VwGH 2011/04/0161

VwGH2011/04/016112.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Dietmar Endmayr, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Kaiser-Josef-Platz 32, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 18. Juli 2011, Zl. VwSen- 330025/5/Lg/Hue, betreffend Maß- und Eichgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Normen

MEG 1950 §24 Abs3 Z3;
MEG 1950 §26 Abs1;
MEG 1950 §24 Abs3 Z3;
MEG 1950 §26 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (BH) vom 6. Juli 2010 wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe es als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der X GmbH (im Folgenden: GmbH) zu verantworten, dass von der GmbH als Herstellerin näher bezeichneter Fertigpackungen die Bestimmungen der Fertigpackungsverordnung, BGBl. Nr. 867/1993 idF BGBl. II Nr. 115/2009 (FPVO 1993) nicht eingehalten worden seien. So seien "zumindest am 29. 03. 2010" (dem Zeitpunkt einer Fertigpackungskontrolle durch Organe des Eichamtes Klagenfurt) in den Lagerräumen der H KG in W näher bezeichnete Fertigpackungen mit Katzenstreu zum Verkauf vorrätig gehalten und somit in Verkehr gebracht worden. "Entgegen des Handelsbrauches" sei bei diesen Fertigpackungen die Nennfüllmenge in Liter angegeben gewesen. Auf Grund der Bestimmungen des § 11 Abs. 2 FPVO 1993 sei die Angabe der Nennfüllmenge bei festen Produkten in Kilogramm/Gramm erforderlich; ein entgegengesetzter Handelsbrauch sei nicht feststellbar. Daher habe der Beschwerdeführer § 63 Abs. 1 iVm § 26 Abs. 1 Maß- und Eichgesetz, BGBl. Nr. 152/1950 idF BGBl. I Nr. 137/2004 (MEG) iVm § 11 Abs. 2 der FPVO 1993 verletzt, wofür eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 365,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen dieses Straferkenntnis vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gemäß den §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG dem Grunde nach ab, setzte die Ersatzfreiheitsstrafe auf 11 Stunden herab und änderte den Spruch dahingehend, dass die Wortfolge "Entgegen des Handelsbrauches" durch das Wort "Es" ersetzt und das Wort "zumindest" gestrichen wurde.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach § 26 Abs. 1 MEG dürften Fertigpackungen gewerbsmäßig nur in Verkehr gebracht werden, wenn auf ihnen leicht erkennbar und deutlich lesbar die Nennfüllmenge in einer gesetzlichen Maßeinheit oder nach Stückzahl angegeben sei. Was unter "Inverkehrbringen" zu verstehen sei, sei weder der gesetzlichen Grundlage noch der FPVO 1993 zu entnehmen. Deshalb sei hilfsweise das "Allgemeine EG Lebensmittelrecht" heranzuziehen, in dem in der Verordnung EG Nr. 178/2002 (Art. 3 Z. 8) das Inverkehrbringen näher definiert sei.

Gemäß § 12 Abs. 1 FPVO 1993 sei der Hersteller oder der Importeur dafür verantwortlich, wenn falsch deklarierte Fertigpackungen in einem Verkaufsgeschäft zum Verkauf bereitgehalten würden. Der Sinn des Regelungszusammenhangs sei der Konsumentenschutz. Daraus ergebe sich, dass spätestens mit dem "Bereithalten des Produkts" im Einzelhandelsgeschäft das Fertigprodukt mit dem Konsumenten in Kontakt "treffe bzw. treffen könne". Die Wortfolgen "zum Verkauf vorrätig gehalten" und "somit in Verkehr gebracht" entsprächen daher den Erfordernissen einer ausreichenden Tatumschreibung nach § 44a VStG.

Durch die FPVO 1993 werde (neben der Richtlinie 75/106/EWG) die Richtlinie 76/211/EWG umgesetzt, die für Katzenstreu, welche kein flüssiges Erzeugnis sei, anzuwenden sei. Maßgeblich seien hier Art. 4 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie. Da ein abweichender Handelsbrauch nicht feststellbar sei, werde durch die Richtlinie "auf jeden Fall" die Angabe des Nenngewichtes gefordert. So habe die Wirtschaftskammer Österreich in einer Untersuchung aus dem Jahr 2007 mitgeteilt, dass kein abweichender Handelsbrauch zur Gewichtsangabe für dieses Produkt vorliege.

