VwGH 2011/09/0130

VwGH2011/09/013031.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Mag. AH in S, vertreten durch Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Markus-Sittikus-Straße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 18. Mai 2011, Zl. UVS-11/11274/17- 2011, betreffend Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

11992E030 EGV Art30;
11992E059 EGV Art59;
11997E028 EG Art28;
11997E049 EG Art49;
11997E050 EG Art50 lita;
11997E050 EG Art50 litb;
11997E050 EG Art50 litc;
11997E050 EG Art50 litd;
11997E050 EG Art50;
12003T/TXT Beitrittsvertrag Europäische Union Anh12;
12003T/TXT Beitrittsvertrag Europäische Union Anh14 Nr13;
12003TN05/01 Beitrittsvertrag Tschechien - 1/Freizügigkeit;
12010E034 AEUV Art34;
12010E035 AEUV Art35;
12010E036 AEUV Art36;
12010E045 AEUV Art45;
12010E056 AEUV Art56;
61992CJ0275 Schindler VORAB;
61994CJ0293 Jacqueline Brandsma VORAB;
61999CJ0390 Canal Satelite Digital VORAB;
AuslBG §1 Abs2 litl;
AuslBG §18 Abs1;
AuslBG §28 Abs1 Z1 litb;
AuslBG §32a Abs6;
AuslBG §32a;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
11992E030 EGV Art30;
11992E059 EGV Art59;
11997E028 EG Art28;
11997E049 EG Art49;
11997E050 EG Art50 lita;
11997E050 EG Art50 litb;
11997E050 EG Art50 litc;
11997E050 EG Art50 litd;
11997E050 EG Art50;
12003T/TXT Beitrittsvertrag Europäische Union Anh12;
12003T/TXT Beitrittsvertrag Europäische Union Anh14 Nr13;
12003TN05/01 Beitrittsvertrag Tschechien - 1/Freizügigkeit;
12010E034 AEUV Art34;
12010E035 AEUV Art35;
12010E036 AEUV Art36;
12010E045 AEUV Art45;
12010E056 AEUV Art56;
61992CJ0275 Schindler VORAB;
61994CJ0293 Jacqueline Brandsma VORAB;
61999CJ0390 Canal Satelite Digital VORAB;
AuslBG §1 Abs2 litl;
AuslBG §18 Abs1;
AuslBG §28 Abs1 Z1 litb;
AuslBG §32a Abs6;
AuslBG §32a;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Vorstand und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der S AG als Auftraggeber mit Sitz in S zu verantworten, dass von dieser, wie Organe des Finanzamtes St bei einer Kontrolle beim Kreisverkehr Autobahnabfahrt SM am 9. März 2010 um 14.30 Uhr festgestellt haben, die tschechischen Staatsangehörigen SJ und ZJ vom 13. Dezember 2009 bis zum 18. Dezember 2009 und vom 8. März 2010 bis zum 9. März 2010 beim Kreisverkehr Autobahnabfahrt SM für die Montage und die Korrekturarbeiten der Weichen für die O-Bus Oberleitung in Anspruch genommen wurden, ohne dass eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Entsendebewilligung vorgelegen sei. Die Beschäftigten seien Arbeitnehmer der E Inc mit Sitz in der Republik Tschechien, P 8, die keinen Betriebssitz im Bundesgebiet habe.

Der Beschwerdeführer habe dadurch zwei Übertretungen gemäß § 18 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurden zwei Geldstrafe in der Höhe von je EUR 1.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Berufung des Beschwerdeführers, der Aussagen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 31. März 2011 und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Der (Beschwerdeführer) macht zusammengefasst geltend, dass die vorliegend angeführten Installationsarbeiten im Zusammenhang mit dem Kauf einer Oberleitungsweichenanlage von der Firma E Inc erfolgt sei. Die Montage sei lediglich eine Nebenleistung zu diesem Kauf gewesen und unterliege dieses Geschäft somit der Warenverkehrsfreiheit und nach Art. 28 EGV und nicht der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV.

