Normen
BAO §198;
BAO §217 Abs8;
BAO §217;
BAO §92 Abs1 lita;
BAO §93;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:2012150206.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei der Beschwerdeführerin, einer GmbH, die einen Gastgewerbebetrieb (Hotel) führt, wurde 2011 eine Lohnsteuerprüfung betreffend den Zeitraum 1. Jänner 2008 bis 31. Dezember 2009 durchgeführt. Der Prüfer stellte fest, die Beschwerdeführerin habe Überstundenzuschläge gemäß § 68 Abs. 1 und 2 EStG 1988 steuerfrei belassen, obwohl keine Aufzeichnungen über die genaue Anzahl und zeitliche Lagerung der von ihren Mitarbeitern tatsächlich geleisteten Überstunden vorlägen, und vertrat die Auffassung, dass für diese Überstundenzuschläge Lohnsteuer (Lohnsteuersatz 35%) nachzuverrechnen sei.
Das Finanzamt folgte dem Prüfer, schrieb der Beschwerdeführerin mit Haftungsbescheiden vom 19. Mai 2011 Lohnsteuer für die Jahre 2008 (13.923,98 EUR) und 2009 (11.769,60 EUR) vor und setzte erste Säumniszuschläge von 270,62 EUR (2008) bzw. 235,39 EUR (2009) fest.
Die Beschwerdeführerin berief gegen die im Gefolge der Lohnsteuerprüfung ergangenen Haftungs- und Säumniszuschlagsbescheide. Sie rügte zunächst, dass die Bescheide nicht begründet seien, und brachte u.a. vor, es lägen durchgehende und in der EDV jedenfalls auch ausreichend zeitnah geführte Arbeitszeitnachweise vor, die die tatsächlichen Arbeitszeiten der Mitarbeiter und deren zeitliche Lagerung vollständig und richtig widergäben.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 18. Juli 2011 als unbegründet ab und führte u.a. aus, der Prüfer habe Arbeitszeitaufzeichnungen abverlangt, um die am Lohnkonto ersichtlichen 50%igen Zuschläge nachvollziehen zu können. Es seien Mitarbeitereinsatzpläne und daraus resultierende Arbeitszeitnachweise vorgelegt worden. Die Mitarbeitereinsatzpläne gäben jedoch nur die zu leistende (Soll‑)Arbeitszeit wieder. Eine Anpassung an die tatsächlichen, betrieblichen Arbeitserfordernisse gebe es jedoch nicht schriftlich. Diese würde laut Beschwerdeführerin intern mündlich geregelt, sodass je nach Arbeitsbedarf kürzer oder länger, als aus den Mitarbeitereinsatzplänen ersichtlich, gearbeitet werde. Nach Auffassung des Finanzamtes lägen lediglich "Schichtlisten" und keine tatsächlichen Arbeitszeitaufzeichnungen vor. Die "Schichtlisten" gäben nur den standardisierten Einsatz der Mitarbeiter, nicht aber die (Ist)Arbeitszeit wieder. Die auf den "Schichtlisten" vermerkten Arbeitszeiten ließen keinen Rückschluss darauf zu, wann welche Zuschläge abgerechnet worden seien und aus welchem Titel der jeweilige Zuschlag steuerbegünstigt sei. Mit E-Mail vom 13. April 2011 sei die Beschwerdeführerin nochmals schriftlich aufgefordert worden, "anhand von 12 Personen aufzuzeigen, wo ein Zuschlag angefallen bzw. verrechnet wurde und wie dieser Zuschlag steuerlich zu behandeln war". Eine genaue Aufgliederung sei nicht erfolgt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Vorlage der gegen die Haftungs- und die Säumniszuschlagsbescheide gerichteten Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Am 9. August 2012 erließ die belangte Behörde einen - nur die Berufung gegen die Säumniszuschlagsbescheide betreffenden - Mängelbehebungsauftrag, in dem sie vorweg ausführte, "dass die fehlende Begründung der Säumniszuschlagsbescheide dahingehend ergänzt wird, dass die Festsetzung der Säumniszuschläge deshalb erforderlich war, da die Lohnsteuer 2008 in Höhe von EUR 13.561,-- nicht bis zum 15. Jänner 2009 (Fälligkeitstag) entrichtet wurde, bzw. da Lohnsteuer 2009 in Höhe von EUR 11.769,50 nicht bis zum 15. Jänner 2010 entrichtet wurde". Sodann forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, ihre Berufung gegen die Bescheide betreffend die Festsetzung von Säumniszuschlägen für die Jahre 2008 und 2009 zu begründen (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO).
