VwGH 2008/22/0573

VwGH2008/22/057317.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 11. April 2006, Zl. Fr-4250a-207/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2008:2008220573.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von "Serbien und Montenegro", gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 in Verbindung mit den §§ 63 Abs. 1, 66 Abs. 1 und 2, 86 und 87 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vom 6. Juli 2004 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 zweiter und dritter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), teilweise in Form der Bestimmungstäterschaft nach § 12 zweiter Fall StGB, des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall SMG und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer im März 2003 ca. 50 g Kokain, im Zeitraum März 2003 bis August 2003 ca. 150 g Kokain, im Zeitraum März 2003 bis Herbst 2003 ca. 200 bis 250 g Kokain sowie 30 bis 60 g Kokain, im Zeitraum 2002 bis Herbst 2003 insgesamt ca. 200 bis 250 g Kokain, im Zeitraum Frühjahr 2003 bis Frühjahr 2004 insgesamt ca. 60 g Kokain, im Zeitraum Frühjahr 2002 bis Frühjahr 2004 insgesamt ca. 70 bis 80 g Kokain und im Zeitraum Anfang 2002 bis Frühjahr 2004 ca. 1.000 g Marihuana, somit Suchtgift in einer achtfach großen Menge aus- und eingeführt sowie Suchtgift in einer fünfzehnfach großen Menge in Verkehr gesetzt habe, jeweils an namentlich genannte Personen. Weiters habe er im Zeitraum Mai 2002 bis April 2004 unerhobene Mengen Kokain konsumiert.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde aus diesem Sachverhalt, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei. Da der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Ehefrau verheiratet sei, handle es sich bei ihm um einen Familienangehörigen eines "nicht freizügigkeitsberechtigten Österreichers" im Sinn des § 87 FPG. Gemäß § 86 leg. cit. dürfe ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn durch das persönliche Verhalten auch tatsächlich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei und es dürften die Tatbestände des § 60 Abs. 2 FPG als Orientierungsmaßstab herangezogen werden. Durch das Inverkehrsetzen der fünfzehnfachen Grenzmenge über einen langen Tatzeitraum habe der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maße gefährdet. Zudem sei bei Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß von einer hohen Rückfallsquote auszugehen.

In der Folge listete die belangte Behörde rechtskräftige Verwaltungsstrafen des Beschwerdeführers aus den Jahren 2000, 2001 und 2003 nach § 108 Abs. 1 Z 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, § 107 Abs. 1 Z 4 FrG und § 52 lit. a Z 10a StVO auf.

Von der Möglichkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde - so die weitere Bescheidbegründung - Gebrauch gemacht, weil der Beschwerdeführer schwer gegen die öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Gesundheit anderer verstoßen habe. Zudem sei gegen den Beschwerdeführer bereits am 5. Februar 1998 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von vier Jahren erlassen worden; die gegen den das Aufenthaltsverbot bestätigenden Berufungsbescheid erhobene Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof als unbegründet abgewiesen worden (Erkenntnis vom 24. April 2001, 98/18/0154). Diesem Aufenthaltsverbot sei eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung und eine Bestrafung nach § 5 Abs. 1 StVO zu Grunde gelegen. Nach Ablauf des Aufenthaltsverbotes sei der Beschwerdeführer nach seiner neuerlichen Einreise im Jahr 2002 gleich wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter zu dessen persönlichen Verhältnissen - sei erstmals im Jahr 1991 nach Österreich gezogen und er habe am 16. November 1999 (laut Beschwerde: 1991) eine Staatsangehörige aus dem damaligen Jugoslawien geheiratet. Aus dieser Ehe entstammten die 1994 und 1996 geborenen Kinder. Im Jahr 2002 hätten die Ehefrau und die Kinder die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen. Der Beschwerdeführer habe als Angehöriger einer Österreicherin am 30. September 2002 einen Aufenthaltstitel erhalten.

