Normen
VwGG §24 Abs1;
VwGG §24 Abs2;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §24 Abs1;
VwGG §24 Abs2;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird Folge gegeben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde - im Instanzenzug - aus, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Jänner 2005 bis 31. Dezember 2008 nicht der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz iVm § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BSVG unterlegen ist. Der Bescheid weist die Rechtsmittelbelehrung auf, dass gegen ihn eine Berufung unzulässig ist. Weiter findet sich folgender Hinweis:
"Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von 6 Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und/oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde ist durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt/eine bevollmächtigte Rechtsanwältin einzubringen."
Am 11. Juni 2012 (um 20.49 Uhr) richtete der zu diesem Zeitpunkt nicht vertretene Beschwerdeführer per E-Mail an die "office"-Adresse des Verwaltungsgerichtshofes eine (mangelhafte) Beschwerde. Im E-Mail wurde ausgeführt:
"anbei finden Sie die gescannten Seiten der Beschwerdeschrift bezüglich des oben angeführten Geschäftszeichens.
Leider ist es nicht möglich gewesen diese Seiten per Fax zu übermitteln, da Ihrerseits stets ein Besetzt-Zeichen zu vernehmen war, es wird morgen Früh erneut Ihnen dieses Schreiben per Fax zu übermitteln."
Mit Postaufgabe vom 12. Juni 2012 wurde die Beschwerde (unvertreten) im Original eingebracht.
Mit Verfügung vom 19. Juni 2012 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die Beschwerde als verspätet erscheine, da die Einbringung der Beschwerde per E-Mail keine Rechtswirkungen erzeuge; es wurde die Möglichkeit eingeräumt, hiezu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Diese Verfügung wurde dem Beschwerdeführer am 25. Juni 2012 zugestellt.
Mit dem am 9. Juli 2011 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und holt die versäumte Rechtshandlung (Erhebung der Beschwerde) nach.
Der Beschwerdeführer bringt zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, der angefochtene Bescheid sei ihm am 30. April 2012 zugestellt worden. An diesem Tag habe er die Nachricht erhalten, dass sich seine Mutter in einem äußerst schlechten Gesundheitszustand befinde und sie stationär im Krankenhaus behandelt werden müsse. Er habe zu seiner Mutter eine starke emotionale Bindung gehabt und habe sich große Sorgen gemacht. Am 15. Mai 2012 sei seine Mutter verstorben. Durch die nachfolgenden Behördenwege und organisatorischen Maßnahmen (Begräbnisfeierlichkeiten, Notartermine, etc.) sei er sehr angespannt gewesen. Er sei außerdem irrtümlich davon ausgegangen, dass eine Beschwerdeschrift an den Verwaltungsgerichtshof fristwahrend auch per E-Mail eingebracht werden könne. Er habe am letzten Tag der Beschwerdefrist (11. Juni 2012) zunächst versucht, die Beschwerde per Telefax an den Verwaltungsgerichtshof zu übermitteln. Dies sei allerdings nicht möglich gewesen, weil das Faxgerät des Verwaltungsgerichtshofes trotz mehrmaliger Versuche besetzt gewesen sei, sodass das Telefax nicht habe übertragen werden können. Dies sei für ihn ein unvorhergesehenes Ereignis gewesen, weil er nicht damit habe rechnen können, dass das Versenden per Fax nicht funktionieren werde. Er sei davon ausgegangen, dass die Beschwerdefrist dennoch gewahrt bleibe, wenn er zusätzlich die Beschwerdeschrift per E-Mail an die "office"- Adresse des Verwaltungsgerichtshofes sende. Als juristischem Laien sei ihm zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Einbringung einer Beschwerde per E-Mail keine Rechtswirkungen erzeuge. Er sei davon ausgegangen, dass eine öffentlich zur Verfügung gestellte E-Mail-Adresse des Verwaltungsgerichtshofes auch zur Einbringung von Beschwerden (rechtswirksam) verwendet werden könne. Er habe keine Zweifel an der Zulässigkeit der Einbringung eines Schriftsatzes per E-Mail oder per Telefax gehabt. Er habe daher irrtümlich durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis die Frist zur Einbringung der Beschwerde versäumt; an der Säumnis treffe ihn kein relevantes Verschulden.
Zur Bescheinigung seines Vorbringens legte der Beschwerdeführer eine Kopie des Begleit-E-Mails vom 11. Juni 2012 sowie eine eidesstättige Erklärung vor.
Der Antrag des Beschwerdeführers ist berechtigt.
1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Das VwGG enthält in seinem II. Abschnitt (Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes) im 1. Unterabschnitt (Allgemeine Bestimmungen über Beschwerden) nach den Bestimmungen über die "Parteien" (§§ 20 bis 23 VwGG) eine besondere Regelung für den Verkehr der Parteien mit dem Verwaltungsgerichtshof in Beschwerdeverfahren. § 24 Abs. 1 VwGG lautet:
"Schriftsätze
§ 24. (1) Die Beschwerden und sonstigen Schriftsätze sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Von jedem Schriftsatz samt Beilagen sind so viele gleichlautende Ausfertigungen beizubringen, daß jeder vom Verwaltungsgerichtshof zu verständigenden Partei oder Behörde eine Ausfertigung zugestellt und überdies eine für die Akten des Gerichtshofes zurückbehalten werden kann. Sind die Beilagen sehr umfangreich, so kann die Beigabe von Ausfertigungen unterbleiben. Beilagen gemäß § 28 Abs. 5 sind nur in einfacher Ausfertigung beizubringen."
Angesichts dieser besonderen Regelung im VwGG kommen nach § 62 Abs. 1 leg.cit. die diesbezüglichen Regelungen im AVG für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht zum Tragen.
Die Vorschrift des § 24 Abs. 1 VwGG verlangt, dass die Parteien im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens an den Verwaltungsgerichtshof schriftlich herantreten, und derart insbesondere ihre Beschwerden schriftlich einbringen. Sie beinhaltet angesichts der vom zweiten Satz der zitierten Bestimmung geforderten Ausfertigungen, dass der Schriftsatz beim Verwaltungsgerichtshof als Urkunde einzubringen ist. Andernfalls liegt für den Verwaltungsgerichtshof keine wirksame Eingabe, insbesondere keine wirksame Beschwerde vor, die Rechtswirkungen auslösen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 2010, Zl. 2010/03/0103).
Auf dem Boden dieser Rechtslage vermochte die dem Verwaltungsgerichtshof nicht in der Form einer Ausfertigung, sondern als elektronische Nachricht zugeleitete Urbeschwerde keine Rechtswirkungen zu erzeugen; der erst am 12. Juni 2012 zur Post gegebene Schriftsatz erwies sich daher als verspätet.
2. Auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes (unter "Kontakt") werden Telefon- und Faxnummer angeführt; weiter findet sich dort ein Kontaktformular, wobei darauf hingewiesen wird, dass Beschwerden, Anträge und Anfragen per E-Mail nicht rechtswirksam eingebracht werden können. Auch unter "Verfahren - Verfahrenseinleitung" findet sich der Vermerk, dass Beschwerden, Anträge und Anfragen per E-Mail nicht rechtswirksam eingebracht werden können. Unter "Impressum" findet sich die Anschrift des Verwaltungsgerichtshofes samt Telefonnummer, Faxnummer sowie "office"-E-Mail-Adresse. Ein Hinweis darauf, dass per E-Mail eine Beschwerde nicht rechtswirksam eingebracht werden kann, findet sich hier nicht; es wird nur darauf verwiesen, dass auch das Kontaktformular verwendet werden solle; damit erreiche die Frage sofort die richtige Ansprechperson.
Auch dem Beschwerdeführer als rechtsunkundigem Bescheidadressaten musste aufgrund des Hinweises im angefochtenen Bescheid klar sein, dass die Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die Beiziehung eines Rechtsanwaltes erforderte. Wenn der Beschwerdeführer dessen ungeachtet zunächst per Telefax und sodann per E-Mail versuchte, unvertreten eine Beschwerde einzubringen, so ist die Versäumung der Frist nicht als unverschuldet zu werten. Dieses Verschulden hat aber den minderen Grad des Versehens nicht überschritten:
Der Beschwerdeführer versuchte zunächst, die Beschwerde per Telefax einzubringen, was zumindest (als verbesserungsfähige Beschwerde) fristwahrend gewesen wäre. Dass dieser Versuch - infolge Besetzt-Zeichens - scheiterte, war für den Beschwerdeführer unvorhergesehen. Hinsichtlich (des Versuches) der Einbringung einer Beschwerde per E-Mail lag ein Rechtsirrtum des unvertretenen Beschwerdeführers (über die Fristwahrung durch diese Einbringung) vor. Anders als in jenem, dem Beschluss vom 16. März 2011, Zl. 2011/08/0033, zugrunde liegenden Fall wurde hier die Beschwerde per E-Mail nicht im Wege des Kontaktformulars, sondern im Wege der "office"-E-Mailadresse eingebracht. Diese E-Mailadresse findet sich - wie oben ausgeführt - in einem Bereich der Website des Verwaltungsgerichtshofes, in welchem nicht darauf verwiesen wird, dass eine Beschwerde nicht per E-Mail eingebracht werden kann. Damit liegt hinsichtlich dieses Rechtsirrtums aber kein grobes Verschulden des unvertretenen Beschwerdeführers vor (vgl. zur Frage der Einbringung von Schriftsätzen per E-Mail im Übrigen auch die Beschlüsse des OGH vom 31. Mai 2011, 10 Ob 28/11g, und vom 12. Juni 2012, 14 Os 51/12z).
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist war daher gemäß § 46 VwGG stattzugeben.
Wien, am 12. September 2012
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