Nach § 32a Abs 6 AuslBG fällt die Beschäftigung der betriebsentsandten tschechischen Arbeitskräfte bis zum Ablauf der Übergangsbestimmungen (dh bis 30.4.2011) unter die Einschränkung dieses Bundesgesetzes, wenn diese zur Erbringung einer Dienstleistung in Österreich tätig wurden, soweit diese in den Bereich eines geschützten Dienstleistungssektors fallen (Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte in den Anhängen V und VI, VIII bis X sowie XII bis XIV). Laut ÖNACE-Code fällt die Errichtung und der Umbau von Fahrleitungen unter die Unterklasse 45.21.7 Rohrleitungs- und Kabelleitungsbau, der Teil des geschützten Sektors 'Baugewerbe, einschließlich verwandter Wirtschaftszweige' ist. Im vorliegenden Fall der Errichtung einer Obus-Oberleitungsweiche handelt es sich zweifelsfrei um ein gemischtes Werk, das sowohl den Charakter einer Dienstleistung als auch einer Warenleistung besitzt."

Daran schließt die Wiedergabe der für die Einordnung von gemischten Leistungen (dort wie hier eine Warenlieferung und darauf bezogene Dienstleistung) wesentlichen Passagen aus dem hg. Erkenntnis vom 24. März 2009, Zl. 2007/09/0283, an.

Die belangte Behörde setzte fort:

"Es ist somit zunächst zu prüfen, inwieweit einzelnen Leistungsteile von einander trennbar sind. Ist eine Trennung nicht möglich, muss beurteilt werden, ob der Dienstleistungs- oder Warenaspekt überwiegt.

In diesem Zusammenhang hat sich ergeben, dass Ankauf der vorliegenden Weichenanlage (Aufgliederung lt Rechnungsanhang) nicht vom Einbau getrennt werden kann. Dies allein schon aus dem Grund, als die E Inc hier eine produktspezifische Technik verwendet, die offenbar kein anderes Unternehmen beherrscht. Im Fall der Selbstmontage käme es zum Verlust der Gewährleistungs- und Garantieansprüche. Genauso ist keine Drittfirma bekannt, welche die Montage unter Zusicherung dieser Ansprüche übernehmen könnte.

Der Auftrag wurde laut Rechnung wie folgt in Teilleistungen

aufgegliedert:

'Pos

Bezeichnung

Preis in EUR

1

Planung für Project

800,0 EUR

2

Material für projekt

12.221,7 EUR

3

Weichensteuerung

1.500,0 EUR

4

Material für Anpassung Weichensteuerung

4743,0 EUR

5

Ersatzteile

3.814,8 EUR

6

Montage

16.000,0 EUR

7

Vorbereitung und Transit für Montagelaistung

5.100,0 EUR

 

Total

44.179,5 EUR'

Anzumerken in diesem Zusammenhang ist, dass nach dem AuslBG nur jene Leistungen diesem Gesetz unterliegen, welche vom ausländischen Auftragnehmer tatsächlich im Inland erbracht werden. Damit ist jedenfalls die Projektierung der Weichenanlage, welche am Sitz der E Inc in P erfolgte, auszuscheiden.

Als Warenleistungen erscheinen die Positionen 2, 3, 4 und 5, wobei anzuführen ist, dass die Position 5 'Ersatzteile' von der restlichen Leistung getrennt werden kann, zumal die Anlage auch ohne diese Teile funktioniert und diese nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit (der größeren Betriebssicherheit) sogleich angeschafft wurden.

Als unmittelbar in Österreich erbrachte Dienstleistungen waren die Positionen 6 und 7 der Rechnung anzusehen, wobei unter Position 7 laut Aussage des Zeugen SJ der Transport der gesamten Anlage nach Österreich sowie die Bereitstellung eines Turmwagens für die Montage erfasst wurden.