Mit dem Aufenthaltsverbot werde somit in einem bedeutenden Maß in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. An der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität bestehe jedoch ein schwer wiegendes öffentliches Interesse. Das Aufenthaltsverbot sei nicht nur wegen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, sondern auch im Interesse der Gesundheit anderer sowie zur Verhinderung strafbarer Handlungen dringend geboten. Im Blick auf die besondere Gefährlichkeit von Suchtgiftdelikten wäre die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes selbst bei völliger sozialer Integration nicht rechtswidrig. Unter Berücksichtigung aller Umstände dränge das in hohem Maß bestehende öffentliche Interesse an der Untersagung eines weiteren Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen private und familiäre Interessen in den Hintergrund.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer meint, dass er als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen sei und über seine Berufung der unabhängige Verwaltungssenat zu entscheiden gehabt hätte und er diesbezüglich auf die Aufhebung des Aufenthaltsverbotsbescheides im ersten Rechtsgang (mit hg. Erkenntnis vom 17. November 2005, 2005/21/0221) verweist, ist ihm eingangs zu erwidern, dass im Blick auf die am 1. Jänner 2006 in Kraft getretene Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 FPG die belangte Behörde zu Recht ihre Zuständigkeit als Berufungsbehörde in Anspruch genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, 2006/21/0342, mit weiteren Nachweisen).

Der Beschwerdeführer ist Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Gemäß § 87 zweiter Satz FPG gelten für diese Personengruppe die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG. Diese Bestimmungen sind auch dann auf Angehörige von Österreichern anzuwenden, wenn letztere ihr (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen haben. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. zum Ganzen das bereits zitierte Erkenntnis 2006/21/0342).

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass im Blick auf die festgestellte Suchtmitteldelinquenz des Beschwerdeführers die Annahme nach § 86 Abs. 1 FPG getroffen werden durfte. Soweit der Beschwerdeführer auf den ihm gewährten Strafaufschub für eine Drogentherapie und den erfolgreichen Abschluss einer Therapie am 3. Jänner 2005 verweist, wird damit die Gefährlichkeitsprognose nicht als unrichtig dargetan, wäre doch dazu neben der erfolgreichen Suchtmitteltherapie auch eine entsprechend längere Zeit des Wohlverhaltens erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2006, 2003/21/0058).

Die Beschwerde vermag aber auch nicht die behördliche Beurteilung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG als unrichtig aufzuzeigen.

Gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot, würde dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, zulässig, wenn diese Maßnahme zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) genannten Ziele dringend geboten ist. Ein Aufenthaltsverbot darf gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

Der Beschwerdeführer vermag zwar durch seinen inländischen Aufenthalt seit dem Jahr 1991 oder - laut Beschwerde - 1990 und durch das Familienleben mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern auf ein beträchtliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verweisen. Dem steht jedoch gegenüber, dass das öffentliche Interesse an der Unterbindung der Suchtmittelkriminalität äußerst gravierend ist und der Beschwerdeführer nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bereits im Jahr 1998 und nach seiner Wiedereinreise im Jahr 2002 noch im selben Jahr begonnen hat, Suchtmitteldelikte zu setzen. Unter Berücksichtigung dieses Verhaltens ist das öffentliche Interesse an der Erlassung eines neuerlichen Aufenthaltsverbotes so schwer wiegend anzusetzen, dass selbst das beträchtliche gegenläufige Interesse des Beschwerdeführers nicht zu einer Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes führen kann. Die Konsequenzen daraus, dass nach dem Beschwerdevorbringen sämtliche Verbindungen des Beschwerdeführers "nach Serbien gekappt" seien und sich sein gesamter Verwandten- und Bekanntenkreis in Österreich befinde, hat der Beschwerdeführer im dargelegten öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Eine Kostenentscheidung hatte mangels Verzeichnung von Kosten durch die belangte Behörde zu unterbleiben.

Wien, am 17. September 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte