VwGH 2010/18/0046

VwGH2010/18/004623.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl, und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des ISB in W, geboren am 1984, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. November 2009, Zl. E1/438.838/2009, betreffend Ausweisung nach § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z4;
NAG 2005 §44 Abs4;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z4;
NAG 2005 §44 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. November 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei dem Akteninhalt zufolge am 25. Dezember 2002 in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 8. Jänner 2009 abgewiesen worden sei. Der Verfassungsgerichtshof habe laut Mitteilung des Bundesasylamtes vom 9. Juli 2009 die Behandlung der dagegen eingebrachten höchstgerichtlichen Beschwerde abgelehnt.

Der Beschwerdeführer wende gegen die vorliegende Ausweisung im Wesentlichen ein, er halte sich seit sieben Jahren in Österreich auf und verfüge über soziale und berufliche Bindungen. Ein Cousin, mit dem er bis vor kurzem noch im gemeinsamen Haushalt gewohnt habe, lebe ebenfalls im Bundesgebiet. Er sei verwaltungsstrafrechtlich und strafrechtlich unbescholten und verfüge über gute Deutschkenntnisse. Er gehe einer legalen selbständigen Beschäftigung für die Firma Mediaprint nach und erfülle die in "§ 44 Abs. 2 Abs. 4" Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (gemeint offenbar: § 44 Abs. 4 NAG) normierten Erteilungsvoraussetzungen und habe daher am 3. August 2009 einen entsprechenden Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingereicht.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 53 Abs. 1 FPG aus, der Beschwerdeführer halte sich nach rechtskräftig negativem Abschluss seines Asylverfahrens, somit seit 8. Jänner 2009, unrechtmäßig in Österreich auf, daher lägen die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vor. In einem solchen Fall könnten Fremde ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG i.d.F. BGBl. I Nr. 29/2009 entgegenstehe.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit Dezember 2002, somit seit etwa sieben Jahren in Österreich. Während seines anhängigen Asylverfahrens sei er lediglich zum vorübergehenden Aufenthalt berechtigt gewesen, wobei sich sein Asylantrag letztlich als unbegründet erwiesen habe. Anlässlich seiner niederschriftlichen Vernehmung am 14. Juli 2003 beim Bundesasylamt habe der Beschwerdeführer angegeben, dass in seiner Heimat seine Mutter, ein Bruder und eine Schwester lebten. In Österreich lebe ein Cousin, mit dem er bis vor kurzem im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Der Beschwerdeführer mache geltend, seit Jahren einer legalen selbständigen Beschäftigung nachzugehen. In diesem Zusammenhang habe er einen Einkommensteuerbescheid aus dem Jahr 2008 sowie eine Bestätigung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vorgelegt, wonach er seit 4. Juni 2009 pflichtversichert sei. Laut einem am 11. November 2009 erstellten Versicherungsdatenauszug sei der Beschwerdeführer zwar seit 1. Jänner 2008 laufend pflichtversichert, weise jedoch in der Zeit von 1. Juli bis 30. September 2009 nicht bezahlte Beiträge auf.

Auf Grund des langen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und seiner familiären bzw. beruflichen Bindungen sei im vorliegenden Fall von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens jedoch gravierend. Der Beschwerdeführer sei während seines anhängigen Asylverfahrens bloß zum vorübergehenden Aufenthalt berechtigt gewesen. Auch könne die Möglichkeit eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen den Aufenthalt eines Fremden nicht legalisieren. Ebenso würde die Anhängigkeit eines solchen Verfahrens zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung führen. Zudem werde das Gewicht der aus seinem Aufenthalt resultierenden persönlichen Interessen auch dadurch relativiert, dass er nicht verwaltungsstrafrechtlich unbescholten sei. Über ihn sei mit Strafverfügung vom 17. Jänner 2006 wegen Übertretung des § 103 Abs. 1 Z. 3 lit. a KFG, mit Strafverfügung vom 14. Juli 2006 wegen Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO und mit Strafverfügung vom 14. Dezember 2006 wegen Übertretung des § 52 Z. 11 lit. a StVO jeweils eine Geldstrafe verhängt worden.