Für den Transit war ein Auslandsanteil von P bis zur österreichischen Staatsgrenze (liegt etwa auf halber Strecke bis Salzburg) abzuziehen. In Anbetracht des Umstandes, dass hier offensichtlich die Kosten der Bereitstellung des Montagewagens, der sich während der gesamten Montage- bzw. Nachbesserungsarbeiten (dh etwa für 7 Tage) in Salzburg befunden hat, wesentlich überwiegt, war davon auszugehen, dass der Auslandsanteil für die erwähnte Transportleistung bis zur Grenze jedenfalls unter 20 % dieser Rechnungsposition liegt. Es wurde daher zu Position 7 ein Auslandsanteil von EUR 1.100 abgezogen.

Die Leistungen der E Inc sind daher bei Anwendung der vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen Grundsätze wie folgt aufzugliedern:

 

Dienstleistung

Ware

auszuscheiden

Anmerkung

Planung

  

800,00

Auslandsleistung

Material

 

12.221,70

  

Weichensteuerung

 

1.500,00

  

Material Anpas-

sung Wei-

chensteuerung

 

4.743,00

  

Ersatzteile

  

3.814,80

abtrennbar

Montage

16.000,00

   

Vorbereitung +

Transit

4.000,00

 

1.100,00

~ 20% Auslandsanteil

Summe

20.000,00

18.464,70

5.714,80

Gesamt 44.179,50

Zusammengefasst liegt der Wert der inländischen Dienstleistung laut Rechnung bei EUR 20.000,-- (52 %) und jener der Ware bei EUR 18.464,70 (48 %). Damit spiegelt sich auch in der Rechnung wider, dass die Montage der Weichenanlage durch die Lieferfirma der zentrale Auftragsbestandteil und nicht bloß eine zweitrangige Nebenleistung war, weshalb der Wert der Dienstleistung jenen der Ware eindeutig überwiegt. Im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat das zur Folge, dass die vorliegenden Montageleistungen unter die Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nach Art 49 EG fielen, weshalb die Salzburg AG verpflichtet gewesen wäre, für diese Einsatz entsprechende Entsende- oder Beschäftigungsbewilligungen nach § 18 AuslBG zu beantragen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst (wie schon in der Berufung) vor, dass die gegenständlichen Montagearbeiten im Zusammenhang mit dem Kauf einer Oberleitungsweichenanlage von der E Inc erfolgt sei. Die Montage sei Annex und Nebenleistung zum Kauf, weshalb das Geschäft der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EGV (jetzt Art. 34 AEUV) unterliege.

Zunächst ist der belangten Behörde beizupflichten, dass das gegenständliche Rechtsgeschäft nach den im hg. Erkenntnis vom 24. März 2009, Zl. 2007/09/0283, ausgeführten Grundsätzen (auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen) zu betrachten war.

Die belangte Behörde hat das Rechtsgeschäft auch nach diesen Grundsätzen zu werten versucht. Im konkreten Fall ist aber darüber hinausgehend noch zu beachten:

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) grenzt nach dem Schwerpunkt des Gesamtvorganges ab (vgl. Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Kommentar4 zu Art. 34-36 (ex Art. 28- 30 EGV) Rz 122, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH). Es verbietet sich danach, eine gemischte Leistung im Hinblick auf die Untersuchung nach ihrem inhaltlichen Schwerpunkt in die im Ausland und die im Inland erbrachten Leistungen aufzuspalten. Dies ist auch logisch, als andernfalls die Herstellung und der Kauf von (wertvollen) Waren in einem anderen Mitgliedstaat außerhalb Österreichs, bei denen als Nebenaspekt Montageleistungen im Inland anfallen, nie unter die Warenverkehrsfreiheit fallen könnten.

