VwGH 2011/16/0075

VwGH2011/16/00759.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Mag. S in G, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 29. Februar 2008, Zl. ABK - 29/08, betreffend Haftung nach §§ 7 und 54 der Wiener Abgabenordnung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KO idF vor 1. 7. 2010 §69;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KO idF vor 1. 7. 2010 §69;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war einer der beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer der P. GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 18. Dezember 2001 der Konkurs eröffnet worden war.

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 hielt der Magistrat der Stadt Wien dem Beschwerdeführer vor, dass auf Grund bisher geleisteter Zahlungen und der Quotenzahlung aus dem Konkurs noch ein Rückstand an Kommunalsteuer "Rest 10/2001" von 475,34 EUR, an Kommunalsteuer für November 2001 in Höhe von 3.226,52 EUR und an Dienstgeberabgabe für November 2001 in Höhe von 149,71 EUR, insgesamt von 3.851,57 EUR bestehe. Die Voraussetzungen für die Haftungspflicht des Beschwerdeführers seien gegeben.

Mit Schriftsatz vom 13. November 2006 verwies der Beschwerdeführer auf eine dem Magistrat überreichte Stellungnahme vom 10. Juli 2002, in welcher dargestellt worden sei, dass der Magistrat der Stadt Wien im gesamten angeführten Zeitraum zum Teil besser gestellt gewesen sei als die übrigen Gläubiger. In dieser Stellungnahme, welche auch dem Schriftsatz vom 13. November 2006 angeschlossen war, wurde die Entwicklung der Verbindlichkeiten in den Monaten September, Oktober und November 2001 dargestellt und angeführt, welche Verbindlichkeiten in diesen drei Monaten bezahlt worden seien. Gleichzeitig wurde die "monatliche Prozentquote der bezahlten Verbindlichkeiten" für jeden dieser Monate ermittelt und dem Anteil der Zahlungen an den Magistrat für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe in jedem dieser Monate im Verhältnis zum jeweiligen Rückstand gegenübergestellt.

Mit Schreiben vom 22. März 2007 teilte der Magistrat der Stadt Wien dem Beschwerdeführer mit, dass der Haftungsbetrag auf Grund der vorgelegten Liquiditätsaufstellung neu berechnet worden sei und nunmehr 2.283,11 EUR für den Zeitraum November 2001 betrage.

Mit Schriftsatz vom 12. April 2007 wies der Beschwerdeführer demgegenüber darauf hin, dass der Insolvenzantrag am 9. Dezember 2001 beim Handelsgericht Wien eingereicht worden sei und dieses mit Beschluss vom 18. Dezember 2001 über das Vermögen der P. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet habe. Der Beschwerdeführer sei daher nicht berechtigt gewesen, nach Stellen des Insolvenzantrages noch Zahlungen zu leisten, weshalb ihn kein Verschulden am Unterlassen der am 15. Dezember 2011 fällig gewordenen Abgaben treffe.

Mit Bescheid vom 16. Mai 2007 zog der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführer zur Haftung für Kommunalsteuer von 2.164,84 EUR und Dienstgeberabgabe von 118,27 EUR "für den Zeitraum Oktober und November 2001" heran.

Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, der Magistrat der Stadt Wien sei nicht schlechter gestellt worden als andere Gläubiger, deren Forderungen ebenfalls nicht befriedigt worden seien, vielmehr sei im Zeitraum Oktober 2001 sogar eine Besserbehandlung gegenüber anderen Gläubigern um mehr als 30 % erfolgt. Weiters sei am 9. Dezember 2001 beim Handelsgericht Wien der Insolvenzantrag eingereicht worden. Die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für November 2001 seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewesen. Nach Stellung des Insolvenzantrages sei der Beschwerdeführer nicht berechtigt gewesen, Zahlungen zu leisten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 2. Jänner 2008 wies der Magistrat der Stadt Wien die Berufung als unbegründet ab. Die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für November 2001 seien bereits am 15. Dezember 2001 fällig gewesen, während die Konkurseröffnung erst am 18. Dezember 2001 erfolgt sei. Wann der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens eingebracht worden sei, sei unerheblich. Der Beschwerdeführer habe nicht den Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorlageantrag.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den vor ihr bekämpften Bescheid dahingehend, dass der Haftungszeitraum auf November 2001 eingeschränkt wurde. Im Übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab.

Bei dem aus dem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien übernommenen Haftungsbetrag von 2.283,11 EUR handle es sich ausschließlich um Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für November 2001 mit einem Ausmaß, das sich aus der mit Schriftsatz vom 13. November 2006 vorgelegten Liquiditätsaufstellung des Beschwerdeführers ergebe.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, im Oktober 2001 sei der Abgabengläubiger sogar besser gestellt worden als die übrigen Gläubiger, hielt die belangte Behörde entgegen, dass für jeden Monat getrennt zu prüfen sei, ob eine schuldhafte Pflichtverletzung vorgelegen sei und für welchen Entgang an Abgaben diese Pflichtverletzung kausal gewesen sei. Die "Besserstellung" in einem Beobachtungszeitraum könne keine Anrechnung für einen anderen Zeitraum bewirken.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für November 2001 sei erst am 15. Dezember 2001 fällig gewesen, während er bereits am 9. Dezember 2001 den Insolvenzantrag eingebracht habe, hielt die belangte Behörde entgegen, dass lediglich eine Gläubigerbevorzugung verboten gewesen wäre. Ob oder inwieweit geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Konkursordnung wegen Begünstigung von Gläubigern jedoch rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären, sei im Haftungsverfahren nicht zu prüfen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer ersichtlich im Recht verletzt erachtet, nicht zur Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 54 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Wiener Abgabenordnung - WAO haben u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 7 Abs. 1 WAO haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 7 Abs. 1 WAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2010, Zl. 2007/13/0047).

