VwGH 2011/12/0094

VwGH2011/12/009425.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des WS in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Finanzen vom 9. Mai 2011, Zl. BMF- 111301/0027-II/5/2011, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:

Normen

GehG 1956 §36 Abs1 idF 1994/550;
PG 1965 §93 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
GehG 1956 §36 Abs1 idF 1994/550;
PG 1965 §93 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand bis zu seiner mit Ablauf des 31. Juli 2010 bewirkten Ruhestandsversetzung in einem öffentlichrechtlichen Aktivdienstverhältnis zum Bund. Unstrittig ist, dass ihm bis zu dem genannten Tag ein Anspruch auf Ergänzungszulage nach § 36 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 (im Folgenden: GehG), gebührte.

Mit Bescheid der BVA vom 2. Dezember 2010 (im Kopf auch mit 1. Dezember 2010 datiert) wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer vom 1. August 2010 an ein Ruhegenuss von monatlich brutto EUR 2.263,16 sowie eine Nebengebührenzulage von monatlich brutto EUR 213,55 gebühre.

Der Ruhegenussbemessung wurde seitens der erstinstanzlichen Pensionsbehörde auch ein Vergleichsruhegenuss gemäß §§ 92 bis 94 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (im Folgenden: PG 1965), aus welchem sich ein Erhöhungsbetrag gemäß § 94 PG 1965 im Ausmaß von EUR 35,34 ergab, zu Grunde gelegt. Bei der Ermittlung des Vergleichsruhegenusses wurde die Ergänzungszulage gemäß § 36 GehG für die Berechnung des ruhegenussfähigen Monatsbezuges gemäß § 93 Abs. 3 PG 1965 nicht herangezogen.

Aus diesem Grund erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 2011 wurde die Berufung des Beschwerdeführers betreffend Ruhegenussbemessung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Ablauf des 31. Juli 2010 aus dem Aktivdienststand ausgeschieden. Sein Ruhegenuss sei erstmals am 1. August 2010 fällig geworden. Maßgebend seien daher die Verhältnisse an diesem Tag.

Zur Ermittlung des ruhegenussfähigen Monatsbezuges im Verständnis des § 93 Abs. 3 PG 1965 heißt es im angefochtenen Bescheid:

"Festgehalten wird jedoch, dass auf Grund Ihrer im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand erreichten besoldungsrechtlichen Stellung, und zwar Verwendungsgruppe MBUO 1, Gehaltsstufe 19 (seit 1. Juli 2003), sich zum 1. August 2010 der ruhegenussfähige Monatsbezug gem. 93 Abs. 3 PG 1965 nach den Ansätzen des Gehaltsgesetzes ergibt.

Auf Grund Ihrer Versetzung mit 1. August 2004 auf einen Arbeitsplatz mit der Funktionszulage Funktionsgruppe 3 gebührte Ihnen gem. § 113 e für die Dauer von drei Jahren die Funktionszulage mit der Funktionsgruppe 4 weiterhin. Ab dem 1. August 2007 bis einschließlich 31. Juli 2010 gebührte Ihnen die Ergänzungszulage gem. § 36 Gehaltsgesetz. Die von Ihnen bezogene, wie Sie völlig korrekt ausführen, ruhegenussfähige Ergänzungszulage haben Sie im eingeschränktem Ausmaß bis einschließlich Juli 2010 bezogen; mit 1. August 2010 ist diese jedoch auf 0 gesunken und somit in der Berechnungsgrundlage sowie auch in der Vergleichsrechnung ohne jegliche Auswirkung. Wie oben bereits ausgeführt, ist Ihr Ruhegenuss jedoch erstmals mit 1. August 2010 zu berechnen gewesen und somit ohne die Zulage. In den berücksichtigten Beitragsgrundlagen sind die jeweiligen Beträge der Zulage jedoch enthalten;"

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 93 Abs. 1 bis 3 PG 1965, in der Fassung dieser Absätze im Wesentlichen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 138/1997, Abs. 2 modifiziert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 86/2001, die Paragraphenbezeichnung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 119/2002, lautet:

"§ 93. (1) Der Vergleichsruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.

(2) 80% des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die volle Ruhegenussbemessungsgrundlage. § 5 Abs. 2 bis 5 ist anzuwenden.

(3) Der ruhegenussfähige Monatsbezug besteht aus

  1. 1. dem Gehalt und
  2. 2. den als ruhegenussfähig erklärten Zulagen,

    die der besoldungsrechtlichen Stellung entsprechen, die der Beamte im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Dienststand erreicht hat."

