, den Mangel der Unterschrift durch Einreichung einer unterschriebenen Berufung bis 8. Juli 2011 gemäß § 156 Abs. 2 FinStrG zu beheben; bei Versäumung dieser Frist gelte das Anbringen als zurückgenommen.

Am 13. Juli 2011 langte beim Finanzamt eine unterfertigte Gleichschrift der Berufung ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass die Berufung gemäß § 156 Abs. 2 und 4 FinStrG als zurückgenommen gelte.

Begründend führte sie nach einleitender Darstellung des Finanzstrafverfahrens aus:

"Gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG iVm § 85 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) sind aber Berufungen zu unterfertigen.

Zwar räumt § 56 Abs. 2 FinStrG iVm § 86a Abs. 1 BAO, vorletzter Satz, dem Berufungswerber (scheinbar) ein, dass das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel darstelle (gedacht für Fälle einer Übermittlungstechnik, in welchen der Schriftenverfasser keine Unterschrift applizieren kann, zB Verfassung eines E-Mails), doch ist auch für diese Fälle die Behörde berechtigt, wenn es die Wichtigkeit des Anbringens zweckmäßig erscheinen lässt, dem Einschreiter die unterschriebene Bestätigung des Anbringens mit dem Hinweis aufzutragen, dass dieses nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gelte.

Überdies gilt für die Einreichung von Anbringen (hier: die gegenständliche Berufungsschrift) gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG iVm § 86a Abs. 2 BAO, § 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Zulassung von Telekopierern zur Einreichung von Anbringen an das Bundesministerium für Finanzen, an den unabhängigen Finanzsenat, (an die Finanzlandesdirektionen) sowie an die Finanzämter und Zollämter, BGBl 1991/494 idFd BGBl II 2002/395, dass der Einschreiter vor der Einreichung des Anbringens (durch Versendung an die Behörde) unter Verwendung eines Telekopierers (Fax-Gerätes) das Original des Anbringens zu unterschreiben hat.

Im Falle des Fehlens der geforderten Unterschrift hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz gemäß § 156 Abs. 2 FinStrG die Nachholung der Unterschrift binnen einer bestimmten Frist aufzutragen unter Hinweis auf die rechtliche Konsequenz, dass im Falle des fruchtlosen Fristablaufes das Rechtsmittel als zurückgenommen gilt.

Da nun im gegenständlichen Fall der per Fax übermittelte Berufungsschriftsatz nicht - wie vom Gesetz gefordert - unterschrieben war (siehe oben), wurde der Beschuldigte daher mit Bescheid vom 27. Juni 2011, zugestellt am 29. Juni 2011, durch das Finanzamt Bregenz aufgefordert, diesen Mangel bis zum 8. Juli 2011 zu beheben, andernfalls das Anbringen als zurückgenommen gelte (Spruchsenatsakt Bl. 187 f).

Eine unterfertigte Gleichschrift der Berufung wurde jedoch erst am 13. Juli 2011, als um fünf Tage verspätet, beim Finanzamt Bregenz eingereicht (Spruchsenatsakt Bl. 191 bis 197, siehe die diesbezüglichen Stempelaufdrucke).

Hinweise auf ein technisches Gebrechen des Stempelgerätes, womit etwa das Datum falsch eingestellt gewesen wäre, sind der Aktenlage nicht zu entnehmen. Eine Fehleinstellung des Datums ist auch schon deswegen auszuschließen, weil der Berufungswerber oder ein von ihm beauftragter Erfüllungsgehilfe selbst die Stempelung der Berufungsschrift (ebenso wie weiterer Schriftstücke) vorgenommen hat und ihm daher wohl aufgefallen wäre, wenn das Stempeldatum nicht dem tatsächlichen Datum seines Handelns entsprochen hätte.

Damit ist aber das Schicksal der gegenständlichen Berufung schon entschieden:

Gemäß § 156 Abs. 4 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz nach Vorlage einer Berufung zunächst auch zu prüfen, ob nicht Anlass besteht, nach § 156 Abs. 2 leg. cit. vorzugehen.

Wie oben ausgeführt, ist der Mangel einer fehlenden Unterschrift nicht bis zum Ablauf des 8. Juli 2011 behoben worden, weshalb die vorerst eingebrachte Berufung mit diesem Tage als zurückgenommen gilt und das Straferkenntnis des Spruchsenates in Rechtskraft erwachsen ist. "

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Sachentscheidung über seine Berufung verletzt; er beantragt, nach Durchführung einer "volksöffentlichen mündlichen Verhandlung" den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde sieht die Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde darin, die Annahme der Zurücknahmefiktion nach § 156 Abs. 2 FinStrG obliege ausschließlich der Finanzstrafbehörde erster Instanz. Ansonsten würde dem Beschwerdeführer eine Instanz "genommen".

Diesen Bedenken vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen, ordnet doch § 156 Abs. 4 FinStrG an, dass die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz zunächst zu prüfen hat, ob ein von der Finanzstrafbehörde erster Instanz nicht aufgegriffener Grund zur Zurückweisung oder für einen Auftrag zur Mängelbehebung vorliegt und erforderlichenfalls selbst nach den Abs. 1 und 2 vorzugehen hat.

Damit ermächtigt § 156 Abs. 4 FinStrG ausdrücklich auch die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, nach § 156 Abs. 2 FinStrG zu verfahren.

Die Beschwerde sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer die Umstände für die Annahme der Zurücknahmefiktion nicht vorgehalten. Während der "Mängelbehebungsfrist" habe sich der Beschwerdeführer durchgehend im Ausland (Balkan) befunden. Sofort nach dem Rücklangen sei die sodann unterfertigte Berufung bei der zuständigen Behörde abgegeben worden.

Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass die belangte Behörde gehalten gewesen wäre, ihm eine nach dem Akteninhalt anzunehmende Verspätung der Verbesserung seiner Berufung vorzuhalten. Da die belangte Behörde dies unterlassen hat, unterliegt das zur Frage der Rechtzeitigkeit der Verbesserung der Berufung erstattete Vorbringen nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbot, womit sich der Verwaltungsgerichtshof mit diesem auseinanderzusetzen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2011, Zl. 2011/02/0063).

Der angefochtene Bescheid enthält keine Feststellungen über den Zeitpunkt der Zustellung des Mängelbehebungsauftrages an den Beschwerdeführer. Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift unter Hinweis auf in den vorgelegten Verwaltungsakten aufscheinende Zustellungen an den Beschwerdeführer sowie an die mitbeschuldigte Ges.m.b.H. darauf verweist, dass der Mängelbehebungsauftrag laut Rückschein am 29. Juni 2011 eigenhändig übernommen worden sei, ist dem entgegen zu halten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Gegenschrift kein tauglicher Platz ist, um dem angefochtenen Bescheid Fehlendes nachzuholen. Dies gilt umso mehr, wenn dem Beschwerdeführer im verwaltungsbehördlichen Verfahren keine Gelegenheit geboten worden war, zu den - der Entscheidung zugrunde gelegten - Annahmen Stellung zu nehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 2011, Zl. 2011/23/0269, mwN), zumal es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist, anhand des Vorbringens der Gegenschrift und der vorgelegten Verwaltungsakten - unter neuerlicher Einräumung von Gehör gegenüber dem Beschwerdeführer - Annahmen zu treffen und Feststellungen nachzuholen, die geeignet sind, den angefochtenen Bescheid zu tragen.

Dieser war daher - unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. November 2012

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