VwGH 2003/11/0008

VwGH2003/11/000829.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausplatz 8, gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 3. Dezember 2002, Zl. W/81/19/02/08-1011, betreffend Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WehrG 2001 §17 Abs2;
WehrG 2001 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WehrG 2001 §17 Abs2;
WehrG 2001 §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschlüssen der belangten Behörde vom 23. September 1999, vom 2. Oktober 2000 und vom 21. November 2001 war die Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst jeweils als "Vorübergehend untauglich", zuletzt bis November 2002, festgestellt worden. Am 3. Dezember 2002 hat sich der Beschwerdeführer neuerlich einer Stellungsuntersuchung unterzogen und wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Beschluss für "Tauglich" befunden. Über diesen mündlich verkündeten Beschluss wurde dem Beschwerdeführer eine mit 3. Dezember 2002 datierte schriftliche Bescheinigung, die keine Begründung enthält, ausgestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, auf die der Beschwerdeführer replizierte, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001), BGBl. I Nr. 146 in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2002, lauten wie folgt:

"Aufnahmebedingungen

§ 9 (1) In das Bundesheer dürfen nur österreichische Staatsbürger einberufen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen.

(2) ...

Aufgaben der Stellungskommissionen

§ 17. (1) ...

(2) Die Stellungskommissionen haben die Eignung der Personen nach Abs. 1 zum Wehrdienst auf Grund der zur Feststellung dieser Eignung durchgeführten ärztlichen und psychologischen Untersuchungen mit einem der folgenden Beschlüsse festzustellen:

'Tauglich', 'Vorübergehend untauglich', 'Untauglich'. Erscheint für diese Feststellung eine fachärztliche Untersuchung erforderlich, so sind die Personen nach Abs. 1 von den Stellungskommissionen einer solchen Untersuchung zuzuführen. Zu den Beschlüssen der Stellungskommission bedarf es der Anwesenheit aller Mitglieder oder der nach § 16 Abs. 2 an ihre Stelle tretenden Ersatzmitglieder und der Mehrheit der Stimmen. Ein auf 'Tauglich' lautender Beschluss bedarf jedoch der Zustimmung des Arztes.

(6) Gegen die Beschlüsse der Stellungskommission nach Abs. 2 ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Die Stellungskommissionen haben den Personen nach Abs. 1 über diese Beschlüsse eine Bescheinigung auszustellen.

(7) ..."

Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides u.a. wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er macht geltend, dass er sich nach einer Kahnbeinfraktur der rechten Hand im September 2001 einer Operation habe unterziehen müssen, bei der eine Verschraubung des Kahnbeins erfolgt sei. Diese Schraube befinde sich nach wie vor in seiner Hand. Damit seien eine Einschränkung (der Bewegungsfähigkeit) des Handgelenkes sowie ein Kraftverlust und Schmerzen verbunden. Vom behandelnden Unfallchirurgen sei ihm ein Sportverbot erteilt worden. Er habe die ärztlichen Unterlagen der Stellungskommission vorgelegt, die sich jedoch damit nicht ausreichend auseinander gesetzt habe.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Im Akt befindet sich ein ärztlicher Befundbericht des Unfallchirurgen Dr. L. vom 29. November 2002, der, wie aus einem Stempelaufdruck ersichtlich ist, der Stellungsuntersuchung vom 3. Dezember 2002 zugrunde lag. Dieser Befundbericht endet mit folgender Stellungnahme:

"Aus unfall- und handchirurgischer Sicht ist die Ausübung von schweren sportlichen Aktivitäten, sowie Krafteinsatz der rechten Hand auf Grund der Vorverletzung und der Gefahr der Ausbildung einer neuerlichen Pseudoarthose nicht anzuraten."

Im Akt befindet sich weiters ein mit 3. Dezember 2002 datiertes und mit den Unterschriften von Mitgliedern der Stellungskommission und des Beschwerdeführers versehenes "Statusblatt", in dem als Ergebnis der Untersuchung "Geeignet" festgehalten ist. Dem beigefügt ist die Auflistung nachstehender Diagnosen:

