VwGH 2009/22/0301

VwGH2009/22/030117.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des C, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 18. September 2009, Zl. E1/3324/3/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
NAG 2005 §44 Abs4;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
NAG 2005 §44 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus Österreich aus.

Sie stellte dazu fest, dass der Beschwerdeführer am 15. Oktober 2002 mit einem Sichtvermerk in Österreich eingereist sei. Er habe am 22. Oktober 2002 einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom 3. Juni 2003 in erster Instanz "nach §§ 7 und 8 AsylG" negativ entschieden worden sei. Seiner Berufung habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. März 2009 nicht Folge gegeben. Dadurch sei die "vorläufige Aufenthaltsberechtigungskarte" widerrufen worden. Der Beschwerdeführer halte sich gemäß § 31 FPG unrechtmäßig in Österreich auf.

Ein Beschwerdeverfahren beim Verfassungsgerichtshof sei noch offen.

Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, sich am österreichischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Er sei seit 21. September 1999 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet; diese sei mit dem gemeinsamen, am 24. August 2000 geborenen Sohn am 4. April 2003 nach Österreich gereist. In Österreich sei am 14. Juni 2004 ein weiteres gemeinsames Kind geboren worden. Der ältere Sohn des Beschwerdeführers besuche die Pflichtschule.

Die Asylanträge sämtlicher Familienmitglieder seien in zweiter Instanz negativ entschieden worden und es seien sämtliche Familienmitglieder ausgewiesen worden.

Der im Jahr 1968 in der Türkei geborene Beschwerdeführer habe dort 34 Jahre bis zu seiner Einreise in Österreich im Oktober 2002 gelebt. In der Türkei lebten noch zwei Brüder und vier Schwestern, ein weiterer Bruder lebe in Deutschland. Ein Cousin und eine Cousine würden seit ca. 20 Jahren in Salzburg wohnen. Es befänden sich noch sieben weitere Geschwister seiner Ehefrau in der Türkei. Im Gesamten könne von einer guten Bindung zum Heimatstaat gesprochen werden; der Beschwerdeführer verfüge über jederzeit aktualisierbare Kontakte im Heimatland.

Der Beschwerdeführer habe in Österreich den Asylantrag unter falschem Namen gestellt, weil er bereits aus Deutschland ausgewiesen worden sei. Er habe 1994 in Deutschland einen Asylantrag gestellt und sei dann abgeschoben worden. Dem Beschwerdeführer hätte bereits 1994 bei der Ausweisung aus Deutschland, zumindest jedoch nach dem negativen Bescheid der ersten Instanz (im Asylverfahren in Österreich) bewusst sein müssen, dass sein weiterer Aufenthalt im Schengen-Gebiet bzw. in Österreich unsicher sei.

Da sich die aufenthaltsbeendende Maßnahme zeitgleich gegen den Beschwerdeführer und seine gesamte Kernfamilie richte, sei mit der Ausweisung kein relevanter Eingriff in das Familienleben verbunden.

Der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Die gegenläufigen privaten Interessen seien nicht höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er sich nach Abweisung seines Asylantrages unrechtmäßig in Österreich aufhält.

Er wendet sich gegen die behördliche Beurteilung nach § 66 FPG (in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009). Diese Norm lautet auszugsweise:

"§ 66. (1) Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

  3. 4. der Grad der Integration;

  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

(3) …"

Dazu bringt der Beschwerdeführer vor, dass seine Kinder die Volksschule bzw. den Kindergarten besuchen würden, er selbst sehr gut die deutsche Sprache gelernt habe und mit seiner Familie gut im sozialen Umfeld in seiner Heimatgemeinde integriert sei. Er bestreitet aber nicht, dass auch gegen die anderen Familienmitglieder eine Ausweisung verfügt worden ist. (Mit rk. zweitinstanzlichen Bescheiden vom 18. September 2009; diesbezüglich sind beim Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfeanträge zu VH 2009/22/0090 bis 0092 gestellt worden.) Soweit er auf eine "asylerhebliche Verfolgungssituation" in seinem Heimatland verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass das Vorhandensein von Fluchtgründen rechtskräftig verneint wurde. Demnach kann es nicht als unzumutbar gewertet werden, dass der Beschwerdeführer das Familienleben in der Türkei fortsetzt.

Die belangte Behörde verwies zutreffend auf das große öffentliche Interesse an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens. Dieses öffentliche Interesse an der Ausreise abgelehnter Asylwerber weist einen sehr hohen Stellenwert auf. Es wurde durch den Beschwerdeführer zusätzlich dadurch verletzt, dass er - unbestritten - unter falschem Namen die Gewährung von Asyl beantragt hat. Demgegenüber verfügt der Beschwerdeführer zwar über einen sehr langen Aufenthalt im Inland, nicht jedoch über eine berufliche Integration, die ihm die Sicherung seines Lebensunterhaltes in Österreich ermöglichen würde. Maßgebliche Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass auch die übrigen Familienmitglieder des Beschwerdeführers rechtskräftig ausgewiesen wurden.

Entgegen der Beschwerdeansicht wird dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen, dass er ein Rechtsmittel gegen den negativen Asylbescheid der ersten Instanz eingebracht hat; zu Recht aber durfte die belangte Behörde aufzeigen, dass ihm nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides bewusst sein musste, nicht auf einen legalen Aufenthalt in Österreich vertrauen zu dürfen.

Insgesamt erweist sich daher das Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung der belangten Behörde nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht als rechtswidrig.

Soweit der Beschwerdeführer auf einen nach § 44 Abs. 4 NAG gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser offene Antrag der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegensteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, 2009/21/0293). Davon ist die in dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Beschluss vom 14. September 2009, AW 2009/21/0149, aufgeworfene Frage zu trennen, ob während dieses bei der Niederlassungsbehörde anhängigen Verfahrens eine zwangsweise Durchsetzung des Ausreisebefehls zulässig ist.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2009

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