Normen
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 25. Jänner 2003 reiste der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, mit einem bis zum 24. Februar 2003 gültigen Visum erneut nach Österreich ein. Am 12. Februar 2003 stellte er einen Asylantrag, den er am 3. November 2003 wieder zurückzog. Bereits am 1. Oktober 2003 hatte er im Hinblick auf seine am 11. September 2003 geschlossene Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin P. einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter DrittStA. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt.
Mit Bescheid vom 12. September 2006 erließ die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) wegen Eingehens einer so genannten Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 2010 gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde zum einen auf mehrere Hauserhebungen: Bei einer im Oktober 2003 erfolgten Erhebung an der damaligen Meldeadresse des Beschwerdeführers in 1160 Wien sei den Hausbewohnern die Ehegattin des Beschwerdeführers nicht bekannt gewesen. Zudem habe sich P. erst wenige Tage nach den Erhebungen, nämlich am 29. Oktober 2003, an dieser Anschrift behördlich gemeldet und bereits mit 28. Dezember 2004 wieder abgemeldet. Bei einer weiteren, im Februar 2006 erfolgten Erhebung habe eine - laut eigenen Angaben bereits seit Jahren im Haus wohnhafte - Nachbarin angegeben, die Wohnung werde seit September 2005 nicht mehr bewohnt; es sei ihr nicht bekannt, dass die Wohnung zuvor von einem Ehepaar bewohnt worden sei. An der neuen Meldeadresse des Beschwerdeführers (ebenfalls in 1160 Wien) sei - so die belangte Behörde weiter - am 18. Februar 2006 der Schwager des Beschwerdeführers angetroffen worden. Dieser habe angegeben, er wisse, dass der Beschwerdeführer mit einer Österreicherin verheiratet sei, kenne jedoch weder deren Namen noch habe er sie je "zu Gesicht bekommen".
Zum anderen verwies die belangte Behörde darauf, dass bei einer getrennten niederschriftlichen Befragung des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau am 11. Mai 2005 - im Einzelnen näher dargestellte - Widersprüche aufgetreten seien. Diese Widersprüche betrafen insbesondere die zeitlichen Umstände des Kennenlernens und des Heiratsantrags, das Tragen der Eheringe sowie die Frage, ob der Beschwerdeführer bzw. seine Ehefrau die jeweiligen Schwiegereltern kennen würden. Zudem hätten weder der Beschwerdeführer noch seine Ehefrau bei dieser Einvernahme den Namen des Trauzeugen des jeweils anderen nennen können.
Der Beschwerdeführer habe demgegenüber - so die belangte Behörde weiter - in einer Stellungnahme vom 11. Mai 2006 vorgebracht, dass ihm die Angaben der Hausparteien des Hauses in 1160 Wien vollkommen unerklärlich seien, zumal es nahezu laufend Probleme mit den Nachbarn gegeben habe, weil der Hund seiner Ehegattin permanent "Lärm erregt" habe.
Angesichts der aufgetretenen Widersprüche bei der getrennten Befragung der Ehepartner sowie der dargestellten Erhebungsergebnisse erachtete die belangte Behörde dieses Vorbringen des Beschwerdeführers jedoch als eine bloße "Schutzbehauptung". Vielmehr nahm sie es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG sei somit erfüllt. Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes iSd § 86 Abs. 1 FPG rechtfertige. Da der Verhinderung solcher Ehen ein sehr hoher Stellenwert zukomme, werde durch diese Gefährdung zweifellos ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf den ca. siebeneinhalbjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, auf seine familiären Bindungen zu seiner Schwester und deren Familie sowie auf den Umstand, dass er regelmäßig einer Beschäftigung nachgehe. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff sei aber zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten. Zudem sei die Integration des Beschwerdeführers dadurch wesentlich gemindert, dass er nur auf Grund seiner bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz durch seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine unselbstständige Beschäftigung habe ausüben können. Im Ergebnis würden die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.
Da keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorlägen, sah die belangte Behörde auch keine Möglichkeit, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Schließlich begründete die belangte Behörde noch die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes näher.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Juli 2010 geltende Fassung.
Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit P. Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für ihn gelten somit gemäß § 87 FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 Abs. 1 FPG. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist demnach nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine so genannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. März 2012, Zl. 2011/23/0023, mwN).
