Normen
BauO Tir 2001 §36 Abs3;
BauO Tir 2011 §36 Abs2 lita;
BauO Tir 2011 §36;
BauO Tir 2001 §36 Abs3;
BauO Tir 2011 §36 Abs2 lita;
BauO Tir 2011 §36;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und den mitbeteiligten Parteien in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 10. März 2011 stellten die mitbeteiligten Parteien einen Antrag gemäß § 34 Tiroler Bauordnung - TBO (in der Fassung LGBl. Nr. 94/2001), um nach dem Austausch von Fenstern für Arbeiten an der Fassade die im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Nachbarliegenschaft durch Anbringen einer Leiter bzw. eines Gerüstes in Anspruch nehmen zu können. Der Beschwerdeführer habe durch seinen Anwalt erklärt, keine Zustimmung zu erteilen, dass sein Grundstück für die Durchführung der erforderlichen Arbeiten in Anspruch genommen werden dürfe.
Die Baubehörde erster Instanz holte sodann eine Stellungnahme eines hochbautechnischen Sachverständigen ein, in der dieser ausführte, dass für die Herstellung des Außenputzes (Scheinung der neu eingebauten Fenster) jedenfalls das Aufstellen eines Gerüstes auf Fremdgrund - Schutzgerüst - erforderlich sei. Die Verputzarbeiten könnten auch vom betroffenen Innenraum aus durchgeführt werden, dies stelle jedoch eine Erschwernis und einen höheren Kostenaufwand dar. Unabhängig davon müsste jedoch während der Arbeiten der Hofraum gesperrt und ein Schutzgerüst aufgestellt werden, damit keine Gefährdung für Personen entstehe. Daher entstehe für den Eigentümer die gleiche Belastung wie durch das Aufstellen eines Arbeitsgerüstes, die Verputzarbeiten wären mit einem Arbeitsgerüst jedoch schneller und mit weniger Erschwernis zu erledigen. Aus technischer und wirtschaftlicher Sicht sei die Ausführung der Arbeiten vom Nachbargrund aus leichter, sicherer und billiger.
Darauf erteilte die Baubehörde den mitbeteiligten Parteien mit Bescheid vom 25. Mai 2011 die Bewilligung für das Aufstellen eines Schutzgerüstes (gemeint wohl: Arbeitsgerüstes) auf dem Grundstück des Beschwerdeführers zum Zweck von Verputzarbeiten am Anwesen der mitbeteiligten Parteien. Die Inanspruchnahme des Grundstücks des Beschwerdeführers erfolge für die Dauer von maximal zwei Tagen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. Juli 2011 Berufung und brachte darin im Wesentlichen vor, dass er entgegen der Bestimmung des § 34 Abs. 3 TBO zu keinem Zeitpunkt von der beabsichtigten Durchführung der Bauarbeiten verständigt worden sei und erstmalig mit Schreiben des Rechtsvertreters der mitbeteiligten Parteien vom 16. Juni 2011 von der beabsichtigten Durchführung der Bauarbeiten erfahren habe. Der erstinstanzliche Bescheid sei ihm auch erst über Intervention seines Rechtsvertreters am 27. Juni 2011 zugestellt worden. Er habe sich somit nie zu den beabsichtigten Bauarbeiten äußern und auch am Verfahren nicht beteiligen können. Auch die Stellungnahme des Amtssachverständigen sei ihm nicht bekannt gewesen. Sein Recht auf rechtliches Gehör sei somit krass verletzt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Verputzarbeiten nur mit unverhältnismäßig hohen Mehrkosten vom Innenraum aus durchgeführt werden könnten. Ein ziffernmäßiger Betrag für die angeblichen Mehrkosten werde nicht angeführt. Da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 TBO kumulativ vorliegen müssten, sei die Interessenabwägung der belangten Behörde, dass die Vorteile der Benützung des Nachbargrundstückes nicht in einem krassen Missverhältnis zu den damit für die mitbeteiligten Parteien verbundenen Nachteilen stünden, nicht nachvollziehbar.