    § 36 Abs. 1 GehG in der Fassung dieses Absatzes nach dem Besoldungs-Reformgesetz 1994, BGBl. Nr. 550, sowie § 113e Abs. 1, 2 und Abs. 4 Z. 1 GehG in der Fassung der wiedergegebenen Teile dieses Paragraphen im Wesentlichen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 127/1999, Abs. 1 Z. 2 modifiziert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2001, lauten (auszugsweise):

"§ 36. (1) Sind für die Abberufung von einem Arbeitsplatz

Gründe maßgebend, die vom Beamten nicht zu vertreten sind, gebührt

ihm bei Anwendung des § 35 Abs. 1 bis 7 zusätzlich eine

ruhegenussfähige Ergänzungszulage. Diese beträgt

1. im ersten Jahr nach der Zuweisung: 90%,

2. im zweiten Jahr nach der Zuweisung: 75%,

3. im dritten Jahr nach der Zuweisung: 50%

des Unterschiedsbetrages zwischen seiner jeweiligen neuen Funktionszulage und der für die bisherige Funktion vorgesehenen Funktionszulage. Ist für die neue Verwendung keine Funktionszulage vorgesehen, ist der Prozentsatz von der Höhe der bisherigen Funktionszulage zu bemessen.

...

§ 113e. (1) Werden Organisationsänderungen durchgeführt, die

eine Straffung der Organisation zum Ziel haben und durch die

1. mindestens eine Dienststelle aufgelöst wird oder

2. in einer Dienststelle oder in einem mehrere

Dienststellen umfassenden Bereich eines Ressorts die Zahl der

Organisationseinheiten verringert wird, wenn davon mindestens

a) 20% der Gesamtzahl der Arbeitsplätze oder

  1. b) 50 Bedienstete

    dieser Dienststelle(n) betroffen sind,

    gebührt dem Beamten, der ausschließlich aus diesem Grund mit einem niedriger bewerteten Arbeitsplatz als bisher betraut wird, die Funktionszulage (das Fixgehalt) in dem Ausmaß weiter, in dem es gebühren würde, wenn der Beamte nach wie vor mit dem bisherigen Arbeitsplatz betraut wäre.

(2) Der Anspruch auf Fortbezug endet nach spätestens nach drei Jahren. …

...

(4) Eine Ergänzungszulage nach den §§ 36, 77 oder 94 gebührt erst ab dem Enden des Anspruchs auf Fortzahlung nach den Abs. 1 bis 3. In diesem Fall sind die §§ 36, 77 oder 94 mit folgenden Abweichungen anzuwenden:

1. An die Stelle des Tages der Zuweisung gemäß § 36 Abs. 1, § 77 Abs. 1 und § 94 Abs. 1 tritt der Tag des Endens des Anspruchs auf Fortzahlung nach den Abs. 1 bis 3."

Auch vor dem Verwaltungsgerichtshof wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Nichtberücksichtigung der Ergänzungszulage gemäß § 36 GehG zwecks Ermittlung des ruhegenussfähigen Monatsbezuges im Verständnis des § 93 Abs. 3 PG 1965. In diesem Zusammenhang ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Wesentlichen die Auslegung der Wortfolge "im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Dienststand" in der zuletzt zitierten Gesetzesbestimmung strittig. Während der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, maßgeblich sei die besoldungsrechtliche Stellung des Beamten in der "logischen Sekunde" vor seinem Ausscheiden aus dem Dienststand, damit also die Verhältnisse am 31. Juli 2010, hält die belangte Behörde die Situation in der "logischen Sekunde" nach dem Ausscheiden aus dem Dienststand, hier also am 1. August 2010, für entscheidend.

Dieser zuletzt zitierten Auffassung der belangten Behörde ist aber entgegenzuhalten, dass sie zur Maßgeblichkeit einer vom Beamten erreichten besoldungsrechtlichen Stellung zu einer Zeit gelangen würde, in welcher sich der Beamte bereits im Ruhestand befindet, also zu einer Zeit, in welcher keine vom Aktivdienststand abweichende "besoldungsrechtliche Stellung" mehr erreicht werden kann. Wie die Beschwerde zutreffend darlegt, legt die belangte Behörde § 93 Abs. 3 PG 1965 so aus als ob sein letzter Teil lauten würde "…, die der Beamte unmittelbar nach dem Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Dienststand erreichen würde, wenn sein Aktivstand fortdauern würde". Für eine derartige Interpretation bietet der Wortlaut des § 93 Abs. 3 PG 1965, der von einer besoldungsrechtlichen Stellung spricht, die der Beamte "erreicht hat", jedoch keine Grundlage.

Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aus diesem Grunde aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. Jänner 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte