Normen
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
VwGG §34 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger zu ersetzen.
Begründung
Der im September 1983 geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina. Er gelangte 1992 mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder nach Österreich, wo ihm spätestens ab 1999 Aufenthaltstitel erteilt wurden. 2006 wurde ihm ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" ausgestellt.
Der Beschwerdeführer wurde insgesamt fünfmal strafgerichtlich verurteilt, und zwar zunächst - in den Jahren 2002 und 2003 - wegen §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB (schwere Körperverletzung) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen, wegen § 91 Abs. 2 StGB (Raufhandel) mit Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe und wegen § 83 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) - unter gleichzeitiger Straffestsetzung zum vorangegangenen Schuldspruch - zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat.
Eine weitere Verurteilung erfolgte im Oktober 2006, und zwar wegen § 27 Abs. 1 SMG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen.
Mit Urteil vom 30. März 2009 wurde der Beschwerdeführer schließlich des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Diesem Schuldspruch liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum Mai 2007 bis 29. September 2008 rund 520 Gramm Heroin an verschiedene Personen gewinnbringend verkaufte und dass er im Zeitraum Mai 2007 bis 29. September 2008 nicht näher bekannte Mengen Marihuana und Heroin von unbekannten Personen kaufte und in der Folge konsumierte.
Am 10. Juni 2009 wurde dem Beschwerdeführer, der zu diesem Zeitpunkt unter Anrechnung der Vorhaft knapp acht Monate der zuletzt verhängten Haft verbüßt hatte, gemäß § 39 Abs. 1 SMG ein Strafaufschub gewährt. Er unterzog sich in der Folge einer stationären Therapie in einer Einrichtung für Suchtkranke, die nach dem Abschlussbericht erfolgreich verlief. Im Hinblick darauf wurde dem Beschwerdeführer mit Beschluss des Strafgerichtes vom 7. Juni 2010 die mit Urteil vom 30. März 2009 verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 40 Abs. 1 SMG unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Mittlerweile war gegen den Beschwerdeführer angesichts seiner Straftaten und der dargestellten strafgerichtlichen Verurteilungen im Februar 2010 gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 sowie § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 28. September 2010 gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark der dagegen erhobenen Berufung keine Folge.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der bekämpfte Bescheid auf Basis der bei seiner Erlassung geltenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen ist. Soweit im Folgenden von Bestimmungen des FPG die Rede ist, wird daher auf die im September 2010 gültige Fassung Bezug genommen.
Nach § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Der eben wiedergegebene Aufenthaltsverbotstatbestand ist im gegenständlichen Fall ausgehend von den vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen in zweifacher Weise erfüllt. Davon ausgehend und unter Bedachtnahme auf die der letztgenannten Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten kam die belangte Behörde sodann zur Ansicht, es sei die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Daran ändere auch die erfolgreich abgeschlossene Suchtgifttherapie nichts, weil der seither verstrichene Zeitraum noch viel zu kurz sei, um eine maßgebliche Verminderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährlichkeit annehmen zu können. Die positiv abgeschlossene Therapie könne (nur) "als erster Schritt zu einem gesetzesgetreuen Verhalten gewertet" werden.
Dieser Beurteilung kann im Ergebnis, anders als der Beschwerdeführer meint, nicht entgegengetreten werden. Einerseits hat der Beschwerdeführer das Verbrechen des Suchtgifthandels - zumal in Bezug auf Heroin - nämlich für einen Tatzeitraum von 17 Monaten zu verantworten, andererseits lag die Beendigung dieses strafbaren Verhaltens bei Bescheiderlassung erst rund zwei Jahre zurück. Was aber die erfolgreich absolvierte Therapie anlangt, die dann zu einem Vorgehen des Strafgerichtes nach § 40 SMG führte, so trifft es zu, dass ihr für die Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig nur dann entscheidende Bedeutung zukommt, wenn auch eine entsprechend längere Zeit des Wohlverhaltens vorliegt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 2008, Zl. 2008/22/0573). Davon kann hier im Hinblick auf die Haftentlassung Juni 2009 und die Bestätigung eines erfolgreichen Therapieabschlusses im Jahr 2010 noch nicht die Rede sein. