VwGH 2012/15/0006

VwGH2012/15/000619.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der S GmbH in L, vertreten durch die Confida Graz Wirtschaftstreuhandgesellschaft mbH in 8010 Graz, Opernring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 1. Dezember 2011, Zl. RV/0314- G/08, betreffend Umsatzsteuer 2004 bis 2006, zu Recht erkannt:

Normen

62005CJ0146 Albert Collee VORAB;
UStG 1994 Anh Art7;
62005CJ0146 Albert Collee VORAB;
UStG 1994 Anh Art7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH handelt mit Kfz. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung gelangte der Prüfer zur Auffassung, dass hinsichtlich einiger der Kfz, deren Verkauf die Beschwerdeführerin als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung gewertet hat, die Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung nicht erfüllt seien. Es fehlten insbesondere der Nachweis für die Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat und die Identität des Abholenden. Es gehe dabei um folgende Kfz-Lieferungen:

Fall A: Lieferung an BO vom 18. Mai 2004.

Fall B: Lieferung an BO vom 18. Mai 2004.

Fall C: …

Fall D: Lieferung an BD vom 10. Juni 2005.

Fall E: Lieferung an MD vom 9. März 2006.

Nach Ansicht des Prüfers seien die Lieferungen dieser

Fahrzeuge als umsatzsteuerpflichtige Vorgänge zu behandeln.

In der Berufung gegen die aufgrund der Prüfungsfeststellungen

ergangenen Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2004 bis 2006 begehrte die Beschwerdeführerin, die Lieferungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln.

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung. Hinsichtlich der dem Fall C zugrunde liegenden Lieferung wurde der Berufung Folge gegeben. Hinsichtlich der Fälle A, B, D und E behandelte die belangte Behörde die Lieferungen hingegen als umsatzsteuerpflichtig.

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid aus, die Beschwerdeführerin habe im Berufungsverfahren Unterlagen beigebracht. Es lägen nunmehr folgende Unterlagen vor:

Fall A: eine Rechnung, die Zulassungsbestätigung aus Deutschland (Zulassung am 17. November 2004 auf Siegfried W), ein Nachweis der Verbringung vom 18. Mai 2004 durch die Firma Fahrzeugvertrieb MJ, Identitätsnachweis (Kopie des Reisepasses) des Abholenden Siegfried W.

Fall B: eine Rechnung, die Zulassungsbestätigung aus Deutschland (auf Agathe J), ein Nachweis der Verbringung vom 18. Mai 2004 durch Georg A, Identitätsnachweis (Kopie Personalausweis) des Abholenden Georg A.

Fall D: eine Rechnung, Identitätsnachweis (Kopie Personalausweis) des Abholenden Branko K, Abfrage der UID, Nachweis der Verbringung vom 10. Juni 2006 durch Viljem K, Identitätsnachweis (Kopie Personalausweis) des Viljem K.

Fall E: eine Rechnung, die Zulassungsbestätigung aus Slowenien (auf Barbara S), Nachweis der Verbringung vom 9. März 2006 durch Franc C.

Im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, zu Ungereimtheiten in den Fällen A, B, D und E (die Zulassungen seien nicht auf den Käufer erfolgt, die Beziehung zwischen den Abholenden und den Käufern sei unklar) Stellung zu nehmen.

Die Beschwerdeführerin habe sodann mit Schreiben vom 2. November 2011 vorgebracht:

Zu den Fällen A und B: Zunächst sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass die Fa. Fahrzeugvertrieb MJ die Kfz abholen werde. Ein Kfz sei aber dann von Georg A (Mitarbeiter der BO) abgeholt worden. Ob bzw. an wen die Kfz weiter verkauft worden seien, liege nicht im Einflussbereich der Beschwerdeführerin.

Fall D: Branko K und Viljem S seien Mitarbeiter von BD; dies könne allerdings nicht mehr nachgewiesen werden, weil es "die Firma" nicht mehr gebe. Ob bzw. an wen das Kfz weiter verkauft worden sei, liege nicht im Einflussbereich der Beschwerdeführerin.

Fall E: Franc C, der das Auto abgeholt habe, sei Mitarbeiter der Firma MD. Ob bzw. an wen das Kfz weiter verkauft worden sei, liege nicht im Einflussbereich der Beschwerdeführerin.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, es sei strittig, ob die Voraussetzungen für innergemeinschaftliche Lieferungen gegeben seien. Steuerfrei seien innergemeinschaftliche Lieferungen iSd Art 7 UStG, wenn folgende Voraussetzungen vorlägen:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer habe den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

2. Der Abnehmer sei ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben habe.

3. Der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung sei beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

Als Beförderungsnachweis sehe § 3 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl. Nr. 401/1996, in Abholfällen eine Erklärung des Abnehmers vor, dass er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern werde. Zusätzlich sei gemäß § 6 der Verordnung die Identität des Beauftragten des Abnehmers festzuhalten. Unstrittig sei, dass im Zeitpunkt des Verkaufes weder eine solche Erklärung vorgelegen noch die Identität des Abholenden festgehalten oder die UID der Abnehmer auf ihre Richtigkeit überprüft worden sei. Die Beschwerdeführerin habe aber im Zuge der Berufung diese Nachweise beigebracht. Die belangte Behörde habe bereits in einer Entscheidung vom 31. Jänner 2005 ausgesprochen, die Tatsache, dass Nachweise erst nachträglich erbracht würden, könne die Versagung der Steuerfreiheit nicht rechtfertigen. Sie halte die Ansicht aufrecht. Es ergebe sich nämlich aus dem Unionsrecht unzweifelhaft, dass - entgegen den strengen Regelungen für Abholfälle in der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 - die Nachweise für die Erfüllung der Voraussetzungen der Steuerbefreiung auch jederzeit im Berufungsverfahren nachgereicht werden könnten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. November 2002, 98/13/0038, sowie die Urteile des EuGH vom 19. September 2000, C-454/98 , Schmeink & Cofreth, und vom 27. September 2007, C-146/05 , Albert Collee). Dem entspreche auch die Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 30. März 2006, V R 47/03, und vom 1. Februar 2007, V R 41/04).

