VwGH 2011/10/0049

VwGH2011/10/004916.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Pelant, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der R L in Wien, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in 2225 Zistersdorf, Hauptstraße 25, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. November 2010, Zl. GS5-SH-23667/002-2010, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG NÖ 2000 §41;
VwGG §42 Abs2 Z1;
SHG NÖ 2000 §41;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin gemäß § 41 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes 2000, LGBl. 9200-0 idF LGBl. 9200-8 (im Folgenden: NÖ SHG), dazu, hinsichtlich der mit Bescheiden vom 7. Oktober 2008 und vom 12. Mai 2009 (ihrem Stiefvater) J.A. bewilligten Sozialhilfe Kostenersatz in der Höhe von EUR 12.048,50 zu leisten.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, J.A. sei mit den angeführten Bescheiden jeweils gemäß §§ 12 und 15 NÖ SHG "Hilfe bei stationärer Pflege" in näher genannten Pflegeinstitutionen gewährt worden; er sei somit Hilfeempfänger im Sinn des § 41 Abs. 1 NÖ SHG.

Aufgrund eines Schenkungsvertrages vom 4. Dezember 2006 sei der Beschwerdeführerin von J.A. ein Hälfteanteil einer näher bezeichneten Liegenschaft des Grundbuchs N übergeben worden, was die Beschwerdeführerin ebensowenig bestritten habe wie die Tatsache, dass mit Oktober 2010 an Heimkosten EUR 19.266,37 ungedeckt aushafteten.

Strittig sei allerdings die Höhe des Geschenkwertes. Eine durch einen Amtssachverständigen vorgenommene liegenschaftstechnische Bewertung der Liegenschaft habe für den Stichtag 10. Dezember 2009 folgenden Verkehrswert ergeben:

"a) Grundstück Nr. 82 (Hauptstraße 94)

Gebäude mit Grund

EUR 76.000,- -

b) Grundstück Nr. 89 (Presshaus mit Keller)

Gebäude mit Grund

EUR 4.600,- -

c) Grundstück Nr. 804/1

Landwirtschaftlich genutztes Grundstück

EUR 10.000,- -

d) Barwert Anteilsrechte EUR 2.500,- -

Verkehrswert insgesamt

EUR 93.100,- -

e) Barwert Wohnrecht

EUR 63.600,- -"

Somit ergebe sich folgender Geschenkwert:

"Verkehrswert

EUR 93.100,- -

abzüglich Barwert Wohnrecht EUR 63.600,- -

 

EUR 29.500,- -

Schenkungsanteil für die halbe Liegenschaft

EUR 14.750,--"

Gegen diese Bewertung habe die Beschwerdeführerin lediglich eingewendet, dabei sei außerdem der noch zu erhebende Barwert für das zu Gunsten ihrer Mutter bestehende Belastungs- und Veräußerungsverbot zu berücksichtigen.

Dazu führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, gemäß § 2 Abs. 1 Liegenschaftsbewertungsgesetz sei - sofern durch Gesetz oder Rechtsgeschäft nichts Anderes bestimmt werde - der Verkehrswert der Sache zu ermitteln. Mangels spezieller Regelung im NÖ SHG werde daher beim vorliegenden Geschenk dessen Verkehrswert ermittelt.

Nach § 2 Abs. 2 Liegenschaftsbewertungsgesetz sei der Verkehrswert der Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden könne. Allein aus dieser Definition ergebe sich "zweifelsfrei, dass ein vereinbartes Belastungs- und Veräußerungsverbot bei der Verkehrswertermittlung einer Sache nicht zu berücksichtigen" sei.

