VwGH 2011/22/0330

VwGH2011/22/033019.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des BZ in D, geboren am 28. März 1977, vertreten durch Dr. Anita Einsle, Rechtsanwältin in 6900 Bregenz, Deuringstraße 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 3. März 2009, Zl. UVS- 410a-019/E2-2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Nr2;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs2;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art2 Nr2;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
FrPolG 2005 §54 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs2;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 1. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. April 2008 wies die Bezirkshauptmannschaft D als Behörde erster Instanz den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 86 Abs. 2 und § 87 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. März 2009 gab die belangte Behörde der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung nicht Folge (Spruchpunkt 1.). (Mit Spruchpunkt 2. wies sie den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zurück; dieser Ausspruch wird in der vorliegenden Beschwerde nicht releviert.)

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 29. Juli 2005 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger gestellt habe. Ihm sei ein Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit bis 21. März 2007 ausgestellt worden. Er sei nur für einen Zeitraum von etwa zehn Monaten einer Beschäftigung nachgegangen und verfüge auch nicht mehr über eine Krankenversicherung. Er habe bis Dezember 2007 aus Mitteln der Sozialhilfe unterstützt werden müssen. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer über keine ausreichenden Mittel für seinen Lebensunterhalt verfüge. Er lebe seit Oktober 2006 von seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern getrennt. Die Ehefrau habe die Scheidungsklage eingebracht. Insoweit könne von einem Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht ausgegangen werden. Durch die Ausweisung erfolge (jedenfalls) kein allzu großer Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Die Ausweisung sei notwendig und geboten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 FPG in der Stammfassung entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz, sofern nicht anderes bestimmt ist, im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern (Z 1) und in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz (Z 2).

Der Beschwerdeführer ist weder EWR-Bürger noch Schweizer Bürger. Er ist zwar Ehemann einer Österreicherin, es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass ein unionsrechtlich relevanter Tatbestand verwirklicht wäre. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat wiederholt, jüngst im Urteil vom 15. November 2011, Rechtssache C- 256/11 "Dereci u.a.", festgehalten, dass die Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG nicht auf Drittstaatsangehörige anwendbar ist, die Familienangehörige im Sinn des Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie eines Unionsbürgers sind, die nie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht und sich stets in dem Mitgliedstaat aufgehalten haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen.

Somit hat die belangte Behörde im hier zu beurteilenden Zeitpunkt zu Unrecht eine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung nach § 9 Abs. 1 FPG in Anspruch genommen.

Auf Grund dieser von Amts wegen wahrzunehmenden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, 2009/21/0104) Unzuständigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das den Pauschalsatz übersteigende Mehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am 19. Jänner 2012

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