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Therapie erst unter dem Druck des gerichtlichen Strafverfahrens zustande kam. Außerdem hat der Beschwerdeführer nicht nur Verstöße gegen das SMG, sondern auch - damit nicht im Zusammenhang stehende - Körperverletzungsdelikte zu verantworten. Wenngleich es richtig ist, dass diese Delikte bereits länger zurückliegen, so zeigen sie doch auf, dass dem Beschwerdeführer strafbares Verhalten auch außerhalb der Suchtgiftproblematik nicht fremd war. Dass beim Beschwerdeführer, wie behauptet, die Wiederholungsgefahr gebannt sei, wird er daher durch längeres Wohlverhalten nach seiner Haftentlassung unter Beweis zu stellen haben. Der bis zur Bescheiderlassung verstrichene Zeitraum von rund zwei Jahren (seit Deliktsbeendigung) bzw. von knapp 16 Monaten (seit Haftentlassung) ist hingegen noch zu kurz, um vom Wegfall der aus einem weiteren Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich resultierenden Gefährlichkeit ausgehen zu können. Das gilt auch vor dem Hintergrund dessen, dass im vorliegenden Fall in Anbetracht der niederlassungsrechtlichen Stellung des Beschwerdeführers richtig auf den Maßstab des § 56 Abs. 1 FPG abzustellen gewesen wäre (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2008/21/0603). Denn es sind gegenständlich angesichts der Verurteilungen des Beschwerdeführers nicht nur beide Tatbestände des § 56 Abs. 2 FPG erfüllt, weshalb die in § 56 Abs. 1 FPG umschriebene Gefährdung in besonderem Maß indiziert scheint, sondern es ist vor allem auf die besondere Gefährlichkeit hinzuweisen, die aus dem relativ rezenten Suchtgifthandel mit Heroin - über einen längeren Zeitraum hinweg - abzuleiten ist. Dass die belangte Behörde nicht auf § 56 FPG Bezug genommen hat, verletzt den Beschwerdeführer daher nicht in Rechten.
Unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Interessenabwägung nach § 66 FPG macht der Beschwerdeführer geltend, dass er sich seit mehr als 18 Jahren rechtmäßig und durchgehend in Österreich aufhalte und hier ein ausgeprägtes soziales Netz aufgebaut habe; er habe hier die Schule besucht und seinen gesamten Freundes- und Bekanntenkreis in Graz. Auch seine Mutter und sein Bruder, zu welchen er eine besonders enge Bindung habe, seien seit 1992 in Österreich wohnhaft. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer seit Abschluss seiner Therapie zur Suchtmittelentwöhnung wieder mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt lebe und wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert sei, weshalb ihm Selbsterhaltungsfähigkeit zugebilligt werden müsse.
Der Beschwerdeführer räumt in der Folge selbst ein, dass sich die belangte Behörde "auch mit diesem Familien- und Privatleben … und den diesbezüglichen Folgen durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes" auseinander gesetzt habe. Er stellt auch nicht in Abrede, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Suchtmittelkriminalität besteht und dass "bei schon begangenen derartigen Delikten ein massiver Eingriff in die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit anzunehmen ist". Angesichts der erfolgreich absolvierten Drogentherapie - so der Beschwerdeführer im Ergebnis - müsse die Abwägung aber dessen ungeachtet zu seinen Gunsten ausgehen.
Dem kann nicht beigepflichtet werden, wobei auf die obigen Ausführungen zur weiter anzunehmenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers hinzuweisen ist. Vor diesem Hintergrund ist die belangte Behörde im Recht, wenn sie dem Interesse des Beschwerdeführers kein höheres Gewicht zugemessen hat als den gegenläufigen öffentlichen Interessen an seiner Aufenthaltsbeendigung. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde Feststellungen zur Situation in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers in Bosnien und Herzegowina getroffen hat. Diesen Feststellungen, denen der Beschwerdeführer nicht entgegentritt, ist zu entnehmen, dass ein Fußfassen in Bosnien und Herzegowina nicht unmöglich ist. Schwierigkeiten mit der Wiedereingliederung in seinem Herkunftsstaat muss der Beschwerdeführer aber im öffentlichen Interesse an der Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen, insbesondere im Bereich der Suchtgiftkriminalität, in Kauf nehmen.
Abschließend wendet sich der Beschwerdeführer auch noch gegen die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes. Dabei bringt er aber wieder nur die erfolgreiche Suchtgifttherapie ins Spiel. Dass daraus allein noch nichts Entscheidendes gewonnen ist, wurde schon oben ausgeführt und gilt auch im vorliegenden Zusammenhang. Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die Auffassung der belangten Behörde, dass bei Bescheiderlassung noch nicht abgesehen werden konnte, wann der Grund für die Verhängung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes weggefallen sein werde. Davon ausgehend entspricht seine Erlassung auf unbestimmte Zeit dem Gesetz (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2008, Zl. 2006/18/0467). Mit der erstinstanzlichen Behörde ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer nach einer längeren Zeit des Wohlverhaltens die Möglichkeit eines Aufhebungsantrages offensteht.
Nach dem Gesagten erweist sich die vorliegende Beschwerde insgesamt als unbegründet. Sie war demzufolge gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 2. Oktober 2012
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