VwGH 98/13/0038

VwGH98/13/003828.11.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. jur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der SR in R, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Dezember 1997, Zl. GA 17-96/4433/02, betreffend Festsetzung einer Umsatzsteuergutschrift für Februar 1996, zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art22 Abs8;
61998CJ0454 Schmeink Cofreth VORAB;
UStG 1972 §11 Abs12;
UStG 1972 §11 Abs14;
UStG 1994 §11 Abs12;
UStG 1994 §11 Abs14;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art22 Abs8;
61998CJ0454 Schmeink Cofreth VORAB;
UStG 1972 §11 Abs12;
UStG 1972 §11 Abs14;
UStG 1994 §11 Abs12;
UStG 1994 §11 Abs14;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 973,04 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hatte mit Rechnungen vom 31. Juli 1993 und 31. Dezember 1993 der A. GmbH für die Überlassung ihres Kundenstocks einen Betrag von insgesamt S 500.000,-- unter Ausweis von 20 % Umsatzsteuer im Betrag von insgesamt S 100.000,-- in Rechnung gestellt.

Während diese Rechnungslegung und der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt im Zuge einer über das Unternehmen der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung unbeanstandet blieb, wurde im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung über das Unternehmen der A. GmbH die Auffassung vertreten, dass die in den genannten Rechnungen verrechnete Leistung nicht habe erbracht werden können, weil die Beschwerdeführerin über einen Kundenstock gar nicht verfügt habe. Es stehe der Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen im Betrage von S 100.000,-- der A. GmbH daher nicht zu. Ein im Ergebnis der Auffassung des Prüfers vom Finanzamt an die A. GmbH nach Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 1993 neu erlassener Umsatzsteuerbescheid für dieses Jahr, in welchem der von der A. GmbH geltend gemachte Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt wurde, erwuchs in Rechtskraft.

Fünf Tage nach der am 24. Jänner 1996 stattgefundenen Schlussbesprechung im Prüfungsverfahren der A. GmbH, nämlich am 31. Jänner 1996 legte die Beschwerdeführerin der A. GmbH eine Rechnung über "Kundenstock" in Höhe von S 500.000,-- ohne Umsatzsteuerausweis.

Mit einem beim Finanzamt am 8. Mai 1996 eingelangten Anbringen machte die Beschwerdeführerin für den Kalendermonat Februar 1996 einen Umsatzsteuerüberschuss in Höhe von S 100.000,-- geltend und beantragte dessen Überrechnung auf das Abgabenkonto der A. GmbH. Erläuternd führte sie dazu aus, dass sie mit der A. GmbH aus dem Grunde der mangels Leistungsaustausches erfolgten Verweigerung des Vorsteuerabzuges durch die Abgabenbehörde übereingekommen sei, die Rechnungen aus dem Jahre 1993 zu korrigieren und den Betrag mit 31. Jänner 1996 ohne Mehrwertsteuer in Rechnung zu stellen. Die Rechnung vom 31. Jänner 1996 schloss die Beschwerdeführerin ihrem Anbringen ebenso an wie die mit Stornovermerken versehenen Rechnungen vom 31. Juli 1993 und 31. Dezember 1993 und eine Ablichtung der dazu erstatteten Ausführungen des Prüfers im Prüfungsbericht über das Unternehmen der A. GmbH.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde das Begehren der Beschwerdeführerin auf Festsetzung einer Umsatzsteuergutschrift für den Monat Februar 1996 in Höhe von S 100.000,-- im Instanzenzug mit der Begründung abgewiesen, die Beschwerdeführerin schulde die seinerzeit in Rechnung gestellte Umsatzsteuer aus dem Grunde des § 11 Abs. 14 UStG 1972 deshalb, weil sie in Kenntnis des Umstandes, dass ein Kundenstock nicht existiert habe und für einen solchen deshalb auch kein Erlös habe erzielbar sein können, trotzdem Rechnungen mit Umsatzsteuer ausgestellt habe, um dadurch ungerechtfertigte Steuervorteile für sich und die A. GmbH in Anspruch nehmen zu können. Der vorliegende Sachverhalt sei als Missbrauch zu qualifizieren und führe deshalb zu einer ungemilderten Anwendung der Bestimmung des § 11 Abs. 14 UStG 1972.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Während die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift im Wesentlichen die behördliche Beurteilung angreift, sie habe den Umsatzsteuerausweis in ihren Rechnungen aus dem Jahre 1993 nicht irrtümlich und gutgläubig, sondern wissentlich und damit missbräuchlich vorgenommen, verweist sie in einem ergänzenden Schriftsatz im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf das Urteil des EuGH vom 19. September 2000, Rs C-454/98 , Schmeink & Cofreth AG & Co. KG und Manfred Strobel, aus dessen Tenor hervorgehe, dass eine Rechnungsberichtigung für Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis, denen keine Lieferung oder sonstige Leistung zu Grunde liege, jedenfalls dann zu erfolgen habe, wenn damit keine Gefährdung des Steueraufkommens verbunden sei. Ein solcher Sachverhalt liege im Beschwerdefall vor.

Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem ergänzenden Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof führt die Beschwerde zum Erfolg:

Die Regelungen des § 11 Abs. 12 und Abs. 14 haben im Umsatzsteuergesetz 1994 den gleichen Wortlaut wie im Umsatzsteuergesetz 1972 und lauten wie folgt:

"(12) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt. Im Falle der Berichtigung gilt § 16 Abs. 1 sinngemäß.

(14) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet diesen Betrag."

Auch die im letzten Satz des § 11 Abs. 12 der Umsatzsteuergesetze 1972 und 1994 verwiesene Bestimmung des § 16 Abs. 1 ist in beiden Umsatzsteuergesetzen gleich lautend und hat folgenden Wortlaut:

"§ 16. (1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 geändert, so haben

1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und

2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist."

Auf Grund der von der Beschwerdeführerin am 31. Jänner 1996 vorgenommenen Rechnungsberichtigung hatte die belangte Behörde im Sinne der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 2 letzter Satz UStG 1994 die Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Vornahme der Rechnungsberichtigung damit nicht auf der Grundlage der durch das Umsatzsteuergesetz 1972, sondern der durch das Umsatzsteuergesetz 1994 gestalteten Rechtslage zu beurteilen und in dieser rechtlichen Beurteilung dabei zwangsläufig auch die Vorgaben des Gemeinschaftsrechtes zu beachten.

Wie der EuGH in seinem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Urteil vom 19. September 2000, Rs C-454/98 , Schmeink & Cofreth AG & Co. KG und Manfred Strobel, ausgesprochen hat, dürfen Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern erlassen dürfen, um die genaue Erhebung der Steuer zu gewährleisten und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt. Hat der Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt, so ist es zur Gewährleistung der Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen nicht erforderlich, dass er seinen guten Glauben nachweist. Erst wenn sich herausstellt, dass die Rückabwicklung eines gewährten Vorsteuerabzugs beim Rechnungsempfänger nicht mehr möglich ist, kommt zur Herstellung der Steuerneutralität eine Ausfallhaftung des Ausstellers der Rechnung in Betracht. Ist eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen, dann darf die Berichtigung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer nicht im Ermessen der Finanzverwaltung stehen, hat der EuGH im genannten Urteil auch ausgeführt.

Im Ergebnis dieser Rechtsauslegung des Gemeinschaftsrechtes durch das zitierte Urteil des EuGH erweist sich das in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelte Abgrenzungskriterium für den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 12 UStG 1972 und 1994 einerseits und des § 11 Abs. 14 leg. cit. andererseits nach dem Vorliegen einer gutgläubigen oder missbräuchlichen Rechnungsausstellung (siehe die bei Ruppe, UStG 19942, § 11 Tz 119 ff angeführten Nachweise und angestellten Überlegungen) in solchen Fällen als nicht mehr relevant, in denen aus der verfehlten Rechnungsausstellung mit Umsatzsteuerausweis eine Gefährdung des Steueraufkommens nicht erwächst. Diesfalls kann eine Berichtigung der Rechnung auch dann nicht verwehrt werden, wenn ihre Ausstellung mit Umsatzsteuerausweis nicht gutgläubig erfolgt war.

Im Beschwerdefall wurde die von der A. GmbH auf Grund der von der Beschwerdeführerin ausgestellten Rechnungen des Jahres 1993 lukrierte Vorsteuer im Ergebnis des gegenüber der A. GmbH im wieder aufgenommenen Verfahren ergangenen Umsatzsteuerbescheides vom 13. Mai 1996 rechtskräftig zurückgefordert. Der Beschwerdeführerin im Gegenzug die Berichtigung ihrer Rechnungen zu verwehren, wäre damit mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundprinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer nur dann in Einklang zu bringen gewesen, wenn der Rückforderungsanspruch des Abgabengläubigers gegenüber der A. GmbH etwa nicht einbringlich gewesen wäre, sodass von einer aufrechten Gefährdung des Steueraufkommens hätte gesprochen werden können. Einen solchen Sachverhalt aber hat die belangte Behörde nicht festgestellt (vgl. hiezu auch die diesbezüglichen Ausführungen in dem zu einem vergleichbaren Fall ergangenen hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2001, 2001/14/0023).

Indem die belangte Behörde den von ihr festgestellten Umstand, dass die Beschwerdeführerin bei Ausstellung der Rechnungen im Jahr 1993 missbräuchlich und nicht gutgläubig gehandelt habe, als allein ausreichend angesehen hat, in Anwendung der Bestimmung des § 11 Abs. 14 UStG 1972 mit dem Ergebnis einer Pönalwirkung dieser Norm eine Rechnungsberichtigung ohne Bedachtnahme auf die Frage zu verweigern, ob eine Gefährdung des Steueraufkommens durch die verfehlte Rechnungsausstellung ausgeschlossen werden kann, hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001. Stempelgebührenersatz konnte nur im angesprochenen Betrag zuerkannt werden.

Wien, am 28. November 2002

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