Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Moldau, beantragte am 10. April 2000 Asyl.
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 6. Dezember 2002 wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, gewährte dem Beschwerdeführer jedoch gemäß § 8 AsylG Refoulementschutz und erteilte ihm gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Schreiben vom 21. November 2003 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung, über den in weiterer Folge nicht entschieden wurde. Mit Antrag vom 18. Februar 2005 - beim Bundesasylamt eingelangt am 9. März 2005 - begehrte der Beschwerdeführer neuerlich die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2005 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag.
In Erledigung des Ansuchens des Beschwerdeführers um Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung erklärte schließlich das Bundesasylamt mit Bescheid vom 15. Mai 2006 das Refoulement des Beschwerdeführers in die Republik Moldau gemäß § 8 Abs. 4 AsylG (in der Fassung der Novelle 2003) für zulässig, widerrief gemäß § 15 Abs. 2 AsylG die befristete Aufenthaltsberechtigung und wies den Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 4 AsylG in die Republik Moldau aus.
Infolge der dagegen eingebrachten Berufung erkannte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab und entzog ihm (gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005) die befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt I.); gleichzeitig wies sie ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 AsylG 2005 nach Moldau aus (Spruchpunkt II.). Außerdem wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 13. Mai 2005 gemäß § 73 Abs. 2 AVG als unzulässig zurück (Spruchpunkt III.), wobei sie dazu begründend ausführte, dass sich dieser Antrag "unmissverständlich" auf den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung "vom 9. März 2005" beziehe, weshalb es an der Zulässigkeitsvoraussetzung des Ablaufs der dem Bundesasylamt eingeräumten sechsmonatigen Entscheidungsfrist mangle.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
1. Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass die belangte Behörde bei der Zurückweisung des Devolutionsantrages verkennt, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung (erstmalig) am 21. November 2003 gestellt und bereits dieser Antrag - mit seinem Einlangen am 26. November 2003 - die sechsmonatige Entscheidungsfrist des Bundesasylamtes ausgelöst hat. Werden nämlich in einem anhängigen Verfahren weitere Anträge gestellt, lösen diese keine gesonderte Entscheidungspflicht aus, es sei denn, die Partei hat den ursprünglichen Antrag in einem wesentlichen Punkt modifiziert; diesfalls wäre davon auszugehen, dass unter konkludenter Zurückziehung des bisherigen Antrages ein neuer Antrag eingebracht wurde, wodurch die Entscheidungspflicht neu zu laufen beginnt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz. 13 zu § 73, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall verfolgte der Beschwerdeführer mit seinem (weiteren) Antrag vom 18. Februar 2005 erkennbar den Zweck, die - noch offene - Entscheidung über die bereits am 21. November 2003 beantragte Verlängerung der mit Bescheid vom 6. Dezember 2002 befristet erteilten Aufenthaltsberechtigung zu bewirken; eine wesentliche Modifikation dieses ursprünglichen Antrages erfolgte dadurch insofern nicht.
Fristauslösend für die Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes war daher das Einlangen des ersten Antrages des Beschwerdeführers am 26. November 2003, sodass - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - der gegenständliche Devolutionsantrag nach Ablauf der Sechsmonatsfrist eingebracht wurde und deshalb zulässig war.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht dann, wenn die Voraussetzungen für einen Devolutionsantrag vorliegen, also der Bescheid nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erlassen worden ist, mit dem Einlangen des Antrages bei der Oberbehörde die Zuständigkeit zur Entscheidung über den zugrunde liegenden Antrag auf diese Behörde über; ein nach diesem Zeitpunkt durch die Unterbehörde erlassener Bescheid ist infolge Unzuständigkeit dieser Behörde, unabhängig davon, ob sie tatsächlich schuldhaft säumig im Sinne des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG war, rechtswidrig, es sei denn, der Devolutionsantrag wäre nach dieser Gesetzesstelle bereits vor der Bescheiderlassung rechtskräftig abgewiesen worden (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2011, Zl. 2009/07/0098, mwN; vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 2000, B 761/97 = VfSlg. 15.873).
3. Im vorliegenden Fall ging daher mit dem Einlangen des Devolutionsantrages (am 17. Mai 2005) die Entscheidungsbefugnis über den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung gemäß § 73 Abs. 2 AVG (iVm § 33 AsylG) auf die belangte Behörde über. Das Bundesasylamt war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zuständig, über den Antrag abzusprechen. Der - dem Beschwerdeführer am 22. Mai 2006 durch Hinterlegung zugestellte - Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Mai 2006 erweist sich daher als rechtswidrig. Dieser Bescheid wurde durch den Beschwerdeführer in Berufung gezogen.
4. Macht nun eine Partei den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich zuständige Oberbehörde geltend und erlässt anschließend die Unterbehörde unzuständiger Weise den von ihr versäumten Bescheid und wird dieser Bescheid durch ein Rechtsmittel angefochten, so erwächst der Oberbehörde vorerst die Pflicht zur Entscheidung über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung. Einer Erledigung des Devolutionsantrages steht der von der Unterbehörde erlassene, mit Berufung bekämpfte Bescheid (hier: der Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Mai 2006) hindernd entgegen. Auf Grund der Berufung wäre der unterinstanzliche Bescheid wegen Unzuständigkeit aufzuheben (vgl. zu all dem das erwähnte hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2011, mwN).
5. Demnach wäre die belangte Behörde im vorliegenden Fall verpflichtet gewesen, zunächst in Erledigung der Berufung den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Mai 2006 ersatzlos aufzuheben und sodann gemäß § 73 Abs. 2 AVG über den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung zu entscheiden.
6. Nach dem Gesagten erweist sich der angefochtene Bescheid damit sowohl hinsichtlich der in seinem Spruchpunkt III. ausgesprochenen Zurückweisung des Devolutionsantrages vom 13. Mai 2005 als auch in Bezug auf die in den Spruchpunkten I. und II. getroffene (meritorische) Entscheidung über die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Mai 2006 eingebrachte Berufung als inhaltlich rechtswidrig, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
7. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 17. Mai 2011
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