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass nach den Ausführungen des Amtssachverständigen eine Durchführung der Verputzarbeiten in keinem Fall gänzlich ohne die Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes möglich sei, weil auch bei Durchführung der Arbeiten vom Innenraum aus im Hof ein Schutzgerüst aufgestellt bzw. der Hofraum gesperrt werden müsste, um keine Personen zu verletzen. Eine Ergänzung des ohnehin notwendigen Schutzgerüstes würde eine leichtere, sicherere und billigere Durchführung der Arbeiten vom Nachbargrundstück aus ermöglichen. Daher könne die Höhe der Mehrkosten dahingestellt bleiben, weil eine Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes jedenfalls erforderlich sei. Im gegenständlichen Fall seien die Dauer der Inanspruchnahme, die in Anspruch genommene Fläche und die Intensität der vorübergehenden Nutzung äußerst gering; objektiv seien keine gravierenden Nachteile für den Beschwerdeführer durch die vorübergehende Inanspruchnahme eines Grundstreifens ersichtlich. Dieser habe auch in seiner Berufung keine nachvollziehbaren Argumente vorgebracht, inwieweit seine Interessen durch die Fremdgrundbenützung beeinträchtigt würden. Bei Vornahme der Verputzarbeiten vom Innenraum aus würde das Schutzgerüst länger stehen bzw. wäre der gesamte Hofraum über längere Zeit zu sperren, was einen intensiveren Eingriff ins Eigentum des Beschwerdeführers bedeuten würde. Die Benützung des Grundstückes stehe somit in keinem krassen Missverhältnis zu den damit verbundenen Nachteilen für den Beschwerdeführer.
Zum Berufungsvorbringen, wonach die mitbeteiligten Parteien vor Antragstellung bei der Behörde keinen Kontakt mit dem Beschwerdeführer aufgenommen hätten, führte die belangte Behörde aus, im verfahrenseinleitenden Antrag sei ausgeführt worden, dass der Anwalt des Beschwerdeführers erklärt hätte, keine Zustimmung zur beantragten Fremdgrundbenützung zu erteilen. Ein diesbezüglicher Schriftverkehr sei nicht vorgelegt worden. Es könne jedoch dahingestellt bleiben, ob sich die mitbeteiligten Parteien vor Antragstellung mit dem Beschwerdeführer schriftlich in Verbindung gesetzt hätten oder nicht. Spätestens seit der nachweislichen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides sei der Beschwerdeführer umfassend über das beantragte Vorhaben informiert. Aus der Tatsache der Berufungserhebung sowie dem dortigen Vorbringen gehe zweifelsfrei hervor, dass eine Zustimmung des Beschwerdeführers zu der beantragten Fremdgrundbenützung nicht vorliege und auch nicht erteilt werde. Ein eventuell vorliegender erstinstanzlicher Verfahrensmangel sei damit jedenfalls als geheilt anzusehen. Außerdem habe der Beschwerdeführer die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dargelegt. Auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs sei durch die in der Berufung gegebene Möglichkeit der Stellungnahme saniert worden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011), LGBl. Nr. 57/2011, am 1. Juli 2011 nach der bisherigen Tiroler Bauordnung anhängigen Verfahren - abgesehen von Baubewilligungsverfahren und Verfahren aufgrund von Bauanzeigen - sind gemäß § 62 Abs. 2 TBO 2011 weiterzuführen, sofern sie darin eine gesetzliche Grundlage finden. Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bei der beim Magistrat der Stadt Innsbruck eingerichteten Berufungskommission anhängigen Verfahren sind vom Stadtsenat weiterzuführen. § 36 TBO 2011 gilt auch für die Ausführung von Bauvorhaben, für die eine Baubewilligung oder eine Bauanzeige aufgrund der bisherigen Tiroler Bauordnung vorliegt und die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch nicht vollendet sind (§ 62 Abs. 5 TBO 2011). Demnach ist im vorliegenden Fall die TBO 2011 anzuwenden.
