VwGH 2011/22/0260

VwGH2011/22/02609.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des AO in S, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 22. Juli 2011, Zl. 159.386/2-III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, ihm aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 iVm § "41a Abs. 9 bzw. § 43 Abs. 3" Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 3. Oktober 2005 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am darauffolgenden Tag habe er einen Asylantrag eingebracht. Dem Asylbegehren des Beschwerdeführers sei im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) vom 1. Oktober 2007 keine Folge gegeben worden. Unter einem sei gegen den Beschwerdeführer vom UBAS eine Ausweisung erlassen worden. Die Behandlung der gegen diese Entscheidung eingebrachten Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. Februar 2011, 2008/23/0518, abgelehnt.

Den hier gegenständlichen Antrag habe der Beschwerdeführer am 23. März 2011 eingebracht. Sein ursprünglich auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 44 Abs. 3 NAG gerichteter Antrag sei "gleichzusetzen mit einem Antrag gemäß § 41a Abs. 1 Z 9 NAG bzw. § 43 Abs. 3 NAG".

Infolge der mit der Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. Oktober 2007 erlassenen Ausweisung sei bereits eine Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK durchgeführt worden.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, "zivilgesellschaftlich" integriert zu sein. Dabei handle es sich allerdings lediglich um ein allgemeines Vorbringen. Dieses sei nicht geeignet, einen maßgeblich geänderten Sachverhalt zu konkretisieren. Aus der vorgelegten Bestätigung über einen Deutschkurs sei ersichtlich, dass dieser in der Zeit vom 9. Jänner 2006 bis 17. März 2006 absolviert worden sei. Zur beruflichen Integration habe der Beschwerdeführer angegeben, "äußerst arbeitsam und fleißig" zu sein. Es wäre ihm aber nicht möglich gewesen, eine Beschäftigung anzunehmen, weil ihm dazu vom Arbeitsmarktservice keine Möglichkeit eingeräumt worden wäre. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Sämtliche Familienangehörigen befänden sich in Nigeria. Es seien somit keine familiären Bindungen in Österreich erkennbar. Anhand des weiteren Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach es nicht an ihm läge, wenn er keine Arbeit fände und er bei wiederholten Anfragen keinen Erfolg gehabt hätte, sowie der vorgelegten Bestätigung über die Anmeldung zu einem Deutschkurs könne letztlich nicht davon ausgegangen werden, es liege seit Erlassung der Ausweisung ein maßgeblich geänderter Sachverhalt vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG sind, wenn kein Fall des § 44a Abs. 1 NAG vorliegt, Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 NAG als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Mit einer Antragszurückweisung gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG darf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach Erlassung einer Ausweisung nur dann vorgegangen werden, wenn im Hinblick auf das Antragsvorbringen eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 2011, 2011/22/0018, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom selben Tag, 2011/22/0127). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zu dem für diese Beurteilung anzulegenden Maßstab ausführlich im Erkenntnis vom 13. September 2011, 2011/22/0035 bis 0039, geäußert. Diesbezüglich wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Die belangte Behörde stellte fest, dass die hier in Betracht zu ziehende Ausweisung mit Bescheid des UBAS vom 1. Oktober 2007 erlassen wurde. Sie ging davon aus, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände von vornherein keine Eignung aufgewiesen hätten, um einen maßgeblich geänderten Sachverhalt darzulegen. Dabei ist der belangten Behörde aber zum Vorwurf zu machen, dass sie das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner seit der Erlassung der Ausweisung erlangten Integration nur auszugsweise wiedergab und auch nicht im vollen Umfang in ihre Überlegungen einbezog. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Verwaltungsverfahrens mit näherer Begründung unter Vorlage diverser Unterstützungsschreiben, die auf sein bisheriges Wirken inhaltlich eingehen, auch vorgebracht hat, er habe die zwischenzeitig vergangene Zeit genutzt, um sich im Rahmen aktiver Beteiligung am Gemeinschaftsleben in einer näher genannten Pfarrgemeinde zu integrieren. Des Weiteren brachte er zu seiner beruflichen Integration vor, zwar vom AMS aufgefordert worden zu sein, nicht so oft nachzufragen. Er habe aber seine berufliche Integration auch aus eigenem insoweit vorangetrieben, als ihm angeboten worden sei, einen frei gewordenen Posten eines Hausmeisters (an einer näher bezeichneten Örtlichkeit) zu übernehmen. Im Falle der Erteilung des Aufenthaltstitels werde er diese Arbeitsstelle antreten können, was ihm auch - in einem dem Antrag beigelegten Schreiben - vom in Aussicht genommenen Arbeitgeber bescheinigt wurde.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann vor diesem Hintergrund nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer hätte ausschließlich solche (seit der Erlassung der Ausweisung vor nahezu vier Jahren eingetretene) Umstände geltend gemacht, die es nicht erfordert hätten, eine Neubeurteilung seiner Situation unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK vorzunehmen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2011, 2011/22/0210).

Sohin erweist sich die von der belangten Behörde ausgesprochene Antragszurückweisung als rechtlich verfehlt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 9. November 2011

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