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 2010, Zl. 2007/13/0137).

Daraus folgt, dass eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen hat.

Die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe werden für jeden Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Kalendermonats fällig (§ 11 Abs. 2 KommStG und § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe, LGBl. Nr. 17/1970).

Die vom Beschwerdeführer auch in der Beschwerde (wie schon im Verwaltungsverfahren) vorgebrachte angebliche Besserstellung des Abgabengläubigers hinsichtlich der Abgaben für Oktober 2001 kann daher bei der Beurteilung der Entrichtung der Abgaben für November 2001 nicht die vom Beschwerdeführer gewünschte "Anrechnung" bewirken. Die Entrichtung der Abgaben für November 2001 ist ausschließlich nach den Verhältnissen an deren Fälligkeitstag (15. Dezember 2001) vorzunehmen.

Der Beschwerdeführer führt ins Treffen, zum Zeitpunkt der Einbringung des Insolvenzantrages am 9. Dezember 2001 seien die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für November 2001 noch nicht fällig gewesen. Auf Grund des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit sei er verhalten gewesen, 60 Tage vor Einbringung des Insolvenzantrages keine Zahlungen mehr zu leisten und nach Stellung des Insolvenzantrages sei er nicht mehr berechtigt gewesen Zahlungen zu leisten. Daher liege keine Pflichtverletzung vor.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach § 1 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Konkursordnung - KO (jetzt § 2 Abs. 2 IO) erst durch Eröffnung des Konkurses das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehörte, dessen freier Verfügung entzogen wurde. Die Eröffnung des Konkurses setzte nach § 66 Abs. 1 KO zwar die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraus, im Falle einer GmbH fand die Eröffnung eines Konkurses aber nach § 67 leg. cit. grundsätzlich auch bei Überschuldung statt. Nach § 66 Abs. 2 KO war Zahlungsunfähigkeit insbesondere anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt. Nach § 66 Abs. 3 KO setzte Zahlungsunfähigkeit jedoch nicht voraus, dass Gläubiger andrängen, und begründete der Umstand, dass der Schuldner Forderungen einzelner Gläubiger ganz oder teilweise befriedigt hat oder noch befriedigen kann, für sich allein nicht die Annahme, dass er zahlungsfähig war.

§ 69 KO idF des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 114, lautet auszugsweise:

"§ 69. (1) Auf Antrag des Schuldners ist der Konkurs sofort zu eröffnen. Die vom Schuldner an das Gericht erstattete Anzeige von der Zahlungseinstellung gilt als Antrag.

(2) Liegen die Voraussetzungen für die Konkurseröffnung (§§ 66 und 67) vor, so ist diese ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu beantragen. Schuldhaft verzögert ist der Antrag nicht, wenn die Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens sorgfältig betrieben worden ist.

(3) Die Verpflichtung nach Abs. 2 trifft natürliche Personen, die persönlich haftenden Gesellschafter und Liquidatoren einer Handelsgesellschaft und die organschaftlichen Vertreter juristischer Personen. ..."

Ein Verbot an den Gemeinschuldner oder dessen organschaftlichen Vertreter, mit Stellen des Konkursantrages jegliche Zahlungen einzustellen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid erkannt hat. Vielmehr hat der Gemeinschuldner unter Beachtung der Gläubigergleichbehandlung den Betrieb bis zur Konkurseröffnung fortzuführen (vgl. etwa Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze19, Rz 22ff, insb. Rz 29).

Dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der P. GmbH im Zeitpunkt der Fälligkeit der in Rede stehenden Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe keinerlei Mittel mehr zur Verfügung gehabt hätte, behauptet er nicht konkret. Die Höhe der tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel führt er nicht an. Soweit der Beschwerdeführer mit dem vermeintlichen Verbot von Zahlungen nach Stellen des Konkursantrages behaupten möchte, es seien keinerlei Zahlungen mehr erfolgt, ist er darauf hinzuweisen, dass es nicht auf die geleisteten Zahlungen, sondern auf die zur Zahlung der Abgabenschuldigkeiten zum Fälligkeitstag zur Verfügung gestandenen Mittel ankommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2010, Zl. 2006/13/0110, mwN).

Da der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, welche Mittel er zum Fälligkeitstag der in Rede stehenden Abgaben am 15. Dezember 2001 zur Verfügung hatte, konnte die belangte Behörde im Ergebnis ohne Verkennung der Rechtslage davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer den Nachweis der Gleichbehandlung in Bezug auf die Entrichtung der Abgabenforderungen für den November 2001 bei Fälligkeit nicht angetreten hat. Eine Verletzung der behördlichen Ermittlungspflichten liegt vor dem Hintergrund der insoweit als Vorhalt wirkenden Berufungsvorentscheidung nicht vor.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 9. November 2011

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