Der Beschwerdeführer habe eine neuerliche Umfrage durch die Wirtschaftskammer Österreich beantragt, um festzustellen, ob nunmehr ein abweichender Handelsbrauch (dass das Nennvolumen der Katzenstreu auf der Packung angegeben sei) vorliege, da die Umfrage aus 2007 nicht mehr aktuell sei. Dazu sei festzuhalten, dass nicht feststellbar sei, ob zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der FPVO 1993 ein Handelsbrauch bestanden habe. Wenn man - zugunsten des Beschwerdeführers - (hypothetisch) annehme, dass ein solcher Handelsbrauch im Jahre 1993 bestanden hätte, hätte dieser spätestens im Jahr 2007 geendet, wie die Wirtschaftskammer - unbestritten - in ihrer Umfrage aus dem Jahr 2007 festgestellt habe. Zu einem späteren Zeitpunkt hätte ein solcher Handelsbrauch contra legem nicht mehr entstehen können und dürfen, weshalb eine neuerliche Umfrage der Wirtschaftskammer entbehrlich gewesen sei.

Im Übrigen setzt sich das Straferkenntnis mit der Bemessung der Strafhöhe auseinander.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die weitere Partei erstattete eine schriftliche Äußerung gemäß § 36 Abs. 8 VwGG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Rechtslage:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des MEG lauten:

"2. Fertigpackungen

§ 24.

(3) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist …

3. In-Verkehr-Bringen das Anbieten, Importieren, Vorrätighalten zum Verkauf oder zur sonstigen Abgabe.

§ 26. (1) Fertigpackungen dürfen gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn auf ihnen leicht erkennbar und deutlich lesbar die Nennfüllmenge in einer gesetzlichen Maßeinheit oder nach Stückzahl angegeben ist.

§ 27. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend kann unter Bedachtnahme auf den Stand der Wissenschaft und Technik, völkerrechtliche Verpflichtungen der Republik Österreich, vergleichbare Vorschriften des Auslandes sowie Richtlinien internationaler Organisationen und Staatengemeinschaften folgende Anforderungen durch Verordnung festlegen:

6. daß Nennfüllmengen von Fertigpackungen mit bestimmten Erzeugnissen nur in bestimmten Maßeinheiten oder Größen anzugeben sind,

§ 63. (1) Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen, Entscheidungen oder Verfügungen werden, sofern sie nicht nach anderen Vorschriften mit einer strengeren Strafe bedroht sind oder ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu 10 900 EUR bestraft, auch wenn es beim Versuch geblieben ist.

…"

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der FPVO 1993

lauten:

"Zweiter Abschnitt

Fertigpackungen

§ 7. (1) Die Bestimmungen dieses Abschnittes gelten für Fertigpackungen, in denen Erzeugnisse in konstanten, einheitlichen Nennfüllmengen in den Verkehr gebracht werden sollen, die

§ 11.

(2) Andere als die im Anhang 3 genannten Erzeugnisse" (dort sind näher bezeichnete alkoholische Getränke angeführt) "müssen, soweit nicht entgegen gesetzte Handelsbräuche bestehen, bei flüssigem Inhalt die Angabe des Nennvolumens und bei anderem Inhalt die Angabe ihres Nenngewichtes auf der Fertigpackung tragen.

§ 12. (1) Der Hersteller oder der Importeur ist dafür verantwortlich, daß die Fertigpackungen den Vorschriften dieser Verordnung entsprechen. …"

2. Zum In-Verkehr-Bringen:

In der vorliegenden Beschwerde wird zunächst vorgebracht, was unter "In Verkehr bringen" zu verstehen sei, sei weder der gesetzlichen Grundlage noch der FPVO 1993 zu entnehmen. Die belangte Behörde habe gegen das im Verwaltungsstrafrecht geltende Analogieverbot verstoßen, indem sie zur Definition des Begriffes des "In-Verkehr-Bringens" "hilfsweise" eine vergleichbare Bestimmung heranziehe. Im angefochtenen Bescheid sei festgestellt worden, dass die beanstandeten Fertigpackungen in den Lagerräumlichkeiten der Firma H KG vorgefunden worden seien. Da nicht festgestellt worden sei, dass Konsumenten die Möglichkeit gehabt hätten, die Fertigpackungen in den Lagerräumlichkeiten zu erwerben, fehle der Tatbestand des "zum Verkauf vorrätig Haltens" und des "In-Verkehr-Bringens".