Diagnosen

81400 2 2 Z.N. - Kahnbein-Bruch - Z.N OP

27740 1 5 Bilirubin-Ausscheidungs- Störungen

84590 3 4 Z.N. - Fußgelenk-Verstauchung NUD - Sublux. Tali

73240 3 4 Z.N. - Osteochondrose, juvenile, Gliedmaßen, untere - Morbus Schlatter

59320 5 4 Nierenzyste, erworbene - 6,5 x 4,5 cm

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2003/11/0257, seine auch für das WG 2001 zutreffende Rechtsprechung zur Begründung von Bescheiden betreffend die Eignung zum Wehrdienst auszugsweise wie folgt wiedergegeben:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0072, näher dargelegt hat, sollen Personen, die zwar nur in sehr eingeschränkter Weise militärisch ausgebildet werden können, die aber dennoch für bestimmte Dienstverrichtungen im Bundesheer in Betracht kommen, als 'Tauglich' qualifiziert und gemäß § 44 Abs. 2 zweiter Satz WG ihrer allenfalls eingeschränkten Dienstfähigkeit entsprechend im Bundesheer eingesetzt werden. In weiterer Folge hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. November 1989, Zl. 89/11/0105, klargestellt, dass ein Stellungspflichtiger, der auf Grund seines körperlichen und geistigen Zustandes überhaupt keine militärische Ausbildung erfahren und demnach überhaupt keinen militärischen Dienst verrichten kann, nicht zum Wehrdienst geeignet ist. Der Umstand, dass eine bestimmte Person zu irgendwelchen Dienstverrichtungen im Bundesheer in der Lage ist, bewirkt nach der Judikatur noch nicht ihre Tauglichkeit im Sinne des WG. Der Dienst im Bundesheer umfasst jedenfalls eine militärische Komponente im engeren Sinn, auf die sich auch die Ausbildung der Grundwehrdiener zu erstrecken hat. In diesem Sinn ist § 15 Abs. 1 WG zu verstehen. Dies bringt die Anforderung mit sich, dass der Betreffende jedenfalls eine Waffe bedienen und ein gewisses Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln kann. Wie der Verwaltungsgerichtshof schließlich in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zlen. 97/11/0208, 0270, näher ausgeführt hat, beschränkt sich die im Lichte der bereits zitierten Rechtsprechung geforderte körperliche Leistungsfähigkeit auf das Bedienen einer Waffe und das Aufbringen eines Mindestmaßes an Kraftanstrengung und Beweglichkeit, um die Grundausbildung zu absolvieren. In diesem Erkenntnis wurde auch klargestellt, dass es nicht ausreicht, wenn ein Stellungspflichtiger ein Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln kann, um eine Waffe bedienen zu können, um bereits seine Tauglichkeit zu begründen, weil der Wehrpflichtige der Beweglichkeit und Kraftanstrengung nicht nur bedarf, um die Waffe zu bedienen, sondern "in erster Linie" um die sonst bei der Leistung des Militärdienstes anfallenden Tätigkeiten und Übungen zu verrichten.

Ein auf 'Tauglich' lautender Beschluss der Stellungskommission bedarf gemäß § 23 Abs. 2 letzter Satz WG der Zustimmung des Arztes. Die einem solchen Beschluss zu Grunde liegende Beurteilung muss erkennen lassen, aus welchem Grund der Arzt der Auffassung ist, der Stellungspflichtige besitze die notwendige körperliche und geistige Eignung im oben beschriebenen Sinn. Dies erfordert in Fällen, in denen Krankheitszustände oder Gebrechen festgestellt werden, welche die mögliche Kraftanstrengung und Beweglichkeit - aus welchen Gründen immer - beeinträchtigen, nachvollziehbare Ausführungen dazu, in welchem Ausmaß der Stellungspflichtige auf Grund seines festgestellten Gesundheitszustandes in der Kraftanstrengung und Beweglichkeit gehindert ist. Ohne derartige Feststellungen ist eine Klärung der Frage, ob der Stellungspflichtige einen Gesundheitszustand aufweist, bei dem es ihm noch möglich ist, die oben umschriebene Kraftanstrengung und Beweglichkeit aufzubringen, die eine zumindest eingeschränkte militärische Ausbildung voraussetzt, nicht möglich."

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen jenem Fall, der dem zitierten Erkenntnis Zl. 2003/11/0257, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zu Grunde lag. Auch im vorliegenden Beschwerdefall fehlt im Hinblick auf die den Beschwerdeführer betreffenden Diagnosen (darunter nicht nur der bereits genannte Kahnbeinbruch, sondern auch eine 6,5 cm x 4,5 cm große Nierenzyste) die Begründung für den Beschluss "Tauglich" zur Gänze. Eine solche Begründung beinhaltet auch nicht jenes im Akt befindliche, handschriftlich mit dem Namen des Beschwerdeführers und mit dem Datum "3.12.02" gekennzeichnete Formblatt, das die "Ausnahmeprofile Heben, Laufen, Springen" nennt, weil dieses Formblatt bloß den im Erkenntnis Zl. 2003/11/0257 wiedergegebenen und schon dort als für eine gesetzmäßige Begründung nicht ausreichend bezeichneten Formulartext, nicht aber eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beinhaltet.

Die fehlende Nachvollziehbarkeit der Feststellung "Tauglich" wird gegenständlich auch dadurch besonders deutlich, dass die Stellungskommission offenbar aus der genannten Handverletzung des Beschwerdeführers im Beschluss vom 21. November 2001 die gegenteiligen Schlussfolgerungen gezogen und ihn, wie erwähnt, damals für "Vorübergehend untauglich" erklärt hat. Umso mehr hätte es daher einer auf einem medizinischen Gutachten beruhenden Beurteilung der belangten Behörde bedurft, inwieweit sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zwischenzeitig verbessert hat und wie sich dies auf seine körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt.

Dass die Gegenschrift der belangten Behörde (in der diese im Übrigen ebenso wenig auf die konkreten Krankheitsbilder des Beschwerdeführers und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen für seine Eignung zum Wehrdienst eingeht) eine ordnungsgemäße Bescheidbegründung nicht ersetzen kann, ist gleichfalls ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Zl. 2003/11/0257).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. September 2005

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