VwGH 2012/15/0119

VwGH2012/15/01191.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des Finanzamtes Klagenfurt in 9020 Klagenfurt, Kempfstraße 2 und 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 17. April 2012, Zl. RV/0329-K/11, betreffend Einkommensteuer 2009 (mitbeteiligte Partei: U K in K), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167 Abs1;
BAO §184;
EStG 1972 §20 Abs1 Z1;
EStG 1972 §20 Abs1 Z2;
EStG §16 Abs1 Z9;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §3 Abs1 Z8;
GehG 1956 §21b;
RGV 1955 §3 Abs1;
RGV 1955;
BAO §167 Abs1;
BAO §184;
EStG 1972 §20 Abs1 Z1;
EStG 1972 §20 Abs1 Z2;
EStG §16 Abs1 Z9;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
EStG §3 Abs1 Z8;
GehG 1956 §21b;
RGV 1955 §3 Abs1;
RGV 1955;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte erzielte im Jahr 2009 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Radiologietechnologin. Während des Jahres absolvierte sie einen knapp zweimonatigen berufsbezogenen Fortbildungsaufenthalt in Deutschland, dessen Kosten seitens des Arbeitsgebers getragen wurden, wobei jedoch keine Reisegebühren (etwa Tages- bzw. Nächtigungsgelder oder Verpflegungskosten) zur Auszahlung gelangten.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2009, in dem Aufwendungen ("Tagesgelder") für die gegenständliche Fortbildung im Rahmen der Werbungskosten nur für einen Anfangszeitraum von fünf Tagen berücksichtigt wurden, erhob die Mitbeteiligte Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten teilweise Folge und führte zusammengefasst aus, die Mitbeteiligte habe durch ihren 54 Tage andauernden Auslandsaufenthalt nach einer Anfangsphase von fünf Tagen einen weiteren Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit am Fortbildungsort begründet und es seien ihr demnach nach Ablauf von fünf Aufenthaltstagen die dortigen preisgünstigen Verpflegungsmöglichkeiten bekannt gewesen. Somit liege ab dem sechsten Aufenthaltstag keine Reise im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 mehr vor, weshalb Tagesgelder für Auslandsreisen sowie Frühstückskosten als Mehrverpflegungsaufwendungen nicht mehr als sogenannte Differenzwerbungskosten berücksichtigungsfähig seien.

Hingegen sei bei einem längeren Auslandsaufenthalt auf Grund des Kaufkraftunterschiedes bzw. eines höheren Niveaus der Lebenshaltungskosten im Vergleich zum Inland ein Verpflegungsmehraufwand unvermeidbar. Insofern seien die üblichen Verpflegungsausgaben der Mitbeteiligten an jedem einzelnen Auslandsaufenthaltstag jedenfalls berufsbedingt überschritten worden, zumal nach dem Verständnis der verwaltungsgerichtlichen Judikatur als "übliche" Kosten der Verpflegung nur sinnvoll der Vergleich mit dem Inland heranzuziehen sei. Da die Ermittlung eines beruflich tatsächlich angefallenen kaufkraftbedingten Verpflegungsmehraufwandes nicht möglich sei, sei eine Schätzung dieser Werbungskosten notwendig, wofür unter anderem der Ansatz einer Kaufkraftausgleichszulage für Auslandsbeamte nach § 21b Gehaltsgesetz 1956 (GehG 1956) oder ein Abzug der Differenz zwischen den Tagesgeldern im In- und Ausland laut der Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV 1955) in Betracht kämen.

Das Vorliegen eines tatsächlichen Kaufkraftunterschiedes für einen Dienstort im Ausland sei insbesondere durch den Rechtsanspruch von Auslandsbeamten nach § 92 EStG 1988 auf Gewährung einer Kaufkraftausgleichszulage gemäß § 21 GehG 1956 indiziert: Nach den auf dieser Bestimmung beruhenden Verordnungen BGBl. II Nr. 334 und 348/2009 würde einem Auslandsbeamten für den gegenständlichen Dienstort eine (gemäß § 3 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 steuerfreie) Kaufkraftausgleichszulage in Höhe von 6% seines Monatsbezuges gebühren. Bezogen auf den Bruttobezug der Mitbeteiligten ergebe sich daraus ein "fiktiver monatlicher (steuerfreier) Kaufkraftausgleichszulagenanspruch" in Höhe von 190,45 EUR. Dieser Betrag könne nicht als geringfügig abgetan werden. Damit bestehe ein erheblicher Kaufkraftunterschied im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die objektiv bestehenden Verpflegungsmehraufwendungen spiegelten sich in den Auslandstagessätzen der RGV 1955 wider, weshalb die Differenz zwischen den dortigen Inlands- und Auslandstagessätzen der Berechnung dieser Mehraufwendungen zugrunde zu legen sei. Ebenso seien auch für die Frühstückskosten zusätzliche Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten anzusetzen. Diese aus der Kaufkraftdifferenz bzw. den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten zwischen dem Inland und dem teureren Ausland resultierenden Aufwendungen, die erheblich über den üblichen Kosten der inländischen Verpflegung lägen, stünden in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Einnahmen der Mitbeteiligten und seien gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde des Finanzamtes im Umfang der Berücksichtigung von Werbungskosten für Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von EUR 505,70 aus dem Titel der Kaufkraftdifferenz zwischen Österreich und Deutschland.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge sowie Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung grundsätzlich nicht abgezogen werden.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 gelten Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen als Werbungskosten (Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen).

Nach § 26 Z 4 EStG 1988 gehören Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden, nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wobei das Tagesgeld für Inlandsdienstreisen bis zu 26,40 Euro pro Tag und das Tagesgeld für Auslandsdienstreisen bis zum täglichen Höchstsatz der Auslandsreisesätze der Bundesbediensteten betragen darf.

Das beschwerdeführende Finanzamt bringt im Wesentlichen vor, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne ein Kaufkraftunterschied nur geltend gemacht werden, sofern die Lebenshaltungskosten im anderen Land erheblich über den Kosten der inländischen Verpflegung liegen. Da die Auslandstagegelder für alle Länder, für die derartige Beträge festgesetzt worden seien, höher seien als das inländische Tagesgeld von EUR 26,40, könne nicht vom Tagesgeldsatz allein auf einen erheblichen Kaufkraftunterschied geschlossen werden; sonst müsste angenommen werden, dass Österreich im Ergebnis die niedrigste Kaufkraft unter allen diesen Ländern aufweisen würde. Auch das alleinige Heranziehen der Kaufkraftausgleichszulage nach § 21 GehG 1956 könne zur Feststellung eines erheblichen Kaufkraftunterschiedes nicht zielführend sein, da dort nicht auf die Erheblichkeit des Unterschiedes abgestellt werde. Die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob gegenüber dem Inland tatsächlich erheblich höhere Lebenshaltungskosten vorlagen, sondern nur das Vorliegen von Verpflegungsmehraufwendungen durch die Notwendigkeit der auswärtigen Essenseinnahme schlechthin bejaht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stelle jedoch jener Verpflegungsaufwand, der einem Abgabepflichtigen regelmäßig dadurch erwächst, dass er aus beruflichen Gründen genötigt ist, einen Teil seiner Mahlzeiten außer Haus einzunehmen, eine nichtabzugsfähige Aufwendung im Sinne des § 20 EStG 1988 dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass Mehraufwendungen für Verpflegung des Steuerpflichtigen grundsätzlich zu den Kosten der Lebensführung gehören, zumal ein bedeutender Teil der Erwerbstätigen darauf angewiesen ist, Mahlzeiten außerhalb des Haushaltes einzunehmen. Mehraufwendungen für Verpflegung können nur vorliegen, wenn über dieses Ausmaß hinaus Aufwendungen anfallen. Die einkünftemindernde Berücksichtigung von Verpflegungsaufwand nach § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 findet ihre Begründung darin, dass dem Reisenden die besonders preisgünstigen Verpflegungsmöglichkeiten am jeweiligen Aufenthaltsort in der Regel nicht bekannt sind, weshalb die Verpflegung durch die örtliche Gastronomie typischerweise zu Mehraufwendungen führt. Hält sich der Steuerpflichtige jedoch - unter Umständen auch mit Unterbrechungen - länger (mehr als eine Woche) an einem Ort auf, sind ihm die örtlichen Verpflegungsmöglichkeiten ausreichend bekannt, sodass ein Mehraufwand für Verpflegung nicht mehr steuerlich zu berücksichtigen ist (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2007, 2005/15/0133).

Auch für den Fall der doppelten Haushaltsführung (die Mitbeteiligte hat von einer angemieteten Wohnung gesprochen, deren Mietzins vom Arbeitgeber getragen worden sei) gilt, dass ein Verpflegungsmehraufwand, der auf die Unmöglichkeit der Verpflegung in einem Haushalt am Aufenthaltsort und die daraus resultierende Gasthausverpflegung zurückzuführen ist, wie bei Geschäfts- und Berufsreisen, nur hinsichtlich jenes ersten Zeitraumes von einer Woche anfällt, in dem die Kenntnis der örtlichen Gastronomie noch nicht gegeben ist. Die Geltendmachung eines Verpflegungsmehraufwandes (auch von Frühstückskosten) ist im Grunde des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 nicht mehr möglich, wenn sich der Steuerpflichtige länger als eine Woche an einem Ort aufgehalten hat (vgl. aus der jüngsten Zeit das hg. Erkenntnis vom 24. März 2015, 2012/15/0074).

