Normen
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8;
VwGG §41 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8;
VwGG §41 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gestütztes, auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 14. Mai 2001 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe noch am selben Tag einen Asylantrag eingebracht, welcher mit Bescheid vom 15. Oktober 2001 abgewiesen worden sei. Dagegen habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben.
Am 14. August 2003 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am 23. Oktober 2003 die Berufung im Asylverfahren zurückgezogen.
Für den am 10. Oktober 2003 eingebrachten Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - § 49 Abs. 1 FrG" habe sich der Beschwerdeführer auf die Ehe mit einer Österreicherin berufen. In der Folge seien ihm - auch auf Grund eines Verlängerungsantrages - die begehrten Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit bis zum 18. November 2005 erteilt worden. Zuletzt habe der Beschwerdeführer am 1. September 2005 einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf die Ehe mit einer Österreicherin eingebracht.
Einer Berufung gegen ein mit Bescheid vom 8. November 2006 erlassenes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren habe die belangte Behörde mit Berufungsbescheid vom 4. November 2008 Folge gegeben, weil vom Beschwerdeführer beantragte Zeugen nicht vernommen worden seien. In der Folge seien diese Zeugen ebenso befragt worden wie eine weitere Zeugin, welche in der Berufung gegen die neuerliche erstinstanzliche Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zum Beweisthema, dass der Beschwerdeführer eine "echte Ehe" geführt habe, beantragt worden sei.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 4. März 2010 sei das gegenständliche Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer die verfahrensgegenständliche Berufung erhoben.
Die belangte Behörde stellte vor allem auf Grund der Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers fest, dass er die Ehe mit einer Österreicherin geschlossen habe, um sich in einem Verfahren für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen zu können, wobei die Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK nicht beabsichtigt gewesen sei und ein solches auch nie geführt worden sei.
Dies stelle ein besonders verpöntes Verhalten dar und rechtfertige die Annahme, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG gefährde.
Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG sei zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer seit Mai 2001 im Bundesgebiet aufhalte und zunächst über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz sowie in der Folge über Aufenthaltstitel auf Grund der Aufenthaltsehe verfügt habe. Er sei in Österreich die überwiegende Zeit einer Beschäftigung nachgegangen. Im Bundesgebiet habe er neben seiner Ehefrau noch eine Lebensgefährtin, in Pakistan lebten seine Eltern. Das Aufenthaltsverbot greife in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers ein, doch sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher zulässig. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme. Die Integration des Beschwerdeführers sei insofern zu relativieren, als die Berufstätigkeit nur auf Grund der Aufenthaltsehe mit einer Österreicherin habe ausgeübt werden können und der Beschwerdeführer sich bei Begründung der Lebensgemeinschaft habe bewusst sein müssen, sich nur auf Grundlage seines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens im Bundesgebiet aufzuhalten und daher nicht mit einem Aufenthalt auf Dauer habe rechnen dürfen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Beschluss vom 30. November 2010, B 1520/10-4, abgelehnt und unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (21. September 2010) nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.
Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer Österreicherin ist nach § 87 FPG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn ein Fremder im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2011, Zl. 2011/18/0125, mwN).
Die Beschwerde releviert vor allem den zwischen der Eheschließung und der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichenen Zeitraum von mehr als sieben Jahren und vertritt die Auffassung, dass deshalb ein Aufenthaltsverbot nicht mehr erlassen werden dürfe. Auf Grund der vom Beschwerdeführer nicht verschuldeten Dauer des Verfahrens könne der in diesem Zeitraum erlangten Integration eine Bedeutung nicht vollkommen abgesprochen werden, zumal dem mehr als neun Jahre dauernden Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seiner mehr als sieben Jahre kontinuierlich ausgeübten Erwerbstätigkeit großes Gewicht zukomme. Darüber hinaus bedürfe seine nunmehrige Lebensgefährtin psychiatrischer Behandlung und habe sich ihr Gesundheitszustand in den letzten zwei Jahren auf Grund ihrer Beziehung zum Beschwerdeführer stabilisiert. Angesichts der bereits im Jahr 2003 erfolgten Eheschließung mangle es an der Gegenwärtigkeit einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr. Dazu fehlten ebenso Feststellungen wie zu integrationsstärkenden Faktoren und zur Krankheit seiner Lebensgefährtin. Der Beschwerdeführer selbst sei nur einmal im Jahr 2005 ohne Dolmetscher vernommen worden.
Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer die Ehe schloss, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berief, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie führte.
Die Beschwerdeausführungen gehen selbst davon aus, dass die zitierte Rechtsprechung, wonach eine allein aus dem besagten Rechtsmissbrauch durch Eingehen einer Aufenthaltsehe resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung als weggefallen zu betrachten war, wenn - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - das Eingehen der Ehe mehr als fünf Jahre zurücklag, zur Rechtslage vor dem FPG erging. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann diese Rechtsprechung für den Anwendungsbereich des FPG im Hinblick darauf, dass § 63 Abs. 1 FPG im Fall des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot zulässt, nicht übernommen werden, zumal die Annahme, ein weiteres Fehlverhalten im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG zu späteren Zeitpunkten wäre unerheblich, in einen Wertungswiderspruch zu § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG geraten würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0228, mwN, sowie vom 16. Juni 2011, Zl. 2007/18/0843, mwN). Das Gleiche gilt für den Gefährdungsmaßstab des § 86 Abs. 1 FPG (vgl. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2011). Da der Beschwerdeführer noch in der Berufung vom 22. März 2010 ausdrücklich bestritt, dass die Ehe zum "Schein" abgeschlossen wurde, bestehen auch hinsichtlich der Gegenwärtigkeit der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr keine Zweifel. Die Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, erweist sich als unbedenklich.
Im Rahmen der Interessenabwägung nahm die belangte Behörde unter anderem auf die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Lebensgefährtin, seinen Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 2001 sowie seine Erwerbstätigkeit Bedacht und durfte das Gewicht der ins Treffen geführten Beziehung relativieren, weil sich der Beschwerdeführer bei Eingehen der Lebensgemeinschaft der Unsicherheit seines rechtlichen Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2011, mwN). Ebenso ist das aus der Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers ableitbare Gewicht der beruflichen Integration vermindert, weil diese während der Aufenthaltsehe erzielt wurde (vgl. etwa das ebenso schon zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008). Die in der Verfahrensrüge vermissten Feststellungen zu integrationsstärkenden Faktoren werden nicht dahingehend konkretisiert, zu welchen Feststellungen die belangte Behörde hätte kommen müssen. Zutreffend hält die Gegenschrift dem Vorwurf, der Beschwerdeführer sei nur einmal im Jahr 2005 vernommen worden, entgegen, dass er auch am 15. Jänner 2009 befragt wurde. Darüber hinaus hatte er im Rahmen der Berufung vom 22. März 2010 und durch die Zustellung des Protokolls über die Zeugenvernehmung ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Verfahrensrüge, dass der Beschwerdeführer ohne Dolmetscher vernommen worden sei, lässt sich nicht entnehmen, ob und was der Beschwerdeführer deswegen nicht verstanden oder unrichtig ausgedrückt hätte, sodass es auch hier an der Relevanzdarstellung fehlt. Soweit der Beschwerdeführer noch Erhebungen und Feststellungen über den Gesundheitszustand seiner Lebensgefährtin verlangt, steht dem das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) entgegen, weil ein dahingehendes Vorbringen im Administrativverfahren weder erstattet wurde, noch sonst Anhaltspunkte in diese Richtung ersichtlich waren.
Nicht weiterhelfen konnte auch der in der Beschwerde enthaltene Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. März 2008, Zl. B 61/08, weil dieses zu einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG erging und bei der dortigen Interessenabwägung dem Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers (nur) dessen illegaler Aufenthalt gegenüberstand.
Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 22. Jänner 2013
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)