Deren § 36 Abs. 1 bis 3 hat folgenden Wortlaut:
"§ 36
Vorübergehende Benützung von Nachbargrundstücken
(1) Die Eigentümer der Nachbargrundstücke und die sonst hierüber Verfügungsberechtigten haben das Betreten und Befahren sowie die sonstige vorübergehende Benützung dieser Grundstücke und der darauf befindlichen baulichen Anlagen zum Zweck der Ausführung eines Bauvorhabens, der Durchführung von Erhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen oder der Behebung von Baugebrechen einschließlich allfälliger Sicherungsarbeiten im unbedingt notwendigen Ausmaß zu dulden. Diese Verpflichtung umfasst auch die Durchführung von Grabungsarbeiten und die Anbringung von Verankerungen und Stützelementen und dergleichen. Die Benützung hat unter möglichster Schonung der Interessen der Eigentümer der betroffenen Grundstücke und der sonst hierüber Verfügungsberechtigten zu erfolgen.
(2) Die Verpflichtung nach Abs. 1 besteht nur insoweit, als
a) die betreffenden Bauarbeiten auf eine andere Weise nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Mehrkosten durchgeführt werden könnten und
b) bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen die Vorteile aus der Benützung der Grundstücke bzw. der darauf befindlichen baulichen Anlagen nicht in einem krassen Missverhältnis zu den damit verbundenen Nachteilen stehen.
(3) Der Eigentümer des Nachbargrundstückes oder der sonst hierüber Verfügungsberechtigte ist von der beabsichtigten Durchführung der Bauarbeiten außer bei Gefahr im Verzug mindestens zwei Wochen vorher schriftlich zu verständigen. Stimmt der Eigentümer oder der sonst Verfügungsberechtigte der Durchführung der Bauarbeiten nicht ausdrücklich zu, so hat die Behörde auf Antrag des Bauherrn bzw. des Eigentümers der betreffenden baulichen Anlage mit schriftlichem Bescheid über die Zulässigkeit der Durchführung der Bauarbeiten zu entscheiden. Wird diese bejaht, so sind die zulässigen Bauarbeiten und erforderlichenfalls auch die Art ihrer Durchführung im Einzelnen anzuführen. Die Entscheidung hat spätestens innerhalb von sechs Wochen nach dem Einlangen des bezüglichen Ansuchens zu erfolgen. Die Duldungspflicht ist im Weg der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen.
(4) …"
Der Beschwerdeführer wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus der Berufung und betont nochmals, dass er nicht - wie in § 36 Abs. 3 TBO 2011 gefordert - mindestens zwei Wochen vor der beabsichtigten Durchführung der Bauarbeiten, sondern zu keinem Zeitpunkt, schriftlich verständigt worden sei. Er habe erstmals aus dem an seinen Vertreter gerichteten Schreiben des Rechtsanwaltes der mitbeteiligten Parteien vom 16. Juni 2011 von den beabsichtigten Bauarbeiten erfahren. Auch die belangte Behörde führe aus, dass im verfahrenseinleitenden Antrag lediglich behauptet worden sei, der Beschwerdeführer habe erklärt, der beabsichtigten Bauführung nicht zuzustimmen; ein diesbezüglicher Schriftverkehr sei nicht vorgelegt worden. Die Ansicht der belangten Behörde, dies könne dahingestellt bleiben, weil aus der Tatsache der Berufungserhebung zweifelsfrei hervorgehe, dass eine Zustimmung des Beschwerdeführers nicht vorliege und auch nicht erteilt werde, stelle eine unzutreffende Rechtsauffassung dar und belaste den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Ein derartiger Schriftverkehr existiere nicht. Hätte sich die erstinstanzliche Baubehörde den entsprechenden Schriftverkehr vorlegen lassen, wäre sie zu einem anderen Ergebnis gelangt.