Abzugsfähig sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur insoweit vergleichbaren Rechtslage im Geltungsbereich des EStG 1972 bei längerdauernden beruflichen Auslandsaufenthalten aber Verpflegungskosten, die sich aus dem Kaufkraftunterschied zwischen dem Inland und dem teureren Ausland ergeben. Denn dieser Verpflegungsmehraufwand lässt sich auch dann nicht vermeiden, wenn der Steuerpflichtige am ausländischen Aufenthaltsort die preisgünstigsten Verpflegungsmöglichkeiten in Anspruch nimmt. Liegen die Verpflegungsaufwendungen wegen des höheren Niveaus der Lebenshaltungskosten erheblich über den Kosten der inländischen Verpflegung, können nicht mehr übliche Kosten der Verpflegung unterstellt werden. In einem solchen Fall werden die üblichen Kosten der Verpflegung berufsbedingt überschritten. Der entsprechende Mehraufwand ist, wenn er zwar glaubhaft gemacht wird, im Einzelnen aber nicht nachgewiesen werden kann, unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen zu schätzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Februar 1991, 90/13/0199, und vom 11. August 1993, 91/13/0150).

Im Beschwerdefall hat die Mitbeteiligte kein Vorbringen zu konkreten Mehraufwendungen oder zu einem erheblich höheren Preisniveau im Ausland erstattet. Dass die Verpflegungskosten in Deutschland erheblich über jenen in Österreich liegen würden, ist auch keine allgemein bekannte Erfahrungstatsache, die keines weiteren Beweises im Sinne des § 167 Abs. 1 BAO bedürfte. Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines relevanten Kaufkraftunterschiedes bejaht und sich dabei alleine auf die absolute Höhe der nach § 3 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 im Fall der Mitbeteiligten steuerfrei auszahlbaren Kaufkraftausgleichszulage nach § 21b GehG 1956 gestützt. Damit hat sie die Rechtslage verkannt. Der Beamte soll durch die Kaufkraftausgleichszulage in den Stand gesetzt werden, mit seinen Bezügen im Ausland Waren und Dienstleistungen in vergleichbarer Menge und Qualität erwerben bzw. in Anspruch nehmen zu können, wie er dies mit seinen in Euro ausgezahlten Bezügen im Inland könnte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1996, 96/12/0085, und vom 4. September 2014, 2013/12/0178, mit weiteren Nachweisen auf Vorjudikatur). Die Kaufkraftausgleichszulage dient somit keineswegs dazu, nur den hier in Rede stehenden Mehraufwand für Verpflegung abzugelten. In welcher Höhe und Gewichtung die gegenständlich strittigen Aufwendungen in die Berechnung der Kaufpreisparität Eingang gefunden haben, wurde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Ein Preisunterschied von lediglich 6% (geht man vereinfachend davon aus, dass diese Differenz auch für die gegenständlich relevante Warengruppe unterstellt werden kann) ist jedenfalls nicht als erheblich im Sinne der Rechtsprechung zu betrachten.

Auch die Tagessätze für Auslandsreisen nach der Reisegebührenvorschrift 1955 lassen mit ihrer Staffelung nach Gebührenstufen verlässliche Aussagen über das Vorliegen unterschiedlicher Preisniveaus im In- und Ausland nicht ohne weiteres zu. Die Annahme der belangten Behörde, der erhebliche Kaufkraftunterschied komme in typisierender Betrachtungsweise an Hand der Höchstsätze der Auslandsreisesätze für Bundesbedienstete zum Ausdruck, ist - wie das Finanzamt zutreffend aufzeigt - nicht mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang zu bringen. Dass Österreich das Land mit den niedrigsten Verpflegungskosten weltweit sei, trifft augenscheinlich nicht zu.

Wie eingangs ausgeführt, sind Aufwendungen für die Verpflegung grundsätzlich nicht abzugsfähige Aufwendungen der Lebensführung. Der Abzug solcher Aufwendungen als Werbungskosten stellt die Ausnahme dar und kann jedenfalls nur insoweit erfolgen, als der Mehraufwand unvermeidbar ist. Die Staffelung der Tagesgebühren nach Gebührenstufen bei Auslandsreisen ist Ausfluss der dienst- und besoldungsrechtlichen Stellung (vgl. § 3 Abs. 1 RGV 1955 in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011). Für einen Vergleich der Auslandstagessätze mit dem Inlandstagessatz bietet sich daher allenfalls die niedrigste Gehaltsstufe an, kann doch davon ausgegangen werden, dass auch Beamte, die nach § 3 Abs. 1 in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung der Reisegebührenvorschrift 1955 in die niedrigste Gebührenstufe einzureihen gewesen wären, noch Tagessätze in einer Höhe erhalten, welche den unvermeidbaren Verpflegungsmehraufwand abdecken. Im Beschwerdefall liegt der Tagessatz der Gebührenstufe 1 für Deutschland mit 22,50 EUR unter dem Inlandstagessatz von 26,40 EUR.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Wien, am 1. September 2015

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