Hinsichtlich des Vorganges C habe die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiung nachgewiesen.

"Anders verhält es sich in den übrigen Fällen: Die beiden an die Firma (BO) veräußerten Fahrzeuge wurden nicht auf den Käufer angemeldet. Im Fall A ist überdies unklar, wer der Abholende, Herr (Siegfried W ), ist: Auf seinen Namen wurde nämlich das Fahrzeug angemeldet, gleichzeitig findet sich in den Unterlagen, in denen der Fahrzeugvertrieb (MJ) den Transport bestätigt, eine Kopie seines Reispasses. Aufgeklärt werden konnten diese Ungereimtheiten nicht. Für den Verkauf an die Firma (BD) liegen zwei Kopien von Personalausweisen vor, wobei diese Herren angeblich Mitarbeiter der Firma sind. Eine Zulassung auf den Käufer ist allerdings nicht dokumentiert. Ebenso wenig kann die Behauptung, die Herren seien Mitarbeiter, untermauert werden. Beim Verkauf an die Firma (MD) hat sich durch den im Zuge späterer Wartungsarbeiten am KFZ vorgelegten Zulassungsschein überhaupt herausgestellt, dass das KFZ tatsächlich nicht für das Unternehmen (MD), sondern für die Tochter eines Angestellten gekauft wurde."

Die Beschwerdeführerin habe sohin hinsichtlich der Fälle A, B, D und E nicht nachweisen können, dass die materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit vorlägen.

Im Übrigen sei auch die in Art. 7 Abs. 4 UStG vorgesehene "Vertrauensschutzregelung" (Steuerfreiheit, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf falschen Angaben des Abnehmers beruhe) im gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Die Beschwerdeführerin sei nämlich nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vorgegangen, weil sie die im Gesetz vorgesehenen Nachweise bei Durchführung der Lieferung nicht "abverlangt" habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß Art. 6 Abs. 1 UStG 1994 sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) steuerfrei.

Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 lautet auszugsweise:

"Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

  1. b)
  2. c)

    3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein."

Der inländische Lieferer hat den Nachweis der materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 zu erbringen. Dabei ist für die Nachweisführung nicht auf bloß formelle Belange, insbesondere den Zeitpunkt der Nachweiserbringung, abzustellen. Vielmehr reicht auch eine spätere Nachweisführung im Abgabenverfahren aus. Dem liefernden Unternehmer muss der Nachweis gelingen, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2012, 2009/15/0146).

Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Rechtsauffassung, wonach die Beschwerdeführerin den Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerfreiheit auch noch im Berufungsverfahren erbringen kann, erweist sich sohin als zutreffend.

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid im Weiteren aus, hinsichtlich der Fälle A, B, D und E sei der Beschwerdeführerin die Nachweiserbringung auch nicht im Berufungsverfahren gelungen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt aber im Dunkeln, für welche der Voraussetzungen der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung iSd Art. 7 UStG 1994 der Nachweis fehlt. Der angefochtene Bescheid lässt nicht erkennen, ob die belangte Behörde daran zweifelt, dass BO, BD und MD die Abnehmer der Lieferungen der Beschwerdeführerin waren, oder ob sie allenfalls daran zweifelt, dass die genannten Personen zwar Abnehmer waren, aber die gelieferten Gegenstände nicht für ihr Unternehmen erworben haben bzw. mit den Erwerben nicht erwerbsteuerpflichtig waren.

Wie die Beschwerde zu Recht aufzeigt, kann die Begründung des angefochtenen Bescheides dahingehend verstanden werden, dass die belangte Behörde in das Zentrum ihrer Überlegungen stellt, auf wen die Kfz in den anderen Mitgliedstaaten kraftfahrrechtlich "angemeldet" worden sind. Die kraftfahrrechtliche Anmeldung stellt aber keine Voraussetzung für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nach Art. 7 UStG 1994 dar. Die Anmeldung kann zwar ein Indiz dafür sein, wer Abnehmer einer Kfz-Lieferung gewesen ist; ob die belangte Behörde diesen Umstand als Indiz verstanden wissen wollte und welche Schlüsse sie daraus im Rahmen ihrer Beweiswürdigung gezogen hat, lässt der angefochtene Bescheid aber offen. Auch in Bezug auf den Fall E ist der Bescheidbegründung nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, ob die belangte Behörde MD als Abnehmer der Lieferung ansieht, an welche sich eine weitere Lieferung an die (offenkundig im Zulassungsschein genannte) Tochter eines Angestellten von MD anschließt, oder ob sie annimmt, die Tochter des Angestellten von MD sei in Wahrheit die Abnehmerin der von der Beschwerdeführerin getätigten Lieferung.

Der Mangel in der Begründung des angefochtenen Bescheides hindert den Verwaltungsgerichtshof daran zu prüfen, ob die belangte Behörde die in Rede stehenden Lieferungen zu Recht als steuerpflichtig behandelt hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 455/2008.

Wien, am 19. Dezember 2013

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