VwGH 2012/10/0141

VwGH2012/10/014122.10.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der RL in Wien, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in 2225 Zistersdorf, Hauptstraße 25, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. Juli 2012, Zl. GS5- SH-23667/010-2012, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art131;
MSV NÖ 2010 §1 ;
SHG NÖ 2000 §41 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
B-VG Art131;
MSV NÖ 2010 §1 ;
SHG NÖ 2000 §41 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §63 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. November 2010 verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin gemäß § 41 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes 2000 - NÖ SHG zum Kostenersatz in Höhe von EUR 12.048,50 für die (ihrem Stiefvater) J.A. bewilligte Sozialhilfe.

Begründend führte die belangte Behörde - auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, der Beschwerdeführerin sei aufgrund eines Schenkungsvertrages vom 4. Dezember 2006 von J.A. ein Hälfteanteil einer näher bezeichneten Liegenschaft übergeben worden; nach einer durch einen Amtssachverständigen vorgenommenen liegenschaftstechnischen Bewertung der Liegenschaft zum Stichtag 10. Dezember 2009 betrage der "Schenkungsanteil für die halbe Liegenschaft" EUR 14.750,--. (Dem lag ein durch den Amtssachverständigen ermittelter Verkehrswert der Liegenschaft in Höhe von EUR 93.100,-- zugrunde, von dem die belangte Behörde aus dem Titel des den Geschenkgebern eingeräumten Wohnrechtes EUR 63.600,-- abzog.

Entgegen dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin sei das hinsichtlich der Liegenschaft (zugunsten der Mutter der Beschwerdeführerin) vereinbarte Belastungs- und Veräußerungsverbot bei der Verkehrswertermittlung gemäß § 2 Abs. 1 Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) nicht zu berücksichtigen und bleibe daher auch bei der Ermittlung der Höhe des Geschenkwertes nach § 41 Abs. 2 NÖ SHG außer Betracht.

Die Beschwerdeführerin habe somit von J.A. Vermögen im Wert von EUR 14.750,-- ohne entsprechende Gegenleistung erhalten; sie sei somit nach § 41 NÖ SHG im Ausmaß dieses Geschenkwertes abzüglich des Fünffachen des Richtsatzes für Alleinstehende in Höhe von EUR 2.701,50, sohin im Ausmaß von insgesamt EUR 12.048,50, für die entstandenen Sozialhilfekosten ersatzpflichtig.

Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2011/10/0049, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In den Entscheidungsgründen führte der Gerichtshof darin u.a. Folgendes aus:

"Regelungszweck des § 41 NÖ SHG ist es, die in einem zeitlichen Naheverhältnis zur Gewährung von Hilfe nach diesem Gesetz beim Beschenkten eingetretene Vermögensvermehrung - soweit diese einen bestimmten Sockelbetrag (das Fünffache des Richtsatzes für Alleinstehende) übersteigt - abzuschöpfen, wozu eine Ermittlung des Ausmaßes der eingetretenen Vermögensvermehrung unerlässlich ist.

Aus diesem Grund hätte die belangte Behörde das hinsichtlich des geschenkten Liegenschaftsanteiles unstrittig zu Gunsten der Mutter der Beschwerdeführerin bestehende Veräußerungs- und Belastungsverbot bei ihrer Beurteilung nach § 41 NÖ SHG nicht außer Acht lassen dürfen; vielmehr hätte die belangte Behörde das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin eingetretenen Vermögensvermehrung unter Berücksichtigung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes - und unter Beiziehung eines Sachverständigen - ermitteln müssen."