Die Beschwerdeführerin habe somit von J.A. Vermögen im Wert von EUR 14.750 ohne entsprechende Gegenleistung erhalten; sie sei somit nach § 41 NÖ SHG im Ausmaß dieses Geschenkwertes abzüglich des Fünffachen des Richtsatzes für Alleinstehende in Höhe von EUR 2.701,50, sohin im Ausmaß von insgesamt EUR 12.048,50 für die entstandenen Sozialhilfekosten ersatzpflichtig.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 1. März 2011, B 32/11, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ SHG haben den folgenden

Wortlaut:

"§ 12

Hilfe bei stationärer Pflege

(1) Die Hilfe zur Pflege umfasst alle Betreuungs- und Pflegemaßnahmen in stationären Einrichtungen für hilfebedürftige Menschen. Hilfebedürftig ist, wer auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung oder einer Beeinträchtigung der Sinne einen ständigen Betreuungs- und Pflegebedarf hat. Eine Pflege durch einen gemäß § 48 anerkannten sozialmedizinischen und sozialen Betreuungsdienst, die das zeitliche Ausmaß einer stationären Pflege erreicht, ist mit der stationären Pflege gleichzusetzen.

(…)

§ 15

Einsatz der eigenen Mittel

(1) Die Leistung der Hilfe bei stationärer Pflege nach § 12 erfolgt unter Berücksichtigung des Einsatzes des Einkommens und des verwertbaren Vermögens sowie unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, insoweit diese vom Anspruchsübergang nach den bundes- und landesgesetzlichen Pflegegeldregelungen erfasst sind.

(…)

§ 41

Ersatz durch den Geschenknehmer

(1) Hat ein Hilfeempfänger innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Hilfeleistung, während oder drei Jahre nach der Hilfeleistung Vermögen verschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung an andere Personen übertragen, so ist der Geschenknehmer (Erwerber) zum Kostenersatz verpflichtet, soweit der Wert des Vermögens das fünffache des Richtsatzes für Alleinstehende übersteigt.

(2) Die Ersatzpflicht ist mit der Höhe des Geschenkwertes (Wert des ohne entsprechende Gegenleistung übernommenen Vermögens) begrenzt."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, bei der Bewertung der gegenständlichen Liegenschaft müsse das diesbezüglich bestehende Belastungs- und Veräußerungsverbot deshalb außer Betracht bleiben, weil § 2 Abs. 2 Liegenschaftsbewertungsgesetz hinsichtlich des Verkehrswertes ausdrücklich auf die Veräußerung der Sache abstelle.

Die Beschwerdeführerin hingegen bringt in ihrer Beschwerde - im Einklang mit ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren - vor, bei der nach § 41 NÖ SHG vorzunehmenden Ermittlung der Höhe des Geschenkwertes hätte das Belastungs- und Veräußerungsverbot berücksichtigt werden müssen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:

Nach Ausweis der Verwaltungsakten besteht auf der gegenständlichen Liegenschaft tatsächlich ein verbüchertes Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten von M.A., der Mutter der Beschwerdeführerin. Schon bei Abschluss des Schenkungsvertrages vom 4. Dezember 2006 bestand hinsichtlich des damals im Eigentum des J.A. stehenden Hälfteanteils ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten von M.A.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, aus § 2 Abs. 2 des von der belangten Behörde herangezogenen Liegenschaftsbewertungsgesetzes (zu dessen Geltungsbereich vgl. § 1 leg. cit.) ergebe sich, dass dieses Belastungs- und Veräußerungsverbot bei der Ermittlung der Höhe des Geschenkwertes gemäß § 41 NÖ SHG nicht zu berücksichtigen sei.

Damit hat die belangte Behörde allerdings die Rechtslage verkannt:

Regelungszweck des § 41 NÖ SHG ist es, die in einem zeitlichen Naheverhältnis zur Gewährung von Hilfe nach diesem Gesetz beim Beschenkten eingetretene Vermögensvermehrung - soweit diese einen bestimmten Sockelbetrag (das Fünffache des Richtsatzes für Alleinstehende) übersteigt - abzuschöpfen, wozu eine Ermittlung des Ausmaßes der eingetretenen Vermögensvermehrung unerlässlich ist.

Aus diesem Grund hätte die belangte Behörde das hinsichtlich des geschenkten Liegenschaftsanteiles unstrittig zu Gunsten der Mutter der Beschwerdeführerin bestehende Veräußerungs- und Belastungsverbot bei ihrer Beurteilung nach § 41 NÖ SHG nicht außer Acht lassen dürfen; vielmehr hätte die belangte Behörde das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin eingetretenen Vermögensvermehrung unter Berücksichtigung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes - und unter Beiziehung eines Sachverständigen - ermitteln müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Juni 2011

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