VwGH 2011/11/0154

VwGH2011/11/015420.10.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des L F in L, vertreten durch Amann - Jehle - Juen Rechtsanwälte GmbH in 6830 Rankweil, Brisera 12a, gegen den am 21. Juni 2011 mündlich verkündeten Bescheid der Stellungskommission beim Militärkommando Tirol betreffend Feststellung der Eignung zum Wehrdienst (weitere Partei: Bundesminister für Landesverteidigung und Sport), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58;
AVG §60;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WehrG 2001 §17 Abs2;
WehrG 2001 §9 Abs1;
AVG §58;
AVG §60;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WehrG 2001 §17 Abs2;
WehrG 2001 §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.142,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem gegenüber dem Beschwerdeführer mündlich verkündeten Beschluss der Stellungskommission beim Militärkommando Tirol, beurkundet in der Niederschrift vom 21. Juni 2011 (ohne Geschäftszahl), wurde die Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst als "tauglich" festgestellt. In dieser (formularmäßig vorgefertigten) Niederschrift ist (neben der Rechtsmittelbelehrung) festgehalten, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen des Stellungsverfahrens Parteiengehör gewährt worden sei und dass sich die mündliche Verkündung des "begründeten Beschlusses" auf § 62 Abs. 1 AVG stütze. Weitere Ausführungen zur Begründung enthält die Niederschrift nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001), BGBl. I Nr. 146, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, lauten wie folgt:

"§ 9. (1) In das Bundesheer dürfen nur österreichische Staatsbürger einberufen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen.

(2) …

Stellungskommissionen Organisation

15. (1) Die Militärkommanden haben sich zur Feststellung der notwendigen körperlichen und geistigen Eignung der Wehrpflichtigen zum Wehrdienst (Stellung) der Stellungskommission als zuständiger Behörde zu bedienen. Diese hat auf Verfahren nach diesem Bundesgesetz das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, anzuwenden. …

Aufgaben

§ 17. (1) Den Stellungskommissionen obliegt die Feststellung der Eignung der Personen, die sich der Stellung unterziehen, zum Wehrdienst. …

(2) Die Stellungskommissionen haben die Eignung der Personen nach Abs. 1 zum Wehrdienst auf Grund der ärztlichen und psychologischen Untersuchungen mit einem der folgenden Beschlüsse festzustellen: 'Tauglich' oder 'Vorübergehend untauglich' oder 'Untauglich'. Zu den Beschlüssen der Stellungskommission bedarf es der Anwesenheit aller Mitglieder und der Mehrheit der Stimmen. Ein auf 'Tauglich' lautender Beschluss bedarf jedenfalls der Zustimmung des Arztes. Erscheint für die Feststellung der Eignung eine fachärztliche Untersuchung erforderlich, so sind die Personen nach Abs. 1 von den Stellungskommissionen einer solchen Untersuchung zuzuführen. Gegen die Beschlüsse der Stellungskommission ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Nachstellung und neuerliche Stellung

§ 18b. …

(2) Wehrpflichtige, deren vorübergehende Untauglichkeit festgestellt wurde, sind nach Ablauf der von der Stellungskommission für die voraussichtliche Dauer ihrer vorübergehenden Untauglichkeit festgesetzten Frist vom Militärkommando aufzufordern, sich zu dem in der Aufforderung bestimmten Zeitpunkt einer neuerlichen Stellung zu unterziehen. …"

2. Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde (in Übereinstimmung mit der Aktenlage) vor, er habe im Stellungsverfahren Unterlagen des Landeskrankenhauses Feldkirch vorgelegt, aus denen hervor gehe, dass er an "Pfeifferschem Drüsenfieber" leide. Mehrere seiner Lymphknoten seien deshalb stark angeschwollen, insbesondere der Mund- und Rachenbereich seien befallen, der Beschwerdeführer leide unter Müdigkeit und Abgeschlagenheit. An sportliche Betätigung sei derzeit nicht zu denken, bei Ausübung seines Berufes müsse er wegen starker Abgeschlagenheit immer wieder längere Pausen einlegen. Die vorgelegten ärztlichen Unterlagen seien im angefochtenen Bescheid nicht einmal erwähnt und daher auch nicht gewürdigt worden. Bei Bedachtnahme auf diese Unterlagen hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer als "vorübergehend untauglich" einstufen oder ihn zumindest der fachärztlichen Untersuchung zuführen müssen. Jedenfalls liege beim Beschwerdeführer aufgrund seiner derzeit akuten Erkrankung nicht die für den Wehrdienst erforderliche körperliche Leistungsfähigkeit vor, die zumindest das Bedienen einer Waffe und die Aufbringung eines Mindestmaßes an Kraftanstrengung und Beweglichkeit erlaube.