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz‑)Bescheid vom 2. Juli 2012 verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin gemäß § 41 NÖ SHG dazu, hinsichtlich der mit Bescheiden vom 7. Oktober 2008 und vom 12. Mai 2009 dem J.A. bewilligten Sozialhilfe Kostenersatz in Höhe von EUR 10.883,70 zu leisten.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die in Höhe von EUR 19.266,37 ungedeckt aushaftenden Heimkosten für J.A. seien im Verwaltungsverfahren nicht bestritten worden. Die Beschwerdeführerin sei auch der von einem Amtssachverständigen mit Gutachten vom 16. Februar 2010 vorgenommenen liegenschaftstechnischen Bewertung der gesamten gegenständlichen Liegenschaft mit einem Verkehrswert von EUR 93.100,-- und der Bewertung eines den Geschenkgebern M. und J.A. eingeräumten lebenslänglichen Wohnungsgebrauchsrechtes am gesamten Schenkungsgegenstand mit EUR 63.600,-- nicht auf der gleichen fachlichen Ebene entgegengetreten.

Entsprechend dem im angeführten Erkenntnis zur Zl. 2011/10/0049 enthaltenen Auftrag sei ein Amtssachverständiger mit der Bewertung des betreffend die Liegenschaft zugunsten der Mutter der Beschwerdeführerin verbücherten Belastungs- und Veräußerungsverbotes beauftragt worden. Dieser habe - nach eingehender fachlicher Erörterung des Auftrages im Zuge eines "Quervernetzungstreffens" von Amtssachverständigen für Liegenschaftsbewertung - festgestellt, dass weder in den bisherigen Tätigkeiten der Amtssachverständigen im Fachbereich Liegenschaftsbewertung noch in der einschlägigen Literatur bisher eine Bewertungsmethode für ein verbüchertes Belastungs- und Veräußerungsverbot angewendet oder festgelegt worden sei. Eine allgemein gültige Grundlage für die Bewertung einer Liegenschaft biete das LBG, dessen § 2 als Bewertungsgrundsatz die Bewertung einer Sache mit dem "Verkehrswert" vorsehe. Gemäß § 2 Abs. 2 LBG sei der Verkehrswert jener Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden könne. Ein Belastungs- und Veräußerungsverbot beeinflusse jedoch den Verkehrswert nicht, weil die Liegenschaft ohne Zustimmung des Begünstigten überhaupt nicht veräußert werden könne oder aber bei Veräußerung mit Zustimmung des Begünstigten keinerlei Wertminderung zum Tragen komme, weil das Belastungs- und Veräußerungsverbot mit der Veräußerung ende.

Zusammenfassend habe die vorliegende Fragestellung aus der Sicht der Amtssachverständigen für Liegenschaftsbewertung nach neuerlicher Erörterung das Ergebnis gebracht, dass ein Belastungs- und Veräußerungsverbot nicht bewertbar sei bzw. dass keine Erfahrungen bzw. Methoden für eine solche Bewertung bekannt seien.

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nach Einräumung von Parteiengehör zu dieser Stellungnahme des Amtssachverständigen erachtete es die belangte Behörde nicht als notwendig, einen "externen Sachverständigen" mit der Bewertung unter Berücksichtigung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zu beauftragen. Im Verwaltungsverfahren seien (mit Blick auf § 52 AVG) grundsätzlich Amtssachverständige beizuziehen; im konkreten Fall sei die Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen weder aufgrund der Besonderheit des Falles noch zur Beschleunigung des Verfahrens notwendig.

Da das gegenständliche Belastungs- und Veräußerungsverbot somit keinen in Geld veranschlagbaren Wert habe, ging die belangte Behörde abschließend - wie im ersten Rechtsgang - (unter Berücksichtigung eines zugunsten der Geschenkgeber eingeräumten Wohnrechts) von einer aufgrund der durch Schenkung übertragenen Liegenschaftshälfte bei der Beschwerdeführerin eingetretenen Vermögensvermehrung im Ausmaß von EUR 14.750,-- aus, weshalb diese unter Berücksichtigung der (nunmehr höheren) Freibetragsgrenze von EUR 3.866,30 gemäß § 41 Abs. 1 NÖ SHG zu einem Kostenersatz in Höhe von EUR 10.883,70 verpflichtet sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

NÖ SHG (idF LGBl. Nr. 9200-10):

"§ 41

Ersatz durch den Geschenknehmer

(1) Hat ein Hilfeempfänger innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Hilfeleistung, während oder drei Jahre nach der Hilfeleistung Vermögen verschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung an andere Personen übertragen, so ist der Geschenknehmer (Erwerber) zum Kostenersatz verpflichtet, soweit der Wert des Vermögens das Fünffache des Mindeststandards für eine alleinstehende Person gemäß der NÖ Mindeststandardverordnung, LGBl. 9205/1-0 übersteigt.

(2) Die Ersatzpflicht ist mit der Höhe des Geschenkwertes (Wert des ohne entsprechende Gegenleistung übernommenen Vermögens) begrenzt."

NÖ Mindeststandardverordnung (idF LGBl. Nr. 9205/1-2):

"§ 1

Geldleistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes

(1) Der Mindeststandard an monatlichen Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes beträgt für:

1. für Alleinstehende oder Alleinerziehende:

579,95 Euro;

(…)

(2) Der Mindeststandard an monatlichen Geldleistungen zur Deckung des Wohnbedarfes beträgt für Personen, mit Ausnahme solcher, die eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim bewohnen:

1. Alleinstehende oder Alleinerziehende:

bis zu 193,31 Euro;"

2. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung durch das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beachtet; die Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes mindere den Geschenkwert iSd § 41 Abs. 2 NÖ SHG in einem Ausmaß, welches durch einen beizuziehenden Sachverständigen "in einem Barwert" festzulegen sei. Die belangte Behörde habe entgegen § 39 AVG die Einholung eines Sachverständigenbeweises zur Frage der Bewertung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes unterlassen.

3. Damit zeigt die Beschwerde allerdings keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

3.1. Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Bei der Erlassung des Ersatzbescheides ist die Behörde daher an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsansicht gebunden (vgl. die Nachweise aus der hg. Rechtsprechung bei Mayer, B-VG4 VwGG § 63 Anm. II.).

3.2. Im hier maßgeblichen Vorerkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2011/10/0049, hat der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde in diesem Sinn die Rechtsauffassung überbunden, dass bei der Feststellung des Wertes des Vermögens nach § 41 Abs. 2 NÖ SHG ein auf dem geschenkten Liegenschaftsteil haftendes Belastungs- und Veräußerungsverbot zu berücksichtigen sei.

Demgemäß hat die belangte Behörde entsprechende Ermittlungen angestellt und ist auf der Grundlage der Befassung eines Amtssachverständigen für Liegenschaftsbewertung zur Auffassung gelangt, dass der Wert des geschenkten Vermögens unter Berücksichtigung des darauf lastenden Wohnrechts und des Belastungs- und Veräußerungsverbotes EUR 14.750,-- betrage.

3.3. Dabei handelt es sich insoweit um die Lösung einer Tatfrage. Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid auf der Grundlage des von der Behörde festgestellten Sachverhalts zu prüfen, es sei denn, dass er Rechtswidrigkeit (u.a.) wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften für gegeben findet.

Nun macht die Beschwerde unter dem Titel der Verletzung von Verfahrensvorschriften lediglich geltend, die belangte Behörde habe die Einholung von Befund und Gutachten eines Sachverständigen unterlassen. Dabei übergeht sie, dass sich die Behörde eines Amtssachverständigen bedient und bei der Begründung ihres Bescheides auf dessen Darlegung zurückgegriffen hat.

Den Ausführungen des Amtssachverständigen war zu entnehmen, dass der Wert des geschenkten Vermögens unter Berücksichtigung des darauf lastenden Wohnrechts und des Belastungs- und Veräußerungsverbotes EUR 14.750,-- betrage, wobei mangels entsprechender erfassbarer Bezugsgrößen die Berücksichtigung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zu keiner Minderung des Wertes des übernommenen Vermögens führe. Eine dementsprechende Feststellung hat die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde gelegt.

Eine Rechtswidrigkeit dieser tatsächlichen Annahme zeigt aber die Beschwerde nicht auf, zumal sie nicht einmal ansatzweise darlegt, auf der Grundlage welcher Methode die Behörde zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren, der Realität näher kommenden Ergebnis hätte gelangen können.

4. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. Oktober 2013

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