Zu diesem Vorbringen ist auf das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 2013, Zl. 2011/04/0160, hinzuweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass § 24 Abs. 3 Z. 3 MEG eine Legaldefinition des Begriffes des "Inverkehrbringens" enthält, wonach darunter "das Anbieten, Importieren, Vorrätighalten zum Verkauf oder zur sonstigen Abgabe" zu verstehen ist. Ein Kontakt mit Kunden oder Verbrauchern ist dagegen nicht Voraussetzung für das Inverkehrbringen nach dem MEG.

Dieser Legaldefinition in § 24 Abs. 3 Z. 3 MEG entspricht der angefochtene Bescheid, in dem festgestellt wurde, dass die strittigen Fertigpackungen in den Lagerräumlichkeiten der H KG zum Verkauf vorrätig gehalten und damit in Verkehr gebracht wurden. Dass sich die belangte Behörde in der Begründung nicht auf diese Legaldefinition stützte, schadet nicht.

3. Zum Beweisantrag des Beschwerdeführers:

Als Verfahrensmangel macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und hätte dem Beweisantrag des Beschwerdeführers zum Beweis dafür, dass tatsächlich ein Handelsbrauch vorliege, Folge geben müssen. Hätte die belangte Behörde ein entsprechendes Gutachten der Wirtschaftskammer eingeholt, so wäre bei Feststellung eines Handelsbrauchs das Strafverfahren einzustellen gewesen. Dass ein Handelsbrauch nach dem Jahr 1993 nicht mehr entstehen habe können und dürfen, sei eine Scheinbegründung der belangten Behörde.

Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass gemäß § 11 Abs. 2 FPVO 1993 bei den hier strittigen Fertigpackungen für die Verpflichtung zur Angabe des Nenngewichtes entscheidend ist, ob "entgegen gesetzte Handelsbräuche bestehen".

Die belangte Behörde stützt sich in diesem Zusammenhang auf eine Untersuchung der Wirtschaftskammer Österreich aus 2007, worin letztere unter Durchführung eines österreichweiten Umfrageverfahrens in den einschlägigen Verkehrskreisen ermittelte, dass ein Handelsbrauch betreffend die Kennzeichnung von Katzenstreu nach Litern an Stelle von Kilogramm nicht feststellbar sei.

Der Beschwerdeführer stellte im Verfahren vor der belangten Behörde den Beweisantrag auf "Einholung eines Gutachtens/Stellungnahme der Wirtschaftskammer Österreich betreffend die Frage, ob ein Handelsbrauch dahingehend vorliegt, dass die in den Verkehr gebrachten bzw. in Zukunft zu bringenden Verpackungen, beinhaltend Katzenstreu auf der Verpackung die Angabe des Nennvolumens und/oder die Angabe eines Nenngewichtes tragen" bzw. "zur Klärung der Frage, ob Handelsbrauch vorliegt".

Diesem Beweisantrag kam die belangte Behörde mit der Begründung nicht nach, ein (allenfalls bestehender) Handelsbrauch habe spätestens im Jahr 2007 geendet und zu einem späteren Zeitpunkt contra legem nicht mehr entstehen können.

Auch die weitere Partei äußerte sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof dahingehend, mit der Umsetzung der RL 76/211/EWG und RL 75/106/EWG durch die FPVO 1993 sei sichergestellt worden, dass die damals geltenden Handelsbräuche weiterhin in Geltung bleiben könnten. Habe zu diesem Zeitpunkt jedoch kein entsprechender Handelsbrauch bestanden, so könne sich ein solcher auch in den Folgejahren nicht entwickeln.

Es kann dahin stehen, ob diese (auf eine Auslegung des Art. 4 der RL 76/211/EWG gestützte) Auffassung der belangten Behörde zu Recht besteht:

Der vorliegende Beweisantrag wird lediglich zur Klärung der Frage gestellt, ob ein entgegen gesetzter Handelsbrauch besteht bzw. seit 2007 neu entstanden ist. In dem nicht weiter begründeten Beweisantrag wird vom Beschwerdeführer nicht konkret behauptet, dass und warum ein Handelsbrauch seit 2007 neu entstanden sein könnte.

Damit handelt es sich aber um einen Beweis, der nicht eine konkrete Behauptung, sondern lediglich eine unbestimmte Vermutung zum Gegenstand hat. Die belangte Behörde war nicht gehalten, einen derartigen (unzulässigen) Erkundungsbeweis vorzunehmen (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz. 16 zu § 46 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

4. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am12. Juni 2013

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