VwGH 2010/21/0109

VwGH2010/21/010929.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Rolf Schuhmeister, Dr. Walter Schuhmeister und Mag. Franz Haydn, Rechtsanwälte in 2320 Schwechat, Bruck-Hainburger Straße 7, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 15. Februar 2010, Zl. WUS3-F-091182, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z3;
NAG 2005 §11 Abs1 Z5;
NAG 2005 §11 Abs1 Z6;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2 Z5;
NAG 2005 §11 Abs2 Z6;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44 Abs4;
VwRallg;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z3;
NAG 2005 §11 Abs1 Z5;
NAG 2005 §11 Abs1 Z6;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2 Z5;
NAG 2005 §11 Abs2 Z6;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführers auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 19. Februar 2001 einen Asylantrag eingebracht. Dieser sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. April 2001 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen worden. Gleichzeitig sei gemäß § 8 AsylG seine (u.a.) Abschiebung in den Kosovo für zulässig erklärt worden. Eine Ausweisungsentscheidung habe das Bundesasylamt nicht getroffen. Der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes eingebrachten Berufung sei vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Juni 2009 keine Folge gegeben worden. Bis zur rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages habe sich der Beschwerdeführer rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Seit 23. Juni 2009 sei sein Aufenthalt unrechtmäßig. Infolgedessen sei gegen ihn von der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung mit Bescheid vom 4. Jänner 2010 eine Ausweisung erlassen worden. Über die dagegen erhobene Berufung sei noch nicht entschieden worden.

Der hier gegenständliche Antrag sei am 27. Juli 2009 eingebracht worden. Im Verfahren seien keine Nachweise der notwendigen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes, zum Bestehen einer in Österreich leistungspflichtigen, alle Risken abdeckenden Krankenversicherung, sowie eines Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft vorgelegt worden.

Der Beschwerdeführer habe in seiner im Verwaltungsverfahren abgegebenen Stellungnahme ausgeführt, bei seiner Schwester und deren Familie zu leben und keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sein Lebensunterhalt werde derzeit durch seinen Schwager und seiner Schwester bestritten.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach kein derart hohes Ausmaß an Integration des Beschwerdeführers vorliege, sodass von einem besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinne des § 44 Abs. 4 NAG hätte gesprochen werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

§ 11 Abs. 2 Z 2, 3 und 4 sowie Abs. 3 und § 44 Abs. 3 und 4 NAG (jeweils mit Überschrift) lauten:

"4. Hauptstück

Allgemeine Voraussetzungen

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. ...

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

...

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

...

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  3. 4. der Grad der Integration;
  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

    ...

    Niederlassungsbewilligung - beschränkt

§ 44. ...

(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" zu erteilen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und 5 einschließlich fremdenpolizeilicher Maßnahmen hat die Behörde unverzüglich eine begründete Stellungnahme der der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordneten Sicherheitsdirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß § 74 und § 73 AVG gehemmt. Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

..."

Erkennbar hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid tragend auf das Fehlen der in § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG enthaltenen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abgestellt, wovon auch der Beschwerdeführer ausgeht.

In der Beschwerde wird das Fehlen dieser Voraussetzungen nicht bestritten, jedoch dazu vorgebracht, das Heranziehen dieser Gründe sei "unschlüssig und unzulässig", weil es dem Beschwerdeführer "rechtlich nicht möglich gewesen" sei, zu arbeiten. Er "hätte sehr gern zu arbeiten begonnen, was ihm jedoch auf Grund des Ortes der Unterbringung nicht möglich" gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint, wobei insoweit auch die Verpflichtung besteht, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mitteln nachzuweisen, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. aus jüngerer Zeit das - ebenfalls eine Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG betreffende - hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zlen. 2010/21/0088 bis 0091, mwN).