Angesichts des vorliegenden Sachverhaltes sei die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet. Die angeführten persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers stellten auch unter Berücksichtigung der in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) aufgestellten Kriterien keine besonderen Umstände im Sinne des Art. 8 EMRK dar, die es ihm unzumutbar machen würden, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens in sein Heimatland zurückzukehren. Im vorliegenden Fall erweise sich die Erlassung der Ausweisung als dringend geboten und zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 und 2 FPG.

Im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt seiner Person auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Verletzung subjektiver Rechte aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass das Verfahren über den vom Beschwerdeführer gestellten Asylantrag rechtskräftig negativ beendet wurde und er über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte und somit die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Soweit der Beschwerdeführer auf einen nach § 44 Abs. 4 NAG gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser offene Antrag - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Davon ist die in dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149, aufgeworfene Frage zu trennen, ob während dieses bei der Niederlassungsbehörde anhängigen Verfahrens eine zwangsweise Durchsetzung des Ausreisebefehls zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/22/0301, m. w.N.). Der diesbezüglich geltend gemachte vermeintliche Verfahrensfehler liegt somit nicht vor.

3. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 1 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu vor, der Beschwerdeführer halte sich nunmehr seit dem Jahr 2002 im Bundesgebiet auf, gehe einer legalen selbständigen Beschäftigung nach, sei wirtschaftlich und beruflich integriert und sei auch in "familiärer" Hinsicht in Österreich verankert, weil ein Cousin, mit dem er bis vor kurzem im gemeinsamen Haushalt gewohnt habe, im Bundesgebiet lebe. Zudem verfüge er über gute Deutschkenntnisse und einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Mit diesen, in § 66 Abs. 2 FPG aufgezählten Kriterien habe sich die belangte Behörde nicht ausreichend auseinander gesetzt.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Dezember 2002, der bis 8. Jänner 2009 auf Grund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz rechtmäßig war (§ 66 Abs. 2 Z. 1 FPG), die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und die privaten Bindungen zu einem im Bundesgebiet lebenden Cousin (§ 66 Abs. 2 Z. 3 FPG) berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers angenommen. Weitere familiäre Bindungen im Bundesgebiet wurden nicht vorgebracht. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt bis zum 8. Jänner 2009 nur auf Grund eines Asylantrages, der sich in der Folge als unberechtigt herausgestellt hat, erlaubt und seit diesem Zeitpunkt unrechtmäßig war. Da der Beschwerdeführer lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt hat, kommt auch der von ihm ausgeübten Beschäftigung keine wesentliche Bedeutung zu. Der Grad der Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (§ 66 Abs. 2 Z. 4 FPG) ist auch dann nicht als besonders ausgeprägt anzusehen, wenn man berücksichtigt, dass er über gute Deutschkenntnisse verfügt. In seinem Heimatland hat der Beschwerdeführer familiäre Bindungen zu seiner Mutter, einem Bruder und einer Schwester (§ 66 Abs. 2 Z. 5 FPG).

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich seit rechtskräftiger Beendigung seines Asylverfahrens mit 8. Jänner 2009 unrechtmäßig in Österreich aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer - was unbestritten blieb - bereits dreimal wegen Verwaltungsübertretungen bestraft wurde. In Anbetracht dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit unter dem Gesichtspunkt des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, auch unter Berücksichtigung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers (§ 66 Abs. 2 Z. 6 FPG) keinem Einwand. Entgegen der Beschwerdeansicht liegt - wie sich schon aus den obigen Ausführungen ergibt - auch kein relevanter Ermittlungs- und Begründungsmangel vor.

4. Letztlich sind auch keine Umstände ersichtlich, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von ihrem Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 23. März 2010

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