Die Beschwerdeführerin kam dem Mängelbehebungsauftrag mit Schriftsatz vom 5. September 2012 nach und führte zur Begründung ihrer Berufung gegen die Säumniszuschlagsbescheide 2008 und 2009 Folgendes aus: "Die Voraussetzungen zur Einhebung eines Säumniszuschlages im Sinne des § 217 BAO sind gegenständlich tatsächlich nicht gegeben. Auf Grundlage eines vollkommen unbegründeten Bescheides besteht bereits grundsätzlich keine Verpflichtung in Vorlage treten zu müssen und damit einhergehend aber auch bereits begriffsimmanent keine mögliche Säumnis. Selbst gegenteiligenfalls wäre davon auszugehen, dass den Abgabenpflichtigen unter solchen Umständen aber grobes Verschulden nicht treffen kann. Ansonsten darf in der Sache selbst nochmals auf die Berufungsausführungen verwiesen werden."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen die Säumniszuschlagsbescheide 2008 und 2009 gerichteten Berufung keine Folge und führte aus, die Festsetzung der Säumniszuschläge sei zu Recht erfolgt, weil die Lohnsteuer 2008 und 2009 - von der Beschwerdeführerin unbestritten - nicht zu den Fälligkeitstagen entrichtet worden sei. Eine Nichtfestsetzung der Säumniszuschläge komme auch im Hinblick auf § 217 Abs. 7 BAO nicht in Betracht, zumal die Beschwerdeführerin nicht dargelegt habe, dass sie an der Nichtentrichtung der Lohnsteuer zu den Fälligkeitstagen kein Verschulden treffe.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 217 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"§ 217. (1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
...
(4) Säumniszuschläge sind für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als
a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,
...
(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
(8) Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen; ..."
Die Beschwerde trägt vor, die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Säumniszuschlages seien im Streitfall nicht gegeben, weil nicht abschließend geklärt sei, "inwieweit die Beschwerdeführerin überhaupt eine fällige Abgabenschuld trifft". Die Herangehensweise der belangten Behörde, die Berufung gegen die Haftungsbescheide unerledigt zu lassen und nur über den ersten Säumniszuschlag zu befinden, sei nicht nachvollziehbar und rechtlich verfehlt. Dies gelte auch für die "Unterstellung", die Beschwerdeführerin habe die Nichtentrichtung der Lohnsteuer zu den Fälligkeitstagen nicht bestritten, weil die gegen die Haftungsbescheide 2008 und 2009 erhobene Berufung klar erkennen lasse, "dass die Beschwerdeführerin davon ausgeht, die seitens der belangten Behörde den Fälligkeitsannahmen zum Säumniszuschlag unterstellten Lohnsteuerbeträge überhaupt nicht zu schulden". Weiters wendet sich die Beschwerde dagegen, dass die belangte Behörde den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag nach § 212a Abs. 2 BAO nicht erledigt habe.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Säumniszuschläge sind bescheidmäßig festzusetzen. Die Bescheide haben den Erfordernissen des § 93 iVm § 198 BAO zu entsprechen und sind für sich anfechtbar und für sich der Rechtskraft fähig (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2321).
Der Säumniszuschlag im Sinne des § 217 BAO ist eine objektive Rechtsfolge der verspäteten Entrichtung einer Abgabe. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind (grundsätzlich) unbeachtlich. Bemessungsgrundlage des Säumniszuschlages ist die nicht rechtzeitig entrichtete Steuer, unabhängig davon, ob die Festsetzung der Stammabgabe bzw. - wie im Streitfall - der Bescheid, mit dem ein Arbeitgeber zur Haftung für Lohnsteuer herangezogen wird, rechtskräftig oder mit Berufung angefochten ist. Ausgehend davon stößt es auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, dass die belangte Behörde über die Berufung gegen die Säumniszuschlagsbescheide 2008 und 2009 entschieden hat, obwohl über die gegen die Haftungsbescheide dieser Jahre gerichtete Berufung noch nicht abgesprochen worden war. Sollte sich der Umfang der Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin infolge Erledigung der gegen die Haftungsbescheide gerichteten Berufung ändern, sieht § 217 Abs. 8 BAO eine nachträgliche Herabsetzung der hier in Rede stehenden Säumniszuschläge vor, die nunmehr von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Ritz, BAO5, § 217 Tz 58d).
Dass die belangte Behörde gemäß § 217 Abs. 7 BAO gehalten gewesen wäre, von der Anlastung eines Säumniszuschlages Abstand zu nehmen, weil die Beschwerdeführerin kein Verschulden an der Versäumung von Zahlungsfristen traf, wird in der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargetan.
Soweit sich die Beschwerde dagegen wendet, dass die belangte Behörde nicht über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag nach § 212a Abs. 2 BAO entschieden hat, ist ihr zu entgegnen, dass dieser Antrag nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens war.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 24. März 2015
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