§ 36 Abs. 3 TBO 2011 sieht eine Antragstellung bei der Baubehörde vor, wenn der Bauwerber zuvor den Eigentümer des Nachbargrundstückes schriftlich von den beabsichtigten Bauarbeiten informiert und dieser der Durchführung der Bauarbeiten nicht ausdrücklich zugestimmt hat. Die belangte Behörde beurteilte diese Verpflichtung als Formalerfordernis, das in der Berufung nachgeholt werden könne. Der Beschwerdeführer meint hingegen, es handle sich um eine Voraussetzung, ohne deren Vorliegen die Behörde nicht zur Entscheidung zuständig sei (Hinweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 23. September 1983, B 144/79 und B 252/79).
Im gegenständlichen Verfahren ist nicht erkennbar, inwiefern der Beschwerdeführer durch das allfällige Unterbleiben der Einholung seiner Zustimmung vor Antragstellung in subjektiven Rechten verletzt sein könnte (siehe im Ergebnis auch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes B 144/79 und B 252/79). Er brachte während des Verwaltungsverfahrens und auch in der Beschwerde nicht vor, dass er einer Inanspruchnahme seines Grundstückes zugestimmt hätte. Im Übrigen legte der Rechtsvertreter der mitbeteiligten Parteien mit seiner Gegenschrift zur Beschwerde ein Schreiben an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vom 2. März 2011 (das jedoch gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot gemäß § 41 Abs. 1 VwGG verstößt) vor, in dem er diesen von den geplanten Bauarbeiten am 23. März 2011 informierte und unter Hinweis auf § 34 Abs. 3 TBO 2001 um Duldung der Bauarbeiten und entsprechende Rückäußerung bis 10. März 2011 ersuchte.
Die Beschwerde bringt weiter vor, die Duldungsverpflichtung sei zu unbestimmt, deren Notwendigkeit nicht überprüfbar und es seien keine Ausführungen zu den Mehrkosten getroffen worden, sodass die Interessenabwägung nicht nachvollziehbar sei.
Dem sind die Ausführungen des hochbautechnischen Sachverständigen entgegenzuhalten, wonach das Aufstellen eines Gerüstes auf Fremdgrund jedenfalls erforderlich sei; würden die Verputzarbeiten vom Innenraum aus durchgeführt, wäre dies schwieriger und teurer und es müsste während der Arbeiten der Hofraum gesperrt und ein Schutzgerüst aufgestellt werden; durch das Aufstellen eines Arbeitsgerüstes wären die Verputzarbeiten schneller, leichter, sicherer und billiger zu erledigen. Diesen Ausführungen trat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht auf gleicher Ebene entgegen. Die belangte Behörde konnte somit rechtens davon ausgehen, dass die Verputzarbeiten ohne Aufstellen eines Gerüstes auf dem Grundstück des Beschwerdeführers nicht möglich sind (§ 36 Abs. 2 lit. a erster Satzteil TBO 2011); eine Wahlmöglichkeit zwischen der Inanspruchnahme von Fremdgrund und einer anderen Variante, bei der das Nachbargrundstück nicht benützt werden müsste, bestand demnach nicht. Bei dieser ersten Alternative (wenn die betreffenden Bauarbeiten auf eine andere Weise nicht durchgeführt werden könnten) kommt es - entgegen der Beschwerdeansicht - auf das Kostenverhältnis nicht an.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 36 Abs. 2 lit. b TBO 2011 führte die belangte Behörde aus, bei Vornahme der Verputzarbeiten vom Innenraum aus würde das Schutzgerüst länger stehen bzw. wäre der gesamte Hofraum über längere Zeit zu sperren, was einen intensiveren Eingriff ins Eigentum des Beschwerdeführers bedeuten würde; die Benützung des Grundstückes stehe somit in keinem krassen Missverhältnis zu den damit verbundenen Nachteilen für den Beschwerdeführer. Bereits im erstinstanzlichen Bescheid vom 25. Mai 2011 wurde die Dauer der Inanspruchnahme mit maximal zwei Tagen festgelegt. Auch wenn die Wohnungen auf dem Grundstück des Beschwerdeführers vermietet sind, ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Einschränkung der Nutzung des Hofes für eine derart kurze Zeit in einem krassen Missverhältnis zu den Interessen der mitbeteiligten Parteien stehen soll. Das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerde erweist sich daher als nicht begründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 16. Mai 2013
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