Die von der belangten Behörde als "Auslandsleistung" bezeichneten Positionen sind deshalb in die Gesamtbewertung einzubeziehen.

Die Warenverkehrsfreiheit schützt das Recht, Waren "zu erwerben, anzubieten, auszustellen oder feilzuhalten, zu besitzen, herzustellen, zu befördern, zu verkaufen, entgeltlich oder unentgeltlich abzugeben, einzuführen oder zu verwenden (vgl. Kingreen aaO, Rz 123 sowie das darin genannte Urteil des EuGH vom 27. Juni 1996, Rs. C-293/94 , Slg. 1996, I-3159 (Brandsmaa), Rn. 6).

Diese Grundsätze bedeuten für den konkreten Fall, dass die Rechnungsposition "Planung für Projekt" (die jedenfalls im vorliegenden Fall als unbedingt notwendige Vorleistung zur "Herstellung" zu rechnen ist) in Höhe von EUR 800,-- , und die gesamte Beförderung der Teile der Oberleitungsweiche von P zu ihrem Bestimmungsort S zum Warenanteil zählen. Entsprechend der Rechnung der belangten Behörde zum Wert der Beförderung vom Erzeugungsort P bis zur österreichischen Grenze (diese Strecke sei etwa die Hälfte bis zum Bestimmungsort) in Höhe von EUR 1.100,-- ist diese Summe auch für den Transport von der österreichischen Grenze bis zum Bestimmungsort anzusetzen. Damit sind jedenfalls EUR 2.200,-- als reine Beförderungskosten dem Warenverkehrsanteil hinzuzurechnen. In Summe sind daher EUR 3.000,-- dem von der belangten Behörde als "Ware" anerkannten Betrag hinzuzufügen, was EUR 21.464,70 ergibt.

Die verbleibenden EUR 2.900,-- aus der Position "Vorbereitung + Transit" hat die belangte Behörde als Entgelt für die Beistellung eines Turmwagens zur Montage angesehen. Dies ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, gleicht dieser Vorgang doch einer Miete, welche dem Dienstleistungsteil zuzuordnen ist (vgl. Kluth in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Kommentar4 zu Art. 56, 57 AEUV (ex Art. 49, 50 EGV), Rz 18). Damit stehen als Montagekosten EUR 18.900,-- zu Buche. Schon im diesem Stadium der Berechnung überwiegt der Warenanteil.

Die Position "Ersatzteile" durfte von der belangten Behörde ebenfalls nicht als "abtrennbar" vom Warenwert abgezogen werden. Denn zu dieser Position haben die Zeugen GM und JS angegeben - dies wurde von der belangten Behörde nicht als unglaubwürdig gewertet - dass hiebei jene Teile der Anlage, bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Ausfall bzw Ersatzbedarf zu rechnen sei, gleich auf Lager gelegt würden (Verschleißteile), weil diese jederzeit verfügbar sein müssten, um von eigenen Monteuren der S AG "ehestmöglich" ausgewechselt zu werden. Ansonsten würden Stehzeiten der Oberleitungsbusse anfallen.

Wurden aber die Ersatzteile aus betrieblich plausiblen Überlegungen des Käufers gleich bei Kauf der Weichenanlage mitbezogen, so sind sie als Aspekt des Warenverkehrs in den Warenwert miteinzubeziehen.

Damit ergibt sich ein bei weitem überwiegender Warenanteil, sodass schon deshalb das Gesamtgeschäft unter dem Aspekt der Warenverkehrsfreiheit zu betrachten war. Es erübrigt sich daher noch zu untersuchen, ob von der belangten Behörde auf weitere, vom Beschwerdeführer genannte Umstände (wie etwa, dass es sich um ein neues, innovatives Produkt handle und deshalb kein anderes Unternehmen die produktspezifische Technik beherrsche) als Bestärkung des Warenverkehrsaspektes einzugehen gewesen wäre.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 31. Mai 2012

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