Dieser Pflicht ist der Beschwerdeführer unbestritten ebenso wenig nachgekommen wie seiner Pflicht zum Nachweis des Bestehens einer alle Risken abdeckenden (und in Österreich leistungspflichtigen) Krankenversicherung sowie eines Rechtsanspruches auf eine ortsübliche Unterkunft. Dass er während seines bisherigen Aufenthalts zwar gerne zu arbeiten begonnen hätte, ihm dies jedoch auf Grund des Orts der Unterbringung (gemeint offenbar: während des Asylverfahrens im Rahmen der Grundversorgung) nicht möglich gewesen sei, vermag daran nichts zu ändern, weil es darauf nicht ankommt. Der Beschwerdeführer hätte nämlich vorbringen und nachweisen müssen, dass im Fall der Erteilung des von ihm begehrten Aufenthaltstitels hinreichend konkrete Aussicht bestünde, einer näher konkretisierten Erwerbstätigkeit, überdies in erlaubter Weise, nachgehen zu können, und damit das nach § 11 Abs. 5 NAG notwendige Ausmaß an Einkommen zu erwirtschaften (vgl. dazu ebenfalls das bereits erwähnte Erkenntnis, Zlen. 2010/21/0088 bis 0091). Die bloße Absichtserklärung des Beschwerdeführers, im Fall der Erteilung des Aufenthaltstitels binnen kürzester Zeit eine Arbeitsstelle finden zu können, infolge dessen auch über eine Krankenversicherung zu verfügen und dann auch für eine geeignete Wohnung Sorge tragen zu können, wird diesen Anforderungen in keiner Weise gerecht. Auch wird in der Beschwerde nicht vorgebracht, dass eine Patenschaftserklärung vorläge, um so den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG zu erbringen.

Da sohin der Antragsbewilligung schon das Fehlen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 NAG entgegenstand, kommt es auf eine Beurteilung des Ausmaßes der Integration des Beschwerdeführers nicht an (vgl. abermals das zitierte Erkenntnis vom 25. März 2010). Auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen war daher nicht weiter einzugehen.

Soweit der Beschwerdeführer aber auch noch vorbringt, er hätte nach Art. 8 EMRK einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, so ist er darauf hinzuweisen, dass für derartige Fälle die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG nicht vorgesehen ist. § 44 Abs. 4 NAG ermöglicht die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" für besonders berücksichtigungswürdige "Altfälle", wofür solche Fremde in Betracht kommen, die sich zumindest seit 1. Mai 2004 durchgängig in Österreich aufhalten. § 44 Abs. 4 NAG soll im Rahmen dieser "Altfälle" erkennbar vor allem jene Konstellationen erfassen, in denen die Schwelle des Art. 8 EMRK, sodass gemäß den Kriterien des § 11 Abs. 3 NAG ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, noch nicht erreicht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2010, Zl. 2009/21/0270, mwN). Insofern soll, obwohl die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 3 NAG aus dem Grunde des Art. 8 EMRK gerade nicht geboten ist, die Erteilung eines solchen unter den in § 44 Abs. 4 NAG genannten Voraussetzungen dennoch möglich sein.

Demgegenüber ist gemäß § 44 Abs. 3 NAG im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" zu erteilen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Aus dem Zusammenspiel der Bestimmungen des § 44 Abs. 3 und Abs. 4 NAG ergibt sich aber nun nach dem Vorgesagten, dass es in Fällen des § 44 Abs. 4 NAG (anders als in Fällen des § 44 Abs. 3 NAG) nicht vorgesehen ist, eine Interessenabwägung im Sinn des § 11 Abs. 3 NAG durchzuführen und auf diese Weise vom Vorliegen der in § 11 Abs. 3 NAG genannten allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (nämlich jenen des § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 bzw. Abs. 2 Z 1 bis 6 NAG) abzusehen.

Dass aber der Beschwerdeführer in Wahrheit einen anderen Aufenthaltstitel als nach § 44 Abs. 4 NAG angestrebt hätte, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die gegenständliche Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 29. April 2010

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