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer Aufenthaltsehe und wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Er vermag mit seinem Vorbringen allerdings insoweit weder eine Unschlüssigkeit noch eine Mangelhaftigkeit aufzuzeigen:
Die Beschwerde bestreitet zunächst, dass bei der Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau am 11. Mai 2005 "massive Widersprüche" aufgetreten seien. Zwar ist der Beschwerde diesbezüglich einzuräumen, dass einzelnen der von der belangten Behörde als maßgeblich erachteten Widersprüche (wie etwa den Aussagen zum Tragen der Ringe) für sich allein kein entscheidungswesentliches Gewicht beizumessen gewesen wäre. Allerdings vermag der Beschwerdeführer auch die von der belangten Behörde sonst zutreffend als gewichtig erachteten Widersprüche nicht zu entkräften. So lässt die Beschwerde jegliche Erklärung dafür vermissen, warum die Ehefrau des Beschwerdeführers angab, der Beschwerdeführer habe ihre Eltern schon einmal gesehen, während der Beschwerdeführer seinerseits festhielt, er kenne seine Schwiegereltern nicht und habe sie noch nie gesehen. Dem Beschwerdeführer gelingt es auch nicht, die Äußerungen zur Frage, ob seine Ehefrau seine Eltern kennen würde, als widerspruchsfrei darzustellen. Ausweislich der im Verwaltungsakt befindlichen Niederschrift über ihre Einvernahme gab P. nämlich an, dass die Eltern des Beschwerdeführers in der Türkei lebten und dass sie im Herbst 2002 gemeinsam mit ihrem Ehemann "bei seiner Familie" gewesen sei. Es ist daher nicht unschlüssig, dass die belangte Behörde einen Widerspruch zur diesbezüglichen Aussage des Beschwerdeführers, seine Ehefrau wäre noch nie in der Türkei gewesen, annahm. Auch die von der belangten Behörde dargestellten unterschiedlichen Angaben zu den zeitlichen Umständen des Kennenlernens und des Heiratsantrags vermag die Beschwerde nicht nachvollziehbar zu erklären. Vor allem aber bringt der Beschwerdeführer keine konkreten Umstände oder Lebenssachverhalte vor, die dafür sprechen würden, dass er mit P. tatsächlich ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt habe.
Die Beschwerde rügt weiters, der angefochtene Bescheid lasse nicht erkennen, welche Verfahrensergebnisse den von der belangten Behörde herangezogenen "vermeintlichen Erhebungen" überhaupt entnommen werden könnten bzw. wann und von welchen Beamten diese vorgenommen worden seien. Entgegen der Beschwerdeauffassung wurden die Ergebnisse der im Oktober 2003 bzw. im Februar 2006 durchgeführten Hauserhebungen im angefochtenen Bescheid hinreichend deutlich und nachvollziehbar dargestellt. Soweit die Beschwerde noch einwendet, die belangte Behörde habe keine Sachverhaltsfeststellungen bzw. ergänzenden Erhebungen vorgenommen, fehlt es diesem Vorbringen an der erforderlichen Relevanzdarstellung. Der Beschwerdeführer legt nämlich nicht dar, welche weiteren Umstände zu erheben gewesen wären, die zu einem für ihn günstigeren Ergebnis hätten führen können. Entgegen der Beschwerdeauffassung erweist sich der angefochtene Bescheid auch als ausreichend begründet.
Die Beweiswürdigung begegnet somit im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, VwSlg. 11.894 A/1985) keinen Bedenken. Dementsprechend durfte die belangte Behörde auch von der Verwirklichung des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG ausgehen. Auf Basis der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes indizierte dies auch die Gefährdungsannahme des § 86 Abs. 1 FPG.
Die Beschwerde macht in diesem Zusammenhang zwar geltend, dass die gegenständliche Eheschließung mehr als fünf Jahre zurückliege, weshalb die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht mehr gerechtfertigt sei. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Fremdengesetz 1997, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht mehr geboten sei, sofern der Rechtsmissbrauch des Eingehens der Scheinehe bereits fünf Jahre zurückliege, im Anwendungsbereich des FPG nicht aufrechterhalten wurde (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Juni 2012, Zl. 2012/23/0022).
Auch die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die belangte Behörde hat ausgehend vom ca. siebeneinhalb Jahre dauernden Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, von seinen Bindungen zu seiner Schwester und deren Familie sowie von seiner beruflichen Integration einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben anerkannt. Sie hat aber das Gewicht dieser Bindungen zu Recht als entsprechend gemindert angesehen, weil die - aus seinem Aufenthalt in Österreich und seinen Beschäftigungsverhältnissen - resultierende Integration des Beschwerdeführers im Wesentlichen auf das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer verpönten Aufenthaltsehe zurückzuführen war (vgl. etwa das Erkenntnis vom 31. Mai 2012, Zl. 2011/23/0661). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde zur Auffassung kam, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich würden nicht schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, und daher das Aufenthaltsverbot als zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ansah.
In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 22. November 2012
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