VwGH 2011/16/0044

VwGH2011/16/00445.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, in der Beschwerdesache des G in W, vertreten durch Mag. Alexandra Cervinka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 3/13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 9. Juli 2010, Zl. RV/4111- W/09, betreffend Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebung im hg. Verfahren 2010/16/0187 (in einer Angelegenheit der Familienbeihilfe), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mit hg. Verfügung vom 8. Oktober 2010, Zl. 2010/16/0187-5, gesetzten Frist zur Behebung von der eingebrachten Beschwerde anhaftenden Mängeln wird abgewiesen.

Begründung

Mit Verfügung vom 8. Oktober 2010, Zl. 2010/16/0187-5, stellte der Verwaltungsgerichtshof der dem Beschwerdeführer bestellten Verfahrenshelferin die vom Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde in einer Angelegenheit der Familienbeihilfe gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung von Mängeln zurück. Gleichzeitig wurde aufgetragen, dass die zurückgestellte Beschwerde samt ihren Ausfertigungen (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen ist, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Beschwerde gelte.

Der Verbesserungsschriftsatz vom 20. Dezember 2010 enthält im Rubrum den Vermerk "3-fach 1 HS 2 Beilagen (Bescheid 3-fach, Mandantenbeschwerde 3-fach in Kopie)". Dem Verbesserungsschriftsatz war das Original der zurückgestellten unverbesserten Beschwerde nicht angeschlossen.

Der Beschwerdeführer ist daher der erwähnten hg. Aufforderung zur Mängelbehebung innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht vollständig nachgekommen, weshalb das Verfahren mit Beschluss vom 27. Jänner 2011, Zl. 2010/16/0187-9, eingestellt worden ist.

Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2011 brachte der Beschwerdeführer einen unter der hg. Zl. 2011/16/0044 WE protokollierten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung der der Beschwerdeergänzung anhaftenden Mängel ein. Die zur Verfahrenshelferin bestellte Vertreterin des Beschwerdeführers habe - zusammengefasst - am Abend des 16. Dezember 2010 aus beruflichen und privaten Gründen von Wien nach Kärnten fahren müssen. Da sie damit gerechnet habe, am Montag, dem 20. Dezember 2010, nicht wieder in der Kanzlei in Wien zu sein, habe sie vor ihrer Abreise am 16. Dezember 2010 die Rubriken der Beschwerdeergänzung unterschrieben und in einer Unterschriftenmappe im Sekretariat deponiert. Nach dem Korrekturlesen der Beschwerdeergänzung habe sie am Montag, dem 20. Dezember 2010, aus Kärnten die zuständige Sekretärin angerufen und diese angewiesen, der Beschwerdeergänzung auch das Original der Mandantenbeschwerde beizulegen; der unvollständige Hinweis auf der ersten Seite der Beschwerdeergänzung sei ihr beim Korrekturlesen aufgefallen. Die Sekretärin, die das Beilegen auch des Originals der Mandantenbeschwerde zugesagt habe, habe an diesem Tag einen sehr hohen Arbeitsanfall gehabt. Die Postaufgabe durch sie sei am 20. Dezember 2010 um 18:05 Uhr erfolgt. Wegen des überdurchschnittlichen Arbeitsanfalles an diesem Tag habe die Sekretärin das Beilegen der Originalmandantenbeschwerde zur Beschwerdeergänzung vergessen.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. den hg. Beschluss vom 30. März 2006, 2006/15/0109).

Unterfertigt ein Parteienvertreter einen Beschwerdeergänzungsschriftsatz, ist er verpflichtet, zu überprüfen, ob mit der beabsichtigten Prozesshandlung dem gerichtlichen Auftrag fristgerecht entsprochen wird. In Anbetracht der Bedeutung, die der Vollständigkeit der Erfüllung eines Ergänzungsauftrages zukommt, ist der Parteienvertreter verhalten, auch die Vollständigkeit der Erfüllung der Aufträge zu überprüfen. Dazu gehört, dass er anlässlich der Unterfertigung des Ergänzungsschriftsatzes sein Augenmerk auch darauf richtet, ob am Ergänzungsschriftsatz die erforderliche Anzahl der Ausfertigungen und Beilagen vermerkt ist und diese dem Schriftsatz auch angeschlossen sind. Eine bloß mündlich erteilte Anordnung bei Fehlen eines schriftlichen Vermerks auf dem Ergänzungsschriftsatz oder zur Änderung oder Ergänzung eines - wie im Beschwerdefall - unzureichenden schriftlichen Vermerks reicht auch aus dem Grund der späteren verlässlichen Überprüfbarkeit nicht aus (vgl. den Beschluss vom 28. Mai 2009, Zl. 2009/16/0043).

Der zur Beschwerdeergänzung verwendete Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 enthält im Rubrum den Vermerk "3-fach 1 HS 2 Beilagen (Bescheid 3-fach, Mandantenbeschwerde 3-fach in Kopie)". Auf Grund dieses Vermerkes hatte die Sekretärin keine Veranlassung, weitere Unterlagen als Beilagen abzufertigen. Durch eine derartige Fassung der Beilagenverfügung wird - selbst für den Fall, dass, wie im Antrag behauptet, die Sekretärin mündlich auf die Abfertigung auch von anderen Beilagen hingewiesen wurde - eine gefahrengeneigte Situation geschaffen, bei der es für die Sekretärin beispielsweise in der im Wiedereinsetzungsantrag geschilderten Situation der Arbeitsbelastung nachträglich nicht mehr leicht nachvollziehbar ist, welche Schriftstücke tatsächlich übersandt werden sollen (vgl. auch den hg. Beschluss vom 24. September 2007, 2007/15/0182).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht ein Parteienvertreter seiner Sorgfaltspflicht nicht, wenn er Schriftsätze - im Beschwerdefall Rubriken - unterfertigt, die einen unrichtigen oder unvollständigen Beilagenvermerk aufweisen, weil er in einem solchen Fall damit rechnen muss, dass nur jene Beilagen abgefertigt werden, die in der Beilagenanordnung angeführt sind (vgl. den hg. Beschluss vom 17. Oktober 2007, 2006/13/0058 bis 0060, mwN).

Unter den geschilderten Umständen ist es der Beschwerdevertreterin als eigenes, über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, dass sie bei Unterfertigung des vorbereiteten Verbesserungsschriftsatzes nicht darauf gedrungen hat, die Beilagenverfügung richtig zu stellen.

Aus den dargelegten Erwägungen war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist abzuweisen.

Wien, am 5. April 2011

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