3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass sich weder aus der Aktenlage noch aus dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der mündlich verkündete angefochtene Bescheid schriftlich ausgefertigt worden wäre.

Da die Vorschriften der § 58 ff AVG über Form und Inhalt von Bescheiden (somit auch § 60 AVG betreffend die Begründungspflicht) auch für mündlich verkündete Bescheide gelten und der Inhalt des mündlich verkündeten Bescheides in einer Verhandlungs- oder Niederschrift zu beurkunden ist (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 62 Rz 21 und 25, referierte Judikatur), ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides im vorliegenden Fall allein nach der erwähnten Niederschrift vom 21. Juni 2011 zu beurteilen.

Dies bedeutet konkret, dass der angefochtene Bescheid nur dann frei von Mängeln wäre, wenn die Niederschrift vom 21. Juni 2011 auch eine nachvollziehbare Begründung dafür enthielte, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer zum Wehrdienst geeignet ist. Eine diesbezügliche Begründung enthält die genannte Niederschrift nicht.

3.2. Dieser Verfahrensmangel ist im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen wesentlich und führt daher zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. aus vielen die Erkenntnisse vom 25. Juli 2007, Zl. 2007/11/0061, vom 24. Jänner 2006, Zl. 2005/11/0121, und vom 25. Mai 2004, Zl. 2004/11/0023, je mwN) ist ein Stellungspflichtiger, der auf Grund seines körperlichen und geistigen Zustandes keine militärische Ausbildung erfahren und demnach keinen militärischen Dienst verrichten kann, nicht zum Wehrdienst geeignet. Der Dienst im Bundesheer umfasst jedenfalls eine militärische Komponente im engeren Sinn, auf die sich auch die Ausbildung der Grundwehrdiener zu erstrecken hat. Dies bringt die Anforderung mit sich, dass der Betreffende jedenfalls eine Waffe bedienen und ein gewisses Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln kann, um darüber hinaus auch die sonst bei der Leistung des Militärdienstes anfallenden Tätigkeiten und Übungen zu verrichten. Die einem auf "Tauglich" lautenden Beschluss der Stellungskommission zu Grunde liegende Beurteilung muss daher erkennen lassen, aus welchem Grund der zustimmende Arzt der Auffassung ist, der Stellungspflichtige besitze die notwendige körperliche und geistige Eignung, wie sie nach dem Gesagten beim Grundwehrdiener gegeben sein muss. Dies erfordert in Fällen, in denen Krankheitszustände oder Gebrechen festgestellt werden, die die erforderliche Leistungsfähigkeit - aus welchen Gründen immer - beeinträchtigen, begründete Ausführungen dazu, in welchem Ausmaß der Stellungspflichtige auf Grund des festgestellten Gesundheitszustandes in der Kraftanstrengung oder Beweglichkeit gehindert - oder trotz der behaupteten Leiden eben nicht gehindert - ist.

Derartige Ausführungen im dargestellten Sinn fehlen im vorliegenden Fall. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei inhaltlicher Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer im Stellungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, weil auch nicht notorisch ist, dass dem Beschwerdeführer trotz seiner Krankheit die Eignung zum Wehrdienst im beschriebenen Sinn zukommt.

3.3. Daran ändern die Ausführungen in der Gegenschrift nichts, weil diese nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung eine ordnungsgemäße Bescheidbegründung nicht ersetzen können (vgl. das Erkenntnis vom 29. September 2005, Zl. 2003/11/0008, mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht - soweit er beantragt wurde